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Seelenhüter
Schwungvoll öffnete Paula und der Anblick durchrieselte sie mit prickelnder Vorfreude. Die Realität war weitaus besser, als sie sich ausgemalt hatte. Seine große Gestalt füllte den gesamten Türrahmen und ließ nur wenige Strahlen der untergehenden Sonne ins Haus fallen, bevor er sich lässig an das Holz lehnte. Sein Körper wirkte trainiert und zeigte kein überflüssiges Gramm Fett, seine Haare waren von einem satten dunkelbraun. Er war glatt rasiert und verbreitete den angenehmen Duft eines herben Aftershaves. Paula ignorierte den Impuls, die Nase an seine breite Schulter zu pressen. Sie räusperte sich, um den Kloß im Hals zu verdrängen. Wie oft hatte sie die Situation heute durchgespielt, sich auf diesen Moment vorzubereiten versucht, doch sein Anblick verzauberte sie und machte jede Anstrengung zunichte.
Hi. Komm rein. Ihre Stimme gehorchte nicht, sie war nur ein Hauch.
Tjara gab ein leises Jaulen von sich. Flach am Boden liegend blickte sie zu dem Hünen auf und wartete unterwürfig auf eine Begrüßung, die sie in Form von Streicheleinheiten und einem freundschaftlichen Klaps auf das Hinterteil erhielt. Vor Neid hätte Paula fast ebenso um eine Berührung gebettelt. Tjara trottete davon und Paula kam aus dem Staunen nicht heraus, denn ihre Hündin war in der Regel überaus neugierig und verzog sich erst, wenn man sie explizit aufforderte.
Sie wagte kaum, an der imposanten Brust ihres Besuchers hinaufzublicken. Sein Hemd umschmeichelte den kräftigen Oberkörper in weichen Wellen. Seine Nähe strahlte pure Sinnlichkeit aus und sein Geruch war besonders angenehm, doch gleichzeitig lähmte sie seine Anwesenheit. Nur mit Mühe brachte sie ein paar zusammenhängende Worte hervor.
Möchtest du etwas trinken?
Danke, gern.
Was darf es sein? Champagner? Oder lieber was Härteres?
Er folgte ihr ins Wohnzimmer und blieb vor der Bar stehen. Paula schenkte sich Veuve Cliquot ein und schaute ihm in die Augen, deren Farbe an reife Haselnüsse erinnerte. Sein Aftershave duftete nach Leder und Zedernholz mit einer Spur
Karamell?
Wie es sich anfühlen würde, die Fingerspitzen über seine wundervoll geschwungenen Lippen gleiten zu lassen? Sie schüttelte benommen den Kopf. Dieser Mann hatte eine mysteriöse Wirkung auf sie. So etwas war ihr bisher nie passiert, außer in ihren Träumen.
Ich nehme einen Bourbon, sagte er mit einem Nicken in Richtung der Flasche Blantons.
Seine Stimme klang sanft und sogleich stellte Paula sich vor, wie sie zärtliche Versprechungen flüsterte. Sie errötete. Es kostete sie einige Mühe, das aufgeregte Zittern zu verbergen, während sie den edlen, amberfarbenen Whiskey einschenkte. Sie war überzeugt, dass Superman die Unsicherheit an ihrer Nasenspitze ablas und prompt hielt Befangenheit sie in eisernen Fesseln. Er griff nach dem Champagnerglas, reichte es Paula und legte seine großen Hände auf ihre Schultern. Seine Finger fanden die Wirbelsäule und massierten feinfühlig ihren Nacken.
Du bist ganz schön verspannt, murmelte er und Paula wusste nicht, ob das Prickeln vom Wohlklang seiner Stimme oder der gefühlvollen Berührung kam. Sie genoss seine Nähe, ein Teil Unbehaglichkeit verlor sich unter den gekonnten Bewegungen.
Tut dir das gut?
Warmer Atem streifte Paulas Haut und verursachte eine kribbelnde Gänsehaut. Ja, flüsterte sie.
