„Territorien“ hieß der erste Text, den ich von Susanne Gregor gelesen habe, und er ließ mich sofort aufhorchen. Sie hatte ihn im Frühjahr 2010 zu unseren exil-Literaturpreisen eingereicht und in der Jurysitzung, die ich als Organisatorin des Literaturwettbewerbes moderiere, fand ich heraus: allen drei JurorInnen (Edith-Ulla Gasser, Martina Schmidt, Julya Rabinowich) war es ebenso ergangen und alle drei stimmten für sie als Siegerin des Wettbewerbes. Eine Übereinstimmung, die in den damals 14 Jahren, seit wir die Preise vergeben, noch nie vorgekommen war. „Territorien“ war und ist immer noch ein Text von hervorragender Qualität, der überzeugt. Edith-Ulla Gasser formulierte den Spruch der Jury:
„Ich habe es im Kopf, ich habe es im Herzen. Das Land, aus dem mein Mann kommt, wo er geboren wurde und aufwuchs.“ - Der Text „Territorien“ von Susanne Gregor ist ein hochsensibles Stück Kurzprosa über den Zauber, aber auch über die Schwierigkeiten einer Liebesbeziehung über kulturelle Grenzen hinweg. Auf nur drei eng beschriebenen Seiten wird das Bild zweier Länder gezeichnet, die sich in den handelnden Personen lieben, und das Bild zweier Personen, die sich in den verinnerlichten Heimatländern des jeweils anderen suchen. Es wird aber auch das Bild eines Mannes und einer Frau dargestellt, die sich, obwohl rein äußerlich im selben Land und sogar in derselben Wohnung wohnend, im Überforderungsfall doch immer wieder in ihre jeweils eigenen inneren Länder zurückziehen: „Dass man bei jeder Berührung auch das Land berührt, dass man bei jedem Streit auch Krieg führt, dass man es, so wie man den Mann liebt, auch mitliebt, in der gleichen zwiespältigen Art und Weise“, - genau das ist selten so behutsam und zugleich klar geschildert worden, weswegen sich die Jury in großer Übereinstimmung für diesen Text entschieden hat!“
Susanne Gregor erhielt 2010 den Hauptpreis der exil-Literaturpreise und natürlich lud ich sie sofort in die exil-AutorInnenwerkstatt ein. In den folgenden zwei Jahren veröffentlichten wir ihren Debutroman „Kein eigener Ort“ (edition exil 2011), für den sie bei der Kritik höchstes Lob erhielt und sie wurde mit diesem Buch 2012 auch Finalistin der ALPHA-LITERATURPREISE.
Helmut Gollner schreibt in seiner Kritik im „FALTER-BÜCHERHERBST“2012:
„Der Roman gehört beachtet: Wer Angst hat vor „Frauenliteratur“, vor solcher, die Herzen oder Seelen zu formlosen Ergüssen bringt, der hat hier Gelegenheit, diese Angst abzulegen, auch wenn in Gregors Roman ein weibliches Ich mit aller gebotenen Intensität und Insistenz die Welt auf den Stand seiner Empfindungen bringt. Die strömende Ich-Rede wird nie formlos, sondern entwickelt ganz natürliche und zugleich disziplinierte Poesie; Metaphern z.B. sind nirgends Klingklang oder Wortprotz, sondern bringen durchgehend literarischen Mehrwert, nämlich den der Anschaulichkeit; eine seriös radikale Autorin. (…) Gregors Roman hat die Ausdrucksintensität, Bildhaftigkeit, Direktheit der bedingungslosen Ich-Perspektive, ohne peinlich oder aufdringlich zu werden und ohne diese weibliche Katastrophe als Krankheit zu diskriminieren oder zu verharmlosen. Die erzählerische Souveränität ist für ein Debut erstaunlich.“
Inzwischen arbeitet Susanne Gregor bereits intensiv und zielstrebig wie kaum eine Autorin, die ich in den letzten Jahren in der Werkstatt coachen durfte, an weiteren großen literarischen Projekten. Ich konnte diese außergewöhnliche Autorin bei der Konzeption, Entwicklung und bei der Textarbeit an zwei neuen Romanprojekten – eines übrigens unter dem Arbeitstitel „Territorien“, - begleiten. Und da die edition exil sich als NEWCOMER-VERLAG versteht, der jungen AutorInnen (die aus einer anderen Sprache kommen und in deutscher Sprache schreiben) durch eine Erstpublikation den Weg zu großen Verlagen und zu einer literarischen Karriere zu öffnen versucht, rechne ich auch mit dem baldigen Sprung SUSANNE GREGORS in einen größeren Verlag. Und doch ist es mir eine große Freude, sie ein Stück weit begleitet zu haben.
© Christa Stippinger, 2012 _____________________________________
Christa Stippinger ist Herausgeberin und Verlegerin der edition exil.
Über ihren Verlag schreibt sie: „migrations- und emigrationserfahrungen, exil und rückkehr, leben zwischen kulturen sowie aktuelle themen im interkulturellen kontext sind schwerpunkte des verlages. 1997 hat exil die literaturpreise schreiben zwischen den kulturen ins leben gerufen. seither veröffentlicht die edition exil jährlich die texte der preisträgerInnen ergänzt durch ausführliche lebensgeschichtliche interviews in einer anthologie.“