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Die Eltern werden um paarweises Erscheinen zwischen acht und
zehn Uhr gebeten. (Ja, sind wir denn alle arbeitslos?) Zumal geht es
ja nur um die Ersterfassung der Sprößlinge. Nix Ernstes
also. Trotzdem: Is ja für's Kind. Und das Kind freut sich. In
der Eingangshalle stehen Wühltische bereit: Endlospapier aus einem
Druckerschacht liegt zur Befriedigung des kindlichen Tatendrangs
ebenso bereit wie Knete und Buntstifte. Die Plätze an den Tischen
sind heiß umkämpft. Die Warteschlange ist lang. Die Männer beweisen
soziale Inkompetenz. Die Damen klären lebenstüchtig, wer nach wem
dran ist. "Also wir kommen nach der Frau mit den blonden
Haaren", weist eine den Gatten ein, der mit seiner Anwesenheit
leicht überfordert wirkt. Die meisten Mütter müssen sich untereinander
nicht bekannt machen. Es gibt bereits soziale Kontakte aus dem
Kindergarten. Frau kennt sich. Mann muß sich nicht kennenlernen. Alle
Kinder sind erfaßt worden. Jetzt geht es um erste Kontaktaufnahme und
Bestimmung des sozialen Feldes und Umfeldes. Die Religion wird
abgefragt. Dann die Ergebnisse der kinderärztlichen
Etappenuntersuchungen. Alles Bestens, oder? Mann ist ja nie mit
gewesen und erfährt nun erstmals von derartigen Vorgängen. Ist das
Kind etwa nicht normal? Doch, ist es, beschwichtigen die Frauen,
derweil sich die Kinder um Stifte und Tischplätze prügeln. Die Väter
sehen verpeinlicht weg. Die Mütter werden es schon richten. Komisch:
Uns erzählen sie, die Renten seien nicht mehr sicher, weil: es gibt zu
wenig Kinder, und hier stehen sie aber so was von Schlange. Ja, da
müssen sich doch welche eingeschmuggelt haben? Das Franzkind hat den
Vaternamen. Die Mutter spricht. Das ist verwirrend. Kinder sollten
immer nach den Familiensprechern benannt werden. Oder? Die Eltern sind
unterschiedlichen Bekenntnisses. Erstaunlich. Das Kleinkind als
Schisma. Als was, bitte? Nun denn, auf zur Frau Direktorin. Die grüßt
die Eltern und ändert dann abrupt die Schwingungszahlen, als sie das
Kind anspricht. Das Kind -- vorher noch schulbegierig -- igelt sich
ein. Na, möchte die Frau Direktorin wissen, was machst du denn am
liebsten? Fernsehen. Haltstopp, das hatten wir aber anders
eingeübt. Fehlt nur noch, daß jetzt der Mäck ins Spiel kommt, wenn die
Essensfrage gestellt wird. Das Kind benutzt dann bei seiner ersten
offiziellen Antwort gleich einen grammatikalisch echten
Konjunktiv. Die Frau Direktorin entsendet einen erstaunten
Seitenblick. Die Erziehungsberechtigten empfinden echten Stolz. Nach
dem Konjunktiv hat das Kind genug gesagt. Es wird eingeladen, an einem
Schulorientierungsspiel teilzunehmen. Termin: Irgendwann in vier
Wochen. Draußen liegen Listen aus. Da darf eingetragen
werden. Verschiedene Uhrzeiten zur Auswahl. An dir werden wir Freude
haben, sagte die Frau Direktor. Na wunderbar.
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Draußen ist die Schlange angewachsen. Die Burschen unter den
Schulpflichtigen üben bereits terroristische Verhaltensweisen. Mann
kann ja gar nicht früh genug anfangen mit so was. Die süßen kleinen
Kevins, Borisse -- wie schön sie schon in der Spur laufen. Dafür reden
sie noch in Dreiwortsätzen. Das kommt vom
Fernsehen. Dritteweltspreche. Jetzt darf schon an das Anschaffen von
Schultornistern gedacht werden. Es gilt, Kleinkredite aufzunehmen. 130
Euro dürfen es schon sein. Dafür: Ergonomisch einwandfreies Material
mit Fernsehhelden dekoriert: Von Benjamin Blümchen bis zum
Maffay-Drachen. Nur gut, daß keine Musikchips eingebaut sind. Für die
lieben Kleinen ist halt nichts gut genug, und bei den Kosten sagt man
als Vater besser nichts, um die Mütter nicht gegen sich
aufzubringen. Wie gesagt: Die Ranzen sind zwar teuer, dafür aber
rückenangepaßt. Das Gefühl kommt auf, daß, wenn du das Kind mit dem
falschen Ranzen beschenkst, es gleich zu einem Anwärter für
Pflegestufe drei wird -- noch im Grundschulalter. Das darf natürlich
nicht sein. Wir wollen doch alle nur unser Bestes.
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