Köln, 03. Apr 2003_
Der Krieg im Irak bleibt auch nach der ersten Phase des Einmarsches
durch die USA und Großbritannien ein hochkontroverses Thema.
Der im UN-Sicherheitsrat als Völkerrechtsverletzung heftig
kritisierte und von weltweiten öffentlichen Protesten begleitete
Angriffskrieg ohne Mandat zeitigt nun blutige Konsequenzen für die
irakische Zivilbevölkerung und die Soldaten auf beiden Seiten. In den
Medien findet ein Bilderkrieg statt, den beide Parteien für sich
ausbeuten wollen.
Im Gegensatz zur Medienberichterstattung im Golfkrieg 1991 mit
Dauerbeschirmung und den langen Blackouts durch die strategische Zensur
wird diesmal eine pausenlose, aber keineswegs vollständige
Berichterstattung in den konkurrierenden Medien präsentiert. Viele
Journalisten sind in die Truppen eingegliedert, um die News vom
"Marsch auf Bagdad" im Sinne der Militärs lenken zu
können. Und doch schert die zivile Berichterstattung immer wieder aus
der militärischen Perspektive aus. Die Direkt-Bebilderung der Truppe
disqualifiziert sich schnell im Fahrwasser einer unterhaltsamen
Propaganda. Im sogenannten Militainment schieben sich arrangierte
Situationen und Posen in den Vordergrund. Opfer und Verluste werden von
beiden Seiten ideologisch mißbraucht. Das wirkliche Geschehen muß
entziffert werden, durch Abgleich widersprüchlicher Quellen. Angriffe
aus der Luft sind keine exakten chirurgischen Eingriffe, immer wieder
gibt es zivile Tote. Der Einmarsch ist keine touristische Spazierfahrt,
sondern ein riskantes Unternehmen, Rückweg und Nachschub bleiben
zunächst ungesichert. Durch "friendly fire"
erleiden die US- und britischen Truppen auch diesmal erhebliche
Verluste, die Technologie frißt ihre eigenen Kinder. CNN, BBC und
Al-Jazeera haben verschiedene Perspektiven, FoxNews wieder ein ganz
andere. Der Krieg im Irak entwickelt sich zum tödlichen Risiko für beide
Seiten, kein Pathos patriotischer Heldentaten kann darüber
hinwegtäuschen.
Im Internet haben sich verschiedenste Protestformen gegen den
Kriegskurs der USA und ihrer Verbündeten artikuliert:
Vor dem Krieg forderten verschiedene Internetbewegungen zur direkten
telefonischen "Belagerung" der offiziellen Repräsentanten,
der Regierungsmitglieder, Senatoren und Abgeordneten auf. Die Form der
Internet-Petitionen hat sich entscheidend verbessert: Die endlosen
Kettenbriefe, die im Netz hin- und herirrten und in zahllosen Varianten
wirkungslos wurden, werden nun durch stabile Links ersetzt, die in den
täglichen Newslettern angegeben werden: Insofern erhält die Einladung
zum Widerstand einen festen Ort im Netz, von dem aus überzeugend und
öffentlichkeitswirksam operiert werden kann. Die tagtägliche
Verarbeitung von offiziellen News und ihre Ergänzung durch persönliche
Zusammenfassungen und Reportagen vor Ort hat eine neue Qualität
erreicht: In sogenannten "Weblogs" oder
"blogs" werden tagebuchförmige Eintragungen und Links
präsentiert, die pausenlos aktualisiert werden. Offizielle Meldungen
werden durch persönliches Material, durch Reportagen vor Ort ergänzt,
korrigiert, widerlegt oder dementiert. In den Weblogs treffen
Journalisten, Zivilisten und auch Soldaten zusammen, um individuelle
Erfahrungen und unzugängliches Hintergrundwissen auszutauschen. In
command-post.org
ist ein Portal entstanden, in dem zahlreiche "Blogger" verlinkt sind.
Antiwar.com
ist eines der Portale der internationalen Antikriegs-Organisationen, die
News aus unterschiedlichsten Quellen zusammenzustellen und ihre
Veranstaltungen ankündigen und koordinieren. Die Friedensbewegung
Iraqipeaceteam.com berichtet auf diese Weise direkt aus dem Irak. Die
Berichte der Blogger werden im Netz archiviert und auch von den
offiziellen Medien als authentische Quelle benutzt, um verfälschende
Berichterstattung, mediale Glättung und Propaganda ständig zu
korrigieren. BBC-online erwähnt, daß diese Art der Berichterstattung zum
ersten Mal im Afghanistan-Krieg auftauchte.
