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Die Hexe

DIE HEXE
DIE HEXE

Yasmine Galenorn
Roman / Mystery

Verlagsgruppe Droemer Knaur

Schwestern des Mondes: Band 1
Taschenbuch, 400 Seiten
ISBN: 978-342650155-9

Feb. 2009, 1. Auflage, 8.95 EUR
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KAPITEL 1

Seattle ist eigentlich fast das ganze Jahr über düster, aber der Oktober kann besonders scheußlich sein, was schlechtes Wetter angeht. Vom bleigrauen Himmel trommelte der Regen herab und schlug schräg gegen die Fenster, um in kleinen Sturzfluten am Glas hinabzuströmen.
Auf dem Boden sammelte sich das Wasser zu großen Pfützen, wo sich Unkraut durch das gesprungene Pflaster geschoben hatte. Zum Glück lag der Eingang zum Indigo Crescent etwas erhöht an einer kleinen Rampe, hoch genug, so dass die Kunden den Laden trockenen Fußes betreten konnten. Sofern man nicht vom Rand abrutschte und mit einer Sandalette in der Pfütze landete, so wie ich es eben geschafft hatte.
Ich schüttelte den Regen ab, als ich meinen Laden betrat, und tippte den Code der Alarmanlage ein. Dank meiner Schwester Delilah sprang diese Anlage nicht nur bei einem Einbruch an, sie meldete auch Spione. Und dieses beruhigend sichere Gefühl konnten wir angesichts der Tatsache, wer wir waren und woher wir kamen, wirklich gebrauchen.
Mein Fuß erzeugte ein schmatzendes Geräusch, als ich auf den Zehn-Zentimeter-Absätzen zu meinem Lieblingsplatz hinüberhumpelte und aus einer Riemchensandalette schlüpfte. Während ich den Designerschuh trocken tupfte, ging mir durch den Kopf, dass es manchmal recht günstig war, zur Hälfte Feenblut in sich zu tragen – Sidhe-Blut, um genau zu sein. Ich hatte kein Vermögen für diese Schuhe ausgeben müssen, sondern sie geschenkt bekommen, von meiner Ortsgruppe des Vereins der Feenfreunde, deren Mitglieder gern meine Buchhandlung besuchten.
Bei einem ihrer letzten Besuche hatten sie gesehen, wie ich in einem Katalog sehnsüchtig diese Schuhe bewundert hatte, und ein paar Tage später waren sie mit einer Einkaufstasche aufgetaucht. Natürlich hatte ich sehr genau überlegt, ob ich das Geschenk annehmen konnte … etwa dreißig Sekunden lang. Dann hatte die Begierde gesiegt, und ich hatte mich sehr liebenswürdig bei den Mitgliedern bedankt, während ich in die Schuhe schlüpfte, die perfekt passten, wie ich hinzufügen möchte. Ich untersuchte die Sandalette und stellte fest, dass sie keinen dauerhaften Schaden genommen hatte. Nachdem ich mir die Füße abgetrocknet und sie wieder mit ihren Lieblingsabsätzen vereint hatte, holte ich mein Notizbuch hervor und überflog meine To-do-Liste. Es gab Bücher einzusortieren und Bestellungen aufzugeben, und ich hatte mich bereiterklärt, die Gastgeberin für das monatliche Treffen des Lesezirkels der Feenfreunde zu spielen. Sie würden sich gegen Mittag hier treffen. Delilah würde fast den ganzen Tag lang wegen eines Falles unterwegs sein, und meine andere Schwester Menolly schlief natürlich.
Also, an die Arbeit. Ich schaltete die Stereoanlage ein, und »Man in the Box« von Alice in Chains dröhnte durch den Laden. Später würde ich zu verkaufsfördernder Klassik wechseln, aber am frühen Vormittag, wenn die Buchhandlung leer und ich allein war, richtete ich mich ganz nach meinem Geschmack. Brav schnappte ich mir einen Karton neuer Taschenbücher, um sie in die Regale zu räumen, und sehnte mich danach, dass etwas Interessantes passieren möge … als die Klingel über der Tür bimmelte und Chase Johnson hereinplatzte. Nicht die Art interessanter Ablenkung, auf die ich gehofft hatte.
Chase faltete seinen Regenschirm zusammen und ließ ihn in den Schirmständer neben der Tür fallen. Während er sich aus seinem langen Trenchcoat schälte und ihn am Garderobenständer aufhängte, achtete ich darauf, den Blick auf das Buch zu richten, das ich gerade einsortierte. Toll – genau das Richtige, um mir den Tag zu versüßen. Dass die meisten Männer meine Schwester und mich bewunderten, war ja durchaus angenehm. Aber Chase gehörte nicht zu meinen Lieblingsmenschen; er schaffte es nicht einmal unter die Top Ten. Wahrscheinlich hatte ich deswegen Gefallen daran gefunden, ihn zu provozieren, wann immer ich Gelegenheit dazu hatte. Nett? Wohl nicht. Aber lustig? Auf jeden Fall! »Ich brauche dich. Sofort, Camille!« Chase schnippte mit den Fingern und zeigte auf den Ladentisch.