Seine Worte wirkten so zärtlich und einfühlsam wie seine Fingerspitzen. Das Spiel seiner kraftvollen, geschmeidigen Muskeln übertrug sich wie Radiowellen vom Sender zum Empfänger. Ihre Antennen waren auf seine Frequenz justiert. Sie hatte geradezu vergessen, wie es sich anfühlte, derart verwöhnt zu werden.
Sag mir bitte Bescheid, wenn du dich unwohl fühlst. Er schlang ihre Haare zur Seite, seine Lippen berührten ihre Wange, strichen sinnlich am Ohr vorbei. Sein Körper schmiegte sich von hinten an sie und weckte wie sein heiseres Flüstern heißes Begehren. Du bist wunderschön. Seine Finger wanderten zu ihren verkrampften Fäusten. Er hob ihre Arme, drehte Paula wie bei einem Tanz im Kreis und zog sie an seine feste Brust.
Sie schaute zu ihm auf, sein Gesicht war zum Küssen nahe. Seine geraden dunklen Augenbrauen ließen den Blick seiner glitzernden Pupillen noch intensiver und leidenschaftlicher wirken, als ergründe er die Tiefe ihrer Seele. Ob er sie begehrte? Würden die Hemmungen von ihr abfallen, sodass sie sich ihm hingeben konnte? Paula wünschte sich irrealerweise, Antworten auf nie gestellte Fragen in der stummen Zwiesprache zu finden. Sie lehnte die Stirn an seine Schulter. Seine Hand umfasste ihre Taille, glitt streichelnd den Rücken auf und ab. Mit der anderen Hand hob er ihr Kinn an, seine Augen blitzten verführerisch. Paula versank in ihrem goldenen Schimmer. Ihr Prinz aus dem Märchen!
Begehrenswert.
Sie schmiegte sich in seine Arme, die sie zärtlich und beschützend umfingen. Wie verzweifelt hatte sie sich nach solchen Liebkosungen verzehrt, Tag und Nacht, hatte geweint und getobt und es nicht geschafft, die versteinerte Schale ihres hartherzigen Ehemanns zu durchdringen. Paula spürte, wie ein Schatten ihr Gesicht verdüsterte.
Bezaubernd.
Owen hatte eine Vorzeigefrau gebraucht, und sie war so naiv gewesen, die Oberflächlichkeit ihrer Beziehung nicht sehen zu wollen. Und das, wo sie immer gespürt hatte, dass dieser Weg nicht ihr Lebensziel war. Jetzt war es zu spät.
Entzückend.
Warme Lippen legten sich prickelnd in ihre Halsbeuge.
Und viel zu abwesend.
Plötzlich fühlte sie sich, als würde sie schweben. Der kräftige Hüne hatte sie um Rücken und Oberschenkel gefasst und trug sie in die Diele. Wie selbstverständlich steuerte er auf die Treppe zu und setzte sie erst auf dem Podest im Obergeschoss ab. Sein Blick wanderte über ihren Körper.
Sexy.
Seine Stimme klang verheißungsvoll, innig und vertrauenerweckend, sodass Paulas Scheu verflog. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn ins Schlafzimmer. Sie hatte einiges nachzuholen und wollte ihre verbleibende Zeit in vollen Zügen genießen, solange ihre Verfassung und ihr Gesundheitszustand es zuließen. Paula redete sich ununterbrochen Mut zu, sie fand sich keineswegs prüde, doch diese Situation war delikat, peinsam, ungewohnt. Er trat auf das Fenster zu und schob die hauchzarten Florentiner Tüllgardinen beiseite, öffnete einen Flügel und zog die Läden heran. Der Raum versank in angenehmem Halbdunkel. Paula war dankbar und überrascht, wie feinfühlig er war. Wahrscheinlich war es nur seine Professionalität, doch in seinem Lächeln glaubte sie, Bewunderung zu sehen, als er ihre Bluse aufknöpfte und sie über ihre Schultern streifte. Seine Fingerspitzen brannten auf der Haut, sie war sicher, dass sie glühende Spuren hinterlassen mussten. Ihr schwindelte beinahe, als ihre Hose zu Boden glitt. Paula verdrängte einen erneuten Anflug von Scham. Er stützte sie, während sie die Sandaletten von den Füßen schüttelte. Sogleich fand sie sich auf seinen Armen liegend wieder, bis er sie behutsam auf das Bett hinabließ.
