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Wo sind die Wölfe

WOLFSKÜSSE - MEIN LEBEN UNTER WÖLFEN

Elli H. Radinger
Roman / Biografie

Rütten & Loening

Fester Einband, 224 Seiten
ISBN: 978-335200820-7

Sep. 2011, 19.99 EUR

Zum ersten Mal schnupperte ich in die Welt der wilden Wölfe. Im International Wolf Center in Ely, Minnesota, lernte ich die Grundlagen der Wolfsforschung kennen; wie beispielsweise den Gebrauch der Telemetrieausrüstung. Hier traf ich auch Dave Mech, Amerikas renommiertesten Wolfsforscher und Jim Brandenburg, einen einzigartigen Naturfotografen. Dass ich mich hier auch in einen Mann verliebte, der abgelegen in der Wildnis mitten zwischen Wölfen und Bären lebte, und kurze Zeit später zu ihm zog – das ist Stoff für ein anderes Buch …


Wo sind die Wölfe? Angestrengt schaute ich aus dem Autofenster und versuchte, im undurchdringlichen Dickicht der Wälder eine Bewegung zu erspähen. Dabei kam der Mietwagen gefährlich ins Schlingern.
Nach einem langen Flug von Frankfurt über Detroit nach Minneapolis und einer fünfstündigen Autofahrt in den Norden drohten mir immer wieder die Augen zuzufallen. Aber die Aussicht, Wölfe zu sehen, ließ meinen Adrenalinspiegel dann doch in die Höhe schießen. Ich war aufgeregt. Im International Wolf Center sollte ich zusammen mit Amerikas bekanntesten Wolfsforschern in nur drei Wochen die Grundzüge von Ökologie, Verhalten von Wolf und Beutetieren sowie den Gebrauch und Einsatz der Telemetrieausrüstung erlernen. Während ich aus dem Fenster sah, musste ich über mich selbst lachen. Wie ein Bluthund folgte ich unbeirrt der Spur der Wölfe. Aber von denen hatte sich bisher noch keiner gezeigt.
Minnesota empfing mich Anfang Oktober mit der ganzen Farbenpracht des Indian Summer. Die goldenen Blätter der Espen strahlten um die Wette mit dem Blutrot des Zuckerahorns. Endlich erreichte ich mein Quartier, die Timber Wolf Lodge. Wenn »Nomen est Omen« gilt, dann war ich hier genau richtig.
»Willkommen im Wolfsland«, begrüßte mich Dan Groebner, der Biologe und Studienleiter des International Wolf Center, der mit seinem dunklen, lockigen Haar und dem obligatorischen Vollbart ganz dem Klischee des Wolfsforschers entsprach. Die Holzfällerjacke, Jeans und gefütterten Stiefel rundeten das Bild ab. Er sah aus wie eine Figur aus einem Jack-London-Roman.
Dan stellte mich den anderen vier Teilnehmern des Forschungsseminars vor: Karla, eine sechsundzwanzigjährige Biologiestudentin aus der Schweiz, hoffte, durch die hier erworbenen Kenntnisse einen besseren Ausgangspunkt für ihre berufliche Wunschlaufbahn (»etwas mit Wölfen«) zu erhalten. Linda war etwa vierzig und Lehrerin in Denver. Sie arbeitete ehrenamtlich im Zoo und wollte ihren Schülern die Wölfe näherbringen. John, ein pensionierter Eisenbahner aus Boston mit einer lebenslangen Leidenschaft für Wölfe, hatte nun endlich die Zeit, mehr über seine Lieblinge zu lernen. Und Peter, ein dreißigjähriger Maschinenschlosser aus Deutschland, wollte Fotograf werden und wünschte sich sehnlichst, in Minnesota ein paar Wölfe vor die Linse zu bekommen.
»Ihr seid sicher hungrig«. Dan traf den Punkt. »Wir haben etwas zu essen für euch vorbereitet.« Im Speiseraum der aus Rundhölzern gezimmerten Lodge flackerte bereits ein Feuer im Kamin. Bei einer dampfenden Suppe und Bergen von Spaghetti und Salat besprachen wir das Programm für die nächsten Tage.