Ich klimperte mit den Wimpern. »Was denn? Du willst mich vorher nicht mal zu einem romantischen Abendessen ausführen? Jetzt bin ich aber beleidigt. Du könntest wenigstens bitte sagen …«
»Zickig wie immer.« Chase verdrehte die Augen gen Himmel. »Und würdest du diesen Lärm abstellen?« Verächtlich schüttelte er den Kopf. »Da kommst du den ganzen weiten Weg aus der Anderwelt hierher, und was hörst du dir an? Diesen Heavy-Metal-Mist!«
»Ach, halt die Klappe, Chase«, sagte ich. »Mir gefällt das.
Hat mehr Pfeffer als die meiste Musik, mit der ich aufgewachsen bin.« Normalerweise hätte meine Bemerkung ihn aus dem Konzept gebracht; das hätte mir eine Warnung sein sollen, dass irgendetwas nicht stimmte. Wenn ich mehr auf meine Intuition gehört hätte, statt so genervt zu sein, hätte ich wohl meine Sachen gepackt, meine Kündigung eingereicht und mich noch am selben Nachmittag auf den Heimweg in die Anderwelt gemacht.
Widerstrebend legte ich Grisham neben Crichton auf ein Tischchen, damit sie sich inzwischen nett unterhalten konnten, und schlüpfte hinter den Ladentisch, um die Stereoanlage nicht nur leiser, sondern ganz abzustellen. Der Indigo Crescent war meine Buchhandlung, was die Öffentlichkeit anging, doch in Wirklichkeit war er die Tarnung einer Außenstelle des AND – des Anderwelt-Nachrichtendienstes. Für den arbeitete ich nämlich als Erdwelt-Agentin. Um ehrlich zu sein:
Sklavin wäre der treffendere Ausdruck.
Ich blickte mich um. Es war noch früh. Keine Kunden.
Wir konnten uns leider ungestört unterhalten.
»Also gut, was ist los?« Ich schniefte und bemerkte einen durchdringenden Geruch, der von Chase ausging. Zuerst dachte ich, er müsse wohl gerade aus dem Fitness-Studio gekommen sein. Ich hatte in der Vergangenheit schon eine Menge Dinge an ihm gerochen: Geilheit, Testosteron, Schweiß, seine nie nachlassende Sucht nach scharf gewürzten Rindfleisch-Tacos. »Bei allen Göttern, Chase, duschst du eigentlich nie?« Er blinzelte erstaunt. »Zweimal am Tag«, erwiderte er und fügte dann erstaunlich schlagfertig hinzu: »Riechst du vielleicht etwas, das dir gefällt?«
»Nicht unbedingt«, sagte ich, zog spöttisch eine Augenbraue hoch und versuchte, dahinterzukommen, was genau ich da roch. Der Geruch, den er verströmte, war … pure Angst! Das war kein gutes Zeichen. So etwas hatte ich noch nie an ihm gerochen. Was auch immer er mir sagen wollte, es konnte nichts Gutes sein. »Ich habe schlechte Neuigkeiten, Camille.« Er machte keine Umschweife. »Jocko ist tot.«
Ich stutzte. »Du machst wohl Witze. Jocko kann nicht tot sein.« Jocko war ebenfalls AND-Agent und ein Riese, wenngleich ein wenig kleinwüchsig für seine Art. Er maß etwas über zwei zwanzig, aber sein Bizeps ließ nichts zu wünschen übrig. »Jocko ist so stark wie ein Ochse!« Als ich sah, wie Chase den Blick senkte, durchfuhr es mich eiskalt. »Was ist passiert?« »Er wurde ermordet.« Chase blickte todernst drein. »Nein!« Es drehte mir den Magen um. »Teufel auch. Wie ist das passiert? Hat Jocko sich mal wieder mit der falschen Frau eingelassen, und irgendein eifersüchtiger Ehemann hat ihn erschossen?« So musste es sein. Kein gewöhnlicher Mensch konnte einem Riesen etwas anhaben, nicht einmal so einem kleinen wie Jocko, außer mit Hilfe einer fetten Kanone.
Chase schüttelte den Kopf. »Du wirst es nicht glauben, Camille.« Er blickte sich im Laden um. »Sind wir allein? Ich will nicht, dass irgendetwas davon durchsickert, solange wir nicht genau wissen, womit wir es zu tun haben.« Wenn Chase etwas unter vier Augen mit mir besprechen wollte, versuchte er bedauerlicherweise oft, mit mir zu flirten, aber er war einfach nicht mein Typ. Zunächst einmal fand ich ihn widerlich. Außerdem war er ein VBM – ein Vollblutmensch, also ein rein menschliches Wesen. Ich hatte noch nie mit einem VBM geschlafen und war keinesfalls in Versuchung, jetzt damit anzufangen.
