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Gustav Ernst: Grundlsee.

Roman

Haymon Verlag 2013
gebunden mit Schutzumschlag

120 Seiten, 125 x 205 mm
ISBN 978-3-7099-7045-4

Leseprobe
Autor
readme.cc


Der Text setzt mit dem Erwachen des Ich-Erzählers ein, der von den Kindern im sommerlichen Urlaubsort im Salzkammergut, in einem Haus am Grundlsee, geweckt wird. John, Bella, Lili, noch ein Baby, so heißen die drei Kinder, die zwei älteren springen auf dem Erzähler-Vater im Bett herum, zeigen das Glück im Zentrum einer Jungfamilie, auch wenn es gewisse Grobheiten zwischen den Partnern gibt. Wie der Ich-Erzähler dabei auf Streitangebote nicht eingeht, ist beeindruckend, und die ganze Szene ist hinreißend zu lesen: Im Zentrum eines Lebens, vielleicht so etwas wie das Lebensherz, wird diese Situation im Familienverband an den Anfang gestellt.

Es wird gewandert und eingekehrt, man trifft zufällig eine Bekannte, Erziehungsmethoden werden diskutiert, ein vergnügliches Sozialpanorama wird rasant en detail vorgeführt. Auf die Ouvertüre dieses fulminanten Einstiegs folgen sieben sich immer mehr verkürzende szenische Abschnitte, einer davon in Briefform, der letzte ein Monolog, die das Decrescendo einer Familiensaga über große Zeitsprünge hin skizzieren. Und hier überrascht nun eine bei dem für seine Drastik bekannten Autor neue Stimmungslage: Wehmut und Melancholie. Wie in einem Fading off verklingt und verebbt die Geschichte aus ihrem anfänglichen Impuls heraus, verliert sich die eben noch so dichte Realität, die charakterisiert ist von Verstrickungen in Wünsche und Wollen, deren Abstimmung innerhalb des Familienensembles ursprünglich das Glück ausgemacht hat, die Kommunikation und Befriedigung einfachster Bedürfnisse, wie: Wer will jetzt ein Eis? Müssen wir um den ganzen See?

Von Anfang an ist dabei der Tod ein Thema: Sie ist tot, sagt der Bruder, als der Vater auf die noch schlafende kleine Schwester hinweist. Kleine Kinder sterben, wenn sie so viel gehen müssen, sagt der Knirps weise, als man sich anschickt, in der Sommerhitze den See wandernd zu umrunden; über sein Schicksal als Erwachsener und seinen Tod erfährt der Leser später aus einem Dialog der Schwestern.

Diese Todes- und Unglücksfälle sind Anlass seltener Begegnungen der über den ganzen Globus verstreut lebenden, beruflich erfolgreichen, aber zunehmend isoliert und gebrochen wirkenden Geschwister, folgt doch eine Serie von Szenen, in denen über Verluste und Versäumnisse getrauert wird: Der Vater verunglückt mit einem von Rebellen abgeschossenen Flugzeug in Asien, der Bruder ertrinkt beim nächtlichen Schwimmen im Atlantik, die Mutter stirbt an den Folgen eines Beinbruchs, eine Schwester wird in Südamerika ermordet, die andere stirbt an Brustkrebs.

Wie im Zeitraffer fliegt der Text, markiert nur die dramatischen Eckpunkte, mit dem Namen und der Erinnerung verlischt langsam jedes Leben, löst sich die individuelle Geschichte innerhalb von zwei, drei Generationen auf; die Metapher dafür fällt so nüchtern wie profan aus: „Wie eine Frischhaltefolie. Die langsam zerfällt.“ Jeweils ist den Erzählpassagen eine asynchrone Traumsequenz des verunglückten Vaters vorangestellt, der wie in einem Dämmerzustand die Familie über den Tod hinaus begleitet. Darin, wie auch in den Gesprächen der Kinder, kehrt die Sehnsucht nach einst erlebten Nähe und Vertrautheit wieder, einer emanzipativen Gegenbewegung der Kinder lässt der Text allerdings wenig Spielraum, insofern er aus der Perspektive des väterlichen Erzähler-Ichs konstruiert ist, dessen Verlöschen auch das in Fragmente zerfallende Dasein auflöst; mit ihm verliert sich auch die Geschichte.

Bis auf zwei dramaturgischen Rückgriffe auf den Anfang: In der familiären Ursprungsszene fällt der Blick des Ich-Erzählers mehrmals auf zwei weiß bezogene Lehnstühle, die auf der Terrasse einer schlossartigen Villa aufgestellt sind, wo Vorhänge aus offenen Fenstern wehen, aber Besitzer nie in Erscheinung treten. Diese Villa taucht im vorletzten Abschnitt nochmals mit erleuchteten Fenstern auf in der Nacht, in der die Enkeltochter mit ihrem Liebhaber am Seeufer entlang fährt, auf der Suche nach jenem Haus, das sie nur aus Erzählungen kennt. In ihrem Duktus, und wie man sich später im Bett „aufeinander rollt“, darin kehrt der raue elterliche Charme der Anfangsszene wieder, und seinen Bildern vom Vergehen stellt der Erzähler dann doch noch einen Satz nach: „Wir werden sehen.“

Martin Kubaczek
April 2013

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.












































































































 

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