Schließlich forderte der Jetlag seinen Tribut, und ich zog mich in die gemütliche Blockhütte zurück, die für die nächste Zeit mein Zuhause sein sollte. Im Wohnzimmer brannte im Holzofen ein Feuer gegen die langsam aufziehende Kälte. Eine offene Küche und ein Duschbad fanden gerade noch Platz in der kleinen Cabin. Das große, aus ganzen Baumstämmen gezimmerte Bett nahm fast das gesamte Schlafzimmer ein. Es wurde von einem dicken, handgearbeiteten Quilt bedeckt. Jetzt erst merkte ich, dass ich kaum noch die Augen aufhalten konnte, und sank dankbar in die weichen Kissen. Ich versuchte noch wach zu bleiben, in der Hoffnung, das Heulen der Wölfe zu hören, aber vergeblich. Sofort fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Der nächste Morgen war kalt und stürmisch. Von der Terrasse meiner Cabin aus sah ich die Schaumkronen auf dem Bear Island Lake tanzen – typisch für diese Jahreszeit, in der schon im Oktober der erste Schnee fallen kann. Ich befand mich in einem der kältesten Staaten der USA. Doch viel Zeit zum Frieren blieb nicht. Auf uns wartete ein volles Programm. Jeder der folgenden Tage war angefüllt mit Vorträgen von Biologen, Verhaltensforschern und Fallenstellern. Wir übten, uns mittels Kompass und topografischer Karten im Gelände zu orientieren und lernten die Telemetrieausrüstung kennen. Mit der Telemetrie haben die Forscher eine sehr wirkungsvolle Methode gefunden, um einzelne Wölfe zu orten. Sie informiert über die Bewegungen eines speziellen Wolfes über einen bestimmten Zeitraum hinweg und ermöglicht es so, dem Wolf das ganze Jahr über zu folgen. Dazu trägt das Tier ein Radiohalsband, das mit einem Sender ausgerüstet ist, der ein Signal abgibt. Der Biologe hat eine Antenne, mit der er in die Richtung des Tieres zeigt. Wenn das Signal im Empfänger am lautesten piept, notiert der Biologe die Koordinaten auf einer Karte. Danach wiederholt er den Vorgang an einem anderen Ort. Die Schnittpunkte der beiden Koordinationslinien zeigen, wo sich der Wolf befindet. Jeder Wolf hat eine eigene Sendefrequenz, sodass ein Forscher mehrere Tiere lokalisieren kann.
Uns schwirrte der Kopf bei so viel Theorie. Dann endlich die Erlösung.
»Ihr werdet in den nächsten Tagen Nummer 369 beobachten«, verriet Dan.
Wir sollten eine Nummer beobachten?
»369 F ist eine schwarze Wölfin. F steht für ›female‹, also weiblich. M ist ›male‹, ein Rüde«, lautete die Erklärung.
»Wäre es nicht einfacher, den Wölfen Namen zu geben?«, fragte Karla.
»Nun, im Gegensatz zu unseren kanadischen Kollegen geben wir den Wölfen keine Namen«, tönte es in einem tiefen Bariton von der Tür. Ein großer, stattlicher Mann war eingetreten. Der gestutzte, graumelierte Vollbart glich den zurückgehenden Haaransatz aus. Mit dem karierten Wollhemd, einer dunklen Arbeitshose und abgetragenen Wanderstiefeln sah er aus, als käme er geradewegs aus dem Busch. Dr. David L. (Dave) Mech war gekommen, um uns zu begrüßen. Mech war der Leiter des International Wolf Center und einer der renommiertesten Wolfsexperten der Welt. Peter fiel die Kinnlade herunter, und ich musste kurz schlucken. Mech war der Zeus auf dem Olymp der Wolfsforscher, und die Studenten rissen sich darum, in seine Seminare zu kommen. Er war einer der ersten Wissenschaftler, die wilde Wölfe erforschten, und verbreitete die Aura eines Menschen, der es gewohnt war, bewundert zu werden. Dass er sich »herabließ«, uns zu besuchen, betrachteten wir als große Ehre. Ehrfürchtig hingen wir an seinen Lippen.