Chase, von Kopf bis Fuß in Armani gehüllt, war knapp über eins achtzig groß und hatte welliges braunes Haar und eine schmale Patriziernase. Er sah gut aus, auf diese lockere Art, die galante Männer so an sich haben, und als meine Schwestern und ich ihn zum ersten Mal sahen, dachten wir, er könnte ein wenig Feenblut haben. Gründliche Nachforschungen ergaben: Er war durch und durch menschlich. Und ein guter Polizist im Rang eines Detectives. Er konnte nur überhaupt nicht mit Frauen umgehen, seine Mutter eingeschlossen, die ihn ständig auf dem Handy anrief und fragte, wann er denn endlich ein braver Sohn sein und sie besuchen kommen würde.
»Wo ist Delilah?« Seine Augen blitzten.
Ich grinste. Ich wusste genau, was er von meinen Schwestern hielt, obwohl Delilah ihn eher verblüffte als ängstigte. Dafür zitterte der arme Kerl vor Menolly, und sie jagte ihm gern absichtlich noch mehr Angst ein. »Sie stellt verdeckte Ermittlungen an. Warum willst du das wissen? Hast du Angst, dass sie plötzlich hinter einem Regal vorspringt und Buh schreit?« Delilah wollte die Leute ja nicht erschrecken, aber sie bewegte sich so leise, dass sie sich an einen Blinden heranschleichen konnte, ohne von ihm gehört zu werden.
Er verdrehte die Augen. »Ich muss das wirklich mit euch allen dreien besprechen.« »Ja, schon gut«, gab ich nach und schenkte ihm ein Lächeln. »Du weißt aber, dass wir dann bis nach Sonnenuntergang warten müssen. Vorher kann Menolly nun mal nicht mitspielen. Also, hast du wegen Jocko schon den AND kontaktiert? « Nicht, dass ich mir von denen viel erwartet hätte. Als das Hauptquartier Delilah, Menolly und mir diesen Erdwelt- Posten zugewiesen hatte, waren wir überzeugt gewesen, dass wir kurz davor standen, gefeuert zu werden. Wir arbeiteten zwar hart, aber unsere Erfolgsstatistik ließ eine Menge zu wünschen übrig. Eines war sicher: Keine von uns würde es je zur Mitarbeiterin der Woche bringen. Aber während ein Monat nach dem anderen vergangen war, ohne dass wir ernsthafte Anweisungen oder irgendwelche wichtigen Aufträge bekamen, hatten wir uns allmählich entspannt und festgestellt, dass diese unfreiwillige Versetzung auch ihr Gutes hatte. Es machte durchaus Spaß, die hier in der Erdwelt herrschenden Gepflogenheiten kennenzulernen. Nun jedoch war Jocko tot, und es würde unsere Aufgabe sein, die Sauerei zu beseitigen. Wenn er wirklich ermordet worden war, würde der AND Antworten verlangen. Antworten, die wir vermutlich nie finden würden, wenn man bedachte, wie wenig Ergebnisse wir in der Vergangenheit hatten vorweisen können.
»Das Hauptquartier lässt mich ganz schön im Stich«, sagte Chase langsam. Er verzog missbilligend die Lippen. »Ich habe mich heute Morgen mit denen in Verbindung gesetzt, und sie haben nur gesagt, dass ich den Fall euch zu übergeben hätte. Ich soll euch nur behilflich sein, wenn ihr irgendwelche Unterstützung braucht.« »Das war alles?« Ich blinzelte erstaunt. »Keine Richtlinien? Keine langatmigen bürokratischen Vorschriften, die wir bei unseren Ermittlungen zu beachten haben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Offenbar hat Jockos Tod für die nicht gerade oberste Priorität. Der Mitarbeiter, mit dem ich gesprochen habe, war so kurz angebunden, dass ich schon fast dachte, ich hätte irgendetwas Falsches gesagt.« Das wäre zwar nicht das erste Mal gewesen, dass Chase mächtig ins Fettnäpfchen trat, aber diese Reaktion des Hauptquartiers erschien mir doch bemerkenswert seltsam. Ich blickte die leeren Gänge zwischen den Regalen entlang. In ein paar Stunden würde es hier von Leuten nur so wimmeln, wenn die literaturbeflissenen Feenfreunde auftauchten. Ein Rudel gaffender, wild mit ihren Kameras knipsender Fans zu unterhalten, gehörte zwar nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber he, es brachte Geld ein und nützte zugleich den Anderwelt-Erdwelt-Beziehungen. Außerdem waren die Frauen ganz nett, wenn auch ein bisschen schrullig.
»Also, gehen wir das kurz zusammen durch. Die Feenfans werden erst gegen Mittag hier sein.« »Der Verein der Feenfreunde. Das ist nicht dein Ernst! Sag bloß, du hast dich von denen breitschlagen lassen?« Chase lächelte.
»Ist es nicht toll, ein Promi zu sein?«


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