FRANKFURT/MAIN (BLK) - Der israelische Schriftsteller David Grossman erhofft sich für sein Heimatland einen Neubeginn. „Ich wünsche mir, dass mein Land - Israel - die Kraft finden wird, seine Geschichte noch einmal neu zu schreiben“, sagte der 56-Jährige am Sonntag in Frankfurt bei der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Grossman warb in seiner Dankesrede erneut für eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten.
„Beide Seiten, Israel und die Palästinenser, haben Recht auf ein Leben in Frieden, ohne Besatzung, ohne Terror und Hass. Beide Seiten haben ein Recht, als einzelne und als selbstständige Völker in ihrem souveränen Staat in Würde zu leben“, sagte Grossman. Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist mit 25 000 Euro dotiert. Er wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche vergeben. An dem Festakt nahm auch Bundespräsident Christian Wulff teil.
Auch nach 62 Jahren könne Israel seinen Bürgern - trotz aller militärischen Stärke - noch immer nicht das ersehnte Gefühl von Sicherheit vermitteln. „Es ist - und das ist tragisch - Israel nicht gelungen, den jüdischen Menschen von seiner bitteren Grunderfahrung zu heilen: dem Gefühl, auf der Welt heimatlos zu sein“, betonte Grossman. „Wenn es Frieden gäbe, hätte Israel endlich Grenzen. Das ist nicht trivial, schon gar nicht für ein Volk, das die meiste Zeit seines Bestehens verstreut unter anderen Völkern gelebt hat, und die meisten Katastrophen in seiner Geschichte eben aufgrund dieses Umstands erleben musste.“
Israel müsse lernen, „seiner Tragödie auf eine neue Art und Weise zu begegnen und sich aus ihr heraus noch einmal neu zu erschaffen“. Sein sehnlichster Wunsch sei Frieden für sein Land, betonte der Autor, dessen Sohn Uri 2006 im Krieg von einer Rakete der Hisbollah getötet wurde. Bis es jedoch soweit sei, wünsche er sich die Kraft zu haben, sich weiterhin „all dem Entsetzlichen, all dem Unrecht“ auszusetzen, „nicht aufzuhören, mich von ihm verletzen zu lassen“. Den Palästinensern wünschte Grossman zugleich „von ganzem Herzen“, dass sie nach Generationen in Besatzung „schon bald ein Leben der Freiheit und der Souveränität kennenlernen werden“. Grossman hat in seinem im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienenen Roman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ den Tod seines Sohnes thematisiert.
In seiner Laudatio würdigte der ehemalige Stasi-Beauftragte Joachim Gauck Grossman als Vorbild für uns alle. Sein Beispiel lehre: „Menschen sind nicht dazu verurteilt, Opfer ihrer Umstände zu sein. Menschen haben eine Wahl.“ Grossman erhalte den Friedenspreis „dafür, dass er sich unverdrossen weigert, Teil einer Vergeltungsmechanik zu sein“. Deutschland sei besonders in der Pflicht, am inneren und äußeren Frieden Israels mitzuwirken, sagte der frühere DDR- Bürgerrechtler Gauck. Am Ende seiner Laudatio rief er dem Preisträger zu: „Du stehst vor deinem Goliath, dem alltäglichen Hass - nicht einmal mit einer Steinschleuder. Aber du bist David.“
Der Friedenspreis wird vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels vergeben. Die Berufsorganisation der Verlage und Buchhandlungen ehrt damit seit 1950 zum Ende der Buchmesse Persönlichkeiten, die „in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben“, wie es im Statut heißt. Der Vorsteher des Börsenvereins, Gottfried Honnefelder, dankte Grossman für sein schriftstellerisches Werk, „das von Hoffnung spricht, weil es sich weigert, dem Krieg in seinem Land, dem Krieg in aller Welt und dem Krieg in uns das letzte Wort zu überlassen“. (dpa/nw)
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