Sinnlich und betörend.
Erregung wütete in Paula. Unter halb geschlossenen Lidern sah sie ihm beim Entkleiden zu. Sie fühlte sich wie ein Vulkan kurz vor seinem Jahrtausendausbruch. Die letzten goldenen Sonnenstrahlen, die sich durch die Lamellen der Fensterläden stahlen, beleuchteten seinen trainierten Oberkörper, fielen auf das Sixpack oberhalb seines Bauchnabels und die unbehaarte Brust. Das Spiel seiner Muskeln wirkte berauschend und prickelnd wie Champagner. Unter seiner Jeans spannte sich eine Beule, die magisch ihren Blick anzog. Er öffnete den Reißverschluss und kam langsam auf das Bett zu.

Luka überdachte blitzschnell seine Situation. Nur seiner Geistesgegenwart war es zu verdanken, dass seine Gesichtszüge nicht entgleist waren, als Paula ihm die Tür geöffnet hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er geglaubt, Gloria stünde leibhaftig vor ihm und war überrumpelt gegen den Türrahmen gesunken. Im nächsten Moment ging ihm auf, dass das unmöglich war. Er selbst hatte ihre Asche zu Grabe getragen. Spielten die Mächte des Bösen mit ihm? Hass und Zorn sprangen ihm wie hinterlistige Angreifer ins Genick. Wie konnte dieses Weib es wagen, sich zu schminken und zu frisieren wie sie? Wie konnte diese Person Glorias Andenken beschmutzen? Dann überflutete ihn ein anderes Gefühl mit einer Kraft, der er sich trotz größter Anstrengung nicht zu entwinden vermochte. Lukas Knie wurden weich.
Eine Spur seiner früheren Reaktionsgeschwindigkeit hatte sich gezeigt, als er Paula gemäß seines geplanten Auftritts in das Haus gefolgt war und beschloss, seine vorgetäuschte Aufgabe zu erfüllen. Diese Frau hatte das Schicksal ihm gesandt, das spürte er mit jeder Faser seines Körpers und seiner Seele. Von Sekunde zu Sekunde in ihrer Gegenwart fühlte er sich allerdings seltsamer. Irgendetwas war merkwürdig und er war nicht fähig, sich der Magie zu entziehen. Paula reagierte nicht auf ihn wie andere weibliche Wesen. Sie war ein wenig schüchtern und angespannt. Ja, sie wollte ihn, das hatte seine Beeinflussung erreicht. Damit verlor sich die Wirkung aber schon. Und noch etwas anderes stimmte nicht
er konnte nicht mehr denken, es war nicht greifbar. Sein Verstand setzte aus, als zöge nicht er sie in seinen Bann, sondern umgekehrt.
Luka blieb vor dem Bett stehen.

Magst du mir helfen?
Paula erschauderte wohlig bei der Vorstellung und versuchte, ihre Verlegenheit zu überwinden. Er machte es ihr leicht, so natürlich, wie er sich benahm und bewegte. Dennoch zitterten ihre Hände, als sie die Hose über seine kraftvollen Oberschenkel streifte und mit angehaltenem Atem seine pralle Erektion aus den Shorts befreite. Das Kribbeln zwischen ihren Beinen verstärkte sich voller Vorfreude, sein Glied war mächtig. Endlich sank er neben Paula auf die Laken. Selbst im Halbdunkel erkannte sie glatte, gebräunte Haut. Sie war makellos und Paula fragte sich, wie alt er sein mochte. Seine Bewegungen waren geschmeidig wie Seide, sein Körper schien nicht älter als Mitte zwanzig, doch seine Augen strahlten immense Reife aus. Paulas Spannung steigerte sich beinahe ins Unerträgliche.
