MÜNCHEN (BLK) – Die Shakespeare-Satire „Fool“ von Christopher Moore ist Anfang 2010 im Goldmann Verlag erschienen. Das Buch wurde von Jörn Ingwersen aus dem Amerikanischen übersetzt.
Klappentext: Pocket ist der Hofnarr des Königs von Britannien, und das ist von vorne herein keine einfache Stellung. Aber wenn es sich dann auch noch um König Lear handelt, kann man nur „Herzliches Beileid“wünschen. Denn Lear ist zwar alt, aber noch lange nicht weise. Nun will er die Loyalität seiner Töchter testen, bevor er sein Land unter ihnen aufteilt. Natürlich glaubt er prompt den falschen Liebesbeteuerungen seiner älteren Töchter. Seine ehrliche, jüngste Tochter Cordelia hingegen enterbt er. Aber zum Glück gibt es ja noch den Narren, der schon immer eine Schwäche für Cordelia hatte. Zusammen mit seinem geistig minderbemittelten Lehrling Drool und dem verstoßenen Earl of Kent will Pocket den König von seinem Fehler überzeugen. Dass er dabei seine Narrenschellen auch einmal etwas im Zaum halten muss, ist für ihn allerdings ungewöhnlich. Aber für die schöne Cordelia würde er schließlich alles tun. Ach ja, und natürlich gibt es noch einen ziemlich unverschämten Raben, einen verführerischen Geist und ein paar sehr eloquente Hexen ...· Eine rabenschwarze Komödie - witzig, turbulent, abgefahren· Für alle Leser von Carl Hiaasen, Terry Pratchett und Douglas Adams.
Christopher Moore, 1957 in Toledo, Ohio geboren, ist ein US-amerikanischer Autor. Bevor er Schriftsteller wurde, arbeitete er als Journalist. Heute schreibt er Romane, die auch international erfolgreich sind. Moore lebt in Kauai, Hawaii und San Francisco, Kalifornien. (wer/kör)
Leseprobe:
©Goldmann Verlag©
„Wichser!“, krächzte der Rabe.
Ohne Raben geht's wohl auch nicht.
„Närrisch, ihm das Sprechen beizubringen, wenn Ihr mich fragt!“, sagte die Wache.
„Ich bin von Berufs wegen närrisch, mein Freund“, sagte ich. Bin ich tatsächlich. Ein närrischer Narr. Der Narr am Hofe Lears von Britannien. „Und Ihr seid wahrlich ein Wichser“, sagte ich.
„Verpiss dich!“, kreischte der Rabe.
Der königliche Leibgardist hieb mit seinem Speer nach dem Raben, woraufhin sich der große schwarze Vogel von der Mauer stürzte und krächzend über die Themse segelte. Ein Fährmann blickte auf von seinem Kahn, sah uns oben auf dem Turm und winkte. Ich hüpfte auf die Mauer und verneigte mich - habt Dank, stets zu Diensten, Euer Arschgeboren! Der Leibgardist knurrte und spuckte dem Raben hinterher.
Es gab schon immer Raben im White Tower. Schon vor tausend Jahren, lange bevor George II., der irre König von Merica, die Welt in Brand steckte, lebten hier Raben. Der Legende nach wird England niemals untergehen, solange es im Tower Raben gibt. Allerdings mochte es ein Fehler gewesen sein, einem davon das Sprechen beizubringen.
„Der Graf von Gloucester naht!“, rief eine Wache auf der Westmauer. „Mit seinem Sohn Edgar und dem Bastard Edmund!“
Der Leibgardist an meiner Seite grinste. „Gloucester, eh? Vergesst nur nicht, dass Ihr das Stückchen bringt, in dem Ihr eine Ziege spielt und Drool den Herzog, der Euch mit seinem Weib verwechselt.“
„Das wäre aber gar nicht nett“, sagte ich. „Der Graf ist frisch verwitwet.“
„Ihr habt es letztes Mal doch auch gebracht, und da lag sie noch handwarm in ihrem Grab.“
„Nun, ja. Eine kleine Gefälligkeit ... nur um den armen Kerl mit einem Schock von seiner Trauer zu befreien.“
„War ein ordentlicher Auftritt. So wie Ihr geblökt habt, dachte ich schon, der gute, alte Drool hätte Euch tatsächlich den Spund poliert.“
Ich nahm mir vor, den Mann von der Mauer zu stoßen, sobald sich die Gelegenheit ergab.
