FUCHS, JÜRGEN: Das Ende einer Feigheit. Gedichte, Texte, Interview. Hörbuch Hamburg 2010, 2 CD(s), 151 min. mit 44 Tracks, 14,95 €.
Von Volker Strebel
Doris Liebermann, die Herausgeberin des vorliegenden Hörbuchs hatte Jürgen Fuchs(1950-1999) noch gut gekannt. Gemeinsam gehörten sie in Jena einem oppositionellen Kreis junger Leute an, die vor allem nach ihrem offenen Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 in das Visier der Staatssicherheit gerückt waren. Verhaftungen, Vernehmungen und schließlich die Ausweisung aus der DDR waren die Folge.
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Eigentlich hätte es bei Jürgen Fuchs eine ganz normale DDR-Biographie werden sollen – Kindheit und Schalmeienkapelle im vogtländischen Reichenbach, FDJ, Wehrdienst bei der NVA, Mitglied der SED. Doch schon als Jugendlicher entwickelte Jürgen Fuchs einen kritischen Blick auf die Dinge. Angeregt von Versen Bertolt Brechts, Wolf Biermanns und Reiner Kunzes verfasste er bereits während seiner Schulzeit Gedichte – und fiel prompt in Ungnade. Er wurde aus der FDJ gefeuert, das Studium wurde ihm zunächst verwehrt. Erst nach dem Armeedienst konnte Jürgen Fuchs in Jena Psychologie studieren, doch zum Studienabschluss kam es nicht – er wurde 1975 zwangsexmatrikuliert.
Längst hatte Jürgen Fuchs Kontakt zu Wolf Biermann und Robert Havemann gefunden, die beide als oppositionelle Kommunisten der ideologische Hauptfeind der SED waren. Als sich die Verhältnisse nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns zuspitzten, schlug die Staatssicherheit zu. Jürgen Fuchs wurde aus dem Auto von Robert Havemann heraus verhaftet.
Die Haftzeit in der DDR bildete für Jürgen Fuchs einen nachhaltigen Einschnitt in seinem Leben. In seiner Monographie über Jürgen Fuchs zeigte Udo Scheer, dass Fuchs „die Ausnahmesituation bewusst nutzte, um möglichst genau zu beobachten, was in diesem höchsttabuisierten Bereich der SED-Diktatur geschieht. Knast wird zur konsequenten Fortsetzung seiner Diktaturrecherche, die mit Kasernenhofdrill und Parteiausschlußverfahren begann“.
Im Ausnahmeraum Stasi-Haft zeigte die DDR ihr wahres Gesicht! Jürgen Fuchs, der immer darauf aus war, die verborgenen Seiten der Verhältnisse aufzuhellen, schrieb Gedichte von einer stillen und zugleich eindrucksvollen Wucht: „Das Schlimme ist nicht / In einer Zelle zu sitzen / Und verhört zu werden // Erst danach / Wenn du wieder vor einem Baum stehst / Oder eine Flasche Bier trinkst / Und dich freuen willst / Richtig freuen / Wie vorher // Erst dann“.
Auch noch nach seiner Abschiebung nach Westberlin war für Jürgen Fuchs und seine Familie die Bedrohung durch Agenten der Staatssicherheit spürbar. Lästige Schikanen wie ungeordert eintreffende und zum Teil kompromittierende Bestellungen waren noch vergleichsweise harmlos. Als es zu einem Brandanschlag kam, lassen Freunde in Westberlin durchblicken, dass hier Begebenheiten überinterpretiert werden. Nach der Wende konnten die „Maßnahmepläne“ der Stasi eingesehen werden - ihr Arm reichte weiter, als die meisten gedacht hätten.
Auch, als Jürgen Fuchs am 09. Mai 1999 48-jährig einem Krebsleiden erlag, deutete vieles darauf hin, dass er das Opfer gezielt eingesetzter Bestrahlungen während seiner Haft geworden war.
Es ist dem Freundschaftsdienst von Doris Liebermann zu verdanken, die vorliegende Doppel-CD zum 60. Geburtstag von Jürgen Fuchs zusammengestellt und herausgegeben zu haben. Basierend auf Aufnahmen, die zunächst im Rundfunk gesendet worden waren, ist es somit auch jüngeren Hörern möglich, die sympathische Stimme von Jürgen Fuchs authentisch zu erleben. Geboten werde Ausschnitte aus seinem Roman „Das Ende einer Feigheit“ als auch Gedichte aus den Bänden „Tagesnotizen“ und „Pappkameraden“.
Zur Einführung präsentiert die Nobelpreisträgerin Herta Müller, die mit Jürgen Fuchs manche Veranstaltung zur Unterstützung von Menschenrechtlern in Mittel- und Osteuropa bestritten hatte, eine feinsinnige Hinführung zur sensiblen Wahrnehmungswelt des Jürgen Fuchs. Vollkommen zurecht stellt sie dabei fest, dass Prosa, Gedichte aber auch Essays und Aufrufe von Jürgen Fuchs ineinander verhakt sind. Alle Sätze scheinen „füreinander geschrieben und stellen eine klare Bedingung. Und die heißt: persönlicher Anstand!“.
Anhand eines Interviews mit Hans-Georg Soldat aus dem Jahr 1981, das zwischen Gedichtlesungen eingeblendet wird, kann sich der Hörer von den Hintergründen und Denkansätzen des Jürgen Fuchs überzeugen.
Wolf Biermann und seine Ehefrau Pamela singen gemeinsam das Lied „Jürgen Fuchs“ und erweisen sich im besten Sinne als Wahrer jener Tradition von Textvertonungen, wie man sie im Zusammenspiel von Bert Brecht und Hanns Eisler kennt. Eine würdige, solidarische Geste zum Ausklang!
Weblink: Hörbuch Hamburg