Fühlst du dich gut?
Sie nickte. In Wahrheit war ihr Hals so trocken, als wandelte sie seit Tagen ohne Wasser durch die Wüste. Sie schluckte verkrampft. Er beugte den Kopf und berührte sie mit wundervoll weichen Lippen. Unendlich behutsam umkreiste er mit der Zungenspitze die Konturen ihres Mundes, schob sie sachte vor, lockte ihre Zunge, den Tanz aufzunehmen und sich mit seiner im Gleichtakt zu bewegen. Die Berührungen dieses Mannes sandten winzige Stromstöße aus. Er schmeckte gut, sein Atem hatte einen dezenten Hauch von Pfefferminz und die Duftstoffe, die sein Körper abgab, verzauberten ihre Sinne.
Du darfst mich auch anfassen, raunte er an ihrem Ohr und seine gigantische Erregung presste sich gegen ihren Schenkel.
Kurzzeitig flackerte erneut Schamgefühl auf. Es war einfach zu peinlich, zum ersten Mal in den Armen eines Callboys zu liegen. Hätte sie doch bloß den bescheuerten Prospekt dieser Agentur niemals im Briefkasten gefunden. Ach, zum Teufel! Leidenschaft übermannte Paula, Einsamkeit und Abstinenz forderten ihren Tribut. Sie rutschte dichter an den strammen Leib, schmiegte sich an ihn. Sie wollte ihn. Sofort! Nicht eine Sekunde mochte sie, konnte sie, länger warten.
Sein flacher Bauch drückte sich an sie und sie spürte die Vibration, die von ihm ausging, als brumme ein Massagekissen in seinem Inneren. Seine Finger streichelten ihre Brüste, sie merkte deutlich, wie er ein Zittern unterdrückte, so gut er es vermochte. Er fuhr die Wölbungen mit der Fingerspitze nach.
Du bist wunderschön, sagte er und rollte sich auf sie.
Seine Männlichkeit zuckte an ihrer Scham. Sein Blick verklärte sich, als tauche er in eine fremde Dimension ein. Machte sie ihn tatsächlich an? Rief sie echte Gefühle in ihm hervor? Sie wünschte es fast. Nein, nicht fast sie gestand sich ein, dass der Gedanke verlockend war und sie ihn überaus angenehm fand. Hätte sie einem Mann wie diesem nicht früher begegnen können? Paula vermied es gezielt, an den Namen ihres Gespielen zu denken und versuchte, ihn nicht als Mensch mit Gefühlen zu sehen. Es wäre zu leicht, sich in etwas zu verrennen, das aussichtslos war.
Deine Haut ist so weich wie Samt, flüsterte sie, ließ die Handfläche an seiner Wirbelsäule entlanggleiten und biss sich umso fester auf die Unterlippe, je näher sie seinen Lenden kam. Verdammt, sie wollte nicht wie eine ausgehungerte Hyäne erscheinen und betete um Selbstdisziplin. Sie schwankte zwischen der Entscheidung, diesen wahnsinnig erregenden Männerkörper zu verschlingen, und der Zurückhaltung, von der sie glaubte, dass sie sich geziemte. Paula knetete seinen straffen Hintern.
Er bedeckte ihre geschlossenen Lider mit zarten Küssen, und noch bevor ihr überhaupt richtig bewusst war, dass er sich von ihr hinunterbewegt hatte, zog er ihr den Slip aus und warf ihn in den Raum. Fordernd schob er ihre Schenkel auseinander. Er würde sie nehmen, jetzt gleich. Es würde himmlisch sein, so wie sie es sich erträumt hatte, atemberaubend und prickelnd.
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