»Wir wollen den Wölfen ihre eigenen Namen lassen und vermeiden, einen persönlichen Bezug zu ihnen aufzubauen«, erklärte er mit einem freundlichen Lächeln.
Das verstand ich nicht. Warum konnte man nicht wissenschaftlich arbeiten und trotzdem einen persönlichen Bezug zu den Wölfen haben? Doch ich hatte keine Zeit mehr, meine Frage zu stellen, denn jetzt bekamen wir genaue Instruktionen für die bevorstehenden Aufgaben.
Obwohl wir noch nie einen Blick auf Wölfin 369 geworfen hatten, war sie uns schon bald vertraut. Möglich machte das die Technik. Die Wölfin trug ein Radiohalsband mit einem Sender, dessen Signale wir über einen Empfänger orten konnten. So ließ sich genau feststellen, wo sie sich befand. Die unterschiedliche Signalstärke und Häufigkeit gaben Auskunft darüber, was sie tat. Ob sie schlief, wanderte oder fraß.
Mech erzählte von seiner Arbeit. Er verbrachte wohl mehr Zeit unter Wölfen als irgendein anderer Mensch auf der Welt. Für seine Studenten war er eine lebende Legende.
»Es ist nicht leicht, einen Wolf zu besendern«, erklärte er. »Zunächst einmal müssen wir dieses extrem scheue und intelligente Tier einfangen. Dafür nehmen wir das hier.«
Er zeigte uns ein Fangeisen, wie ich es bisher nur aus Trapperfilmen kannte. Mech sah unsere entsetzten Blicke.
»Keine Sorge. Schaut genau hin. Wenn der Wolf auf diesen Kontakt tritt«, er deutete auf einen Teller in der Mitte der Falle, »schnappt der Bügel zu und hält den Fuß fest. Fühl mal. Im Gegensatz zu anderen Fallen sind hier die Bügel mit Hartgummi verkleidet. So kann sich der Wolf nicht verletzen.«
Das Angebot, die Konstruktion selbst mit der Hand auszuprobieren, lehnte ich aber dennoch ab. Trotz der Erklärung von Mech gefiel mir die Fallensache nicht. Gab es keine Alternative?
»Wenn wir die Wölfe schützen wollen, müssen wir wissen, was sie tun. Dazu brauchen wir das Radiohalsband. Nur so können wir ihnen folgen und erfahren unter anderem, welche Entfernungen ein Wolf am Tag oder in der Nacht zurücklegt, wie dicht er sich dabei menschlichen Behausungen nähert und wo seine bevorzugten Wanderwege sind«, antwortete der Experte. »Es gibt auch andere Methoden, Wölfe einzufangen«, fuhr er fort. »Unsere europäischen Kollegen arbeiten mit Fangnetzen, in die man die Tiere treibt, und in Kanada werden die Wölfe vom Hubschrauber aus mit einem Narkosegewehr betäubt. Das ist in unseren dichten Wäldern nicht möglich.«
»Wir kontrollieren ständig unsere Fallen«, versuchte nun Dan seinerseits zu beruhigen. »Finden wir einen Wolf, wird er betäubt. Dann geht alles ganz schnell. Er wird vermessen und gewogen. Wir untersuchen seine Zähne und den allgemeinen Gesundheitszustand. Durch die Blutentnahme können wir mit DNA-Untersuchungen seine Verwandtschaft zu anderen Wölfen feststellen.«
Dan Groebner und Dave Mech zeigten uns Bilder von einer solchen Prozedur. Der Wolf war riesig im Vergleich zu Mech, der ihn im Schoß hielt. »Zum Schluss legen wir dem Tier sein Radiohalsband mit der Registriernummer um. Die Batterien des Halsbandes halten normalerweise etwa fünf Jahre. Danach fällt es irgendwann einfach ab. Wenn wir fertig sind, entfernen wir uns leise, um den Wolf beim Aufwachen nicht zu verängstigen.« An das Halsband gewöhne sich das Tier schnell, versicherten die Biologen. Fortan könne nun jeder seiner Schritte verfolgt werden.

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Bilanz
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Neue Wege gehen
Persönliche Empathie
Rudel-Dynamik

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