Die Spirale von Gewalt und Brutalität, Verletzung und Tod, Demütigung
und Verzweiflung ist unbezähmbar. Der Weg in den Krieg ist und bleibt
menschlich und politisch unakzeptabel. Keine patriotische Ideologie,
kein Sicherheitsdenken und keine technologische Übermacht können das
Desaster und das unmenschliche Leiden beherrschen oder Wut und
Entrüstung eindämmen. Krieg ist kein Schauspiel in einer begrenzbaren
Arena. Demokratie kann und darf man nicht herbeibomben. Wir alle sind
dafür mitverantwortlich, gegen diesen furchtbaren Mißbrauch von
Demokratie, Wohlstand und Frieden etwas zu tun.
Netzdemo der Bilder gegen Krieg und Zensur
Die Kölner Galerie Lichtblick hat daher einen besonderen
Aufmerksamkeits-Fokus für den Protest gegen den Krieg gewählt:
"Images against war, Bilder gegen Krieg".
Unter diesem Titel hatte Tina Schelhorn zur Ausstellung in der
Galerie Fotografen eingeladen - unter dem Druck des anstehenden Krieges
direkt per E-Mail. Die elektronische Kommunikation hatte Folgen: Sofort
entwickelte sich das Projekt zur Demonstration im Netz, zum Aufstand
zahlloser Bilder, die seit 20. Februar 2003 unter der Adresse
www.imagesagainstwar.com
im Internet stehen.
Die beteiligten Fotografen erkannten die Chance einer visuellen
Plattform gegen Krieg, Propaganda und Zensur: Ein schnell erreichbarer,
flexibler nutzbarer und vor allem unzensierter Ort mit gebündelter
Aussagekraft. Für Fotografien, die frei nebeneinander ins Netz gestellt
werden und bei denen sich künstlerische Qualität, politischer
Widerstand, journalistische Aktualität und mediale Reflexion gegenseitig
verstärken.
Zu dieser Aktion stoßen tagtäglich neue Bilder aus aller Welt: Es
melden sich Fotografen aus Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien,
China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Haiti,
Holland, Irland, Israel, Italien, Japan, Jugoslawien, Kanada, Kuba,
Lettland, Marokko, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Österreich, Polen,
Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Spanien, USA ...
Bilderstreit statt Political Correctness und Militainment
Die zivile Kampagne "Bilder Gegen Krieg" bietet eine
Vielfalt persönlich getönter Perspektiven und Ansichten -- ohne
Political Correctness, modernes Militainment und einseitige politische
Propaganda. Die Freiheit des Blicks steht im Vordergrund. Das einzelne
Bild mag anfechtbar sein, die offene Auseinandersetzung wird in der
grenzüberschreitenden, internationalen Konfrontation, in der Bewegung
von Bild zu Bild, von Ansicht zu Ansicht ausgetragen ohne Worte. Das
gemeinsame Credo: Nur ein offener, undogmatischer Streit der Bilder
ermöglicht den Kampf gegen den engen Zusammenhang von Ideologie und
Gewalt, Zensur und Krieg, Klischee und Realität, Lüge und vermeintlicher
Wahrheit. Der entscheidende ästhetische und politische Reibungspunkt
aller "Bilder gegen Krieg" ist die Visualisierung des
"GEGEN".
Die Internet-Kuratorin Tina Schelhorn nennt folgende thematische
Perspektiven:
"Die Bilder...
- überschreiten stilistische Grenzen zwischen Alltags- und Kriegsdarstellung,
- brechen ideologische Perspektiven auf,
- wenden sich gegen die Zensur globaler Kriegsberichterstattung,
- protestieren gegen die Grausamkeit von Krieg und Gewalt,
- zeigen offen und unzensiert seelische und körperliche Wunden,
- spiegeln die kommerzielle Schnelllebigkeit des Medienzeitalters wider,
- prangern die mediale Gier nach ständigen Katastrophen an,
- ironisieren Action- und Kriegsfilm-Muster und Helden-Posen,
- erinnern an zivile Möglichkeiten der Koexistenz,
- appellieren an Chancen des friedlichen und toleranten Zusammenlebens."
Während das Fernsehen die Bildgeschwindigkeit immer weiter erhöht,
fordern die Internet-Fotos Augenblicke der Muße, Reflektion und Kritik
ein. Sie provozieren persönliche Kommentare der Betrachter. Bisher sind
333 visuelle Statements eingegangen, von zum Teil weltweit renommierten
Fotografen, die täglich auch in anderen medialen Kontexten
auftreten. Diese machen auch auf weitere Krisenherde in der Welt
aufmerksam, die von den Medien derzeit nicht beachtet werden.
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