„Hab gehört, er wollte Euch köpfen lassen, konnte den König aber nicht dazu bewegen.“
„Gloucester ist von blauem Blut. Er muss seinen Fall nicht vor den König bringen. Er braucht nur das Begehr und eine Klinge.“
„Unwahrscheinlich“, sagte der Gardist. „Jeder weiß, dass der König seine schützende Hand über Euch hält.“
Das stimmte. Ich genoss gewisse Vorteile.
„Habt Ihr Drool gesehen? Wenn Gloucester kommt, gibt es sicher eine königliche Sondervorstellung.“ Mein Lehrling, Drool - ein breihirniger Bursche von der Größe eines Ackergauls.
„Vorhin war er in der Küche“, sagte der Leibgardist.
In der Küche war der Teufel los. Das Personal bereitete ein Festmahl vor.
„Hast du Drool gesehen?“, fragte ich Taster, den Vorkoster, der am Tisch saß und traurig ein Tranchierbrot anstarrte, mit kaltem Schweinefleisch belegt - des Königs Mahl. Er war ein dürrer, kränklicher Knabe, zweifelsohne auserkoren ob seiner gebrechlichen Konstitution und der Disposition, schon beim leisesten Anflug leiblichen Unwohlseins tot umzufallen. Ich vertraute ihm gelegentlich meine Probleme an in der Gewissheit, dass sie keine großen Kreise ziehen würden.
„Sieht das für dich vergiftet aus?“
„Das ist allerbestes Schweinefleisch, mein Freund. Lass es dir schmecken! Die meisten Männer Englands würden ihren rechten Hoden geben, um sich daran laben zu dürfen, und der Tag ist noch lang. Fast fühle ich mich selbst versucht.“ Ich wackelte mit dem Kopf - schenkte ihm ein Lächeln und ein Klingeln mit den Glöckchen meiner Narrenkappe, um ihn ein wenig aufzuheitern. Ich tat, als wollte ich ein Stück von seinem Fleisch stibitzen. „Wenn du nichts dagegen hast .“
Ein Messer knallte in den Tisch, gleich neben meiner Hand.
„Finger weg, Narr!“, bellte Bubble, die Köchin. „Das ist das Mittagsmahl des Königs. Hüte dich, sonst schneide ich dir die Eier ab!“
„Meine Hoden sind die Euren, Mylady!“, sagte ich. „Hättet Ihr sie gern auf einem Hackbrett, oder soll ich sie Euch lieber in einer Schale mit Sahne kredenzen - wie kleine Pfirsiche?“
Bubble schnaubte, riss ihr Messer aus dem Tisch und machte sich wieder daran, am Schlachtblock eine Forelle auszunehmen. Ihr monströser Hintern schwappte bei jeder Bewegung unter dem Rock hin und her wie Wogen auf hoher See.
„Du bist ein böser kleiner Mann, Pocket“, sagte Squeak, und Sommersprossen sprenkelten über ihr scheues Lächeln. Sie war die Unterköchin, ein stämmiges, rothaariges Mädchen mit hohem Kichern und offenherzigem Wesen im Dunkeln. Oft genug verbrachte ich mit Taster unterhaltsame Nachmittage am Küchentisch, während wir ihr dabei zusahen, wie sie Hühnern den Hals umdrehte.
Pocket - das ist übrigens mein Name. Ich habe ihn von der Äbtissin, die mich auf den Stufen ihres Nonnenklosters fand, als ich noch ein Säugling war. Es stimmt wohl. Ich bin kein großer Mann. Mancher mag mich sogar als zwergenhaft bezeichnen, aber ich bin flink wie ein Wiesel, und Mutter Natur hat mich mit mancherlei Gaben ausgestattet. Aber böse?
„Ich glaube, Drool war auf dem Weg zu den Gemächern der Prinzessin“, sagte Squeak.
„Aye“, sagte Taster bekümmert. „Mylady brauchten etwas gegen ihre Melancholie.“
„Und der Depp ist hingegangen?“ Um auf eigene Kappe Witze zu reißen? Der Junge war noch nicht so weit. Was wäre, wenn er sich blöd anstellte, ins Stolpern kam und die Prinzessin unter sich begrub - wie ein Mühlstein einen Schmetterling? „Seid ihr sicher?“
Bubble warf die ausgenommene Forelle in einen Scheffel glibschiger Mitfische. „Hat gemurmelt: ‚Dann mach ich mich mal auf die Socken.’ Wir haben ihm gleich gesagt, dass du sicher nach ihm suchen würdest, als wir hörten, dass Prinzessin Goneril und der Herzog von Albany kommen.“
„Albany kommt?“
„Hat er nicht geschworen, deine Eingeweide um den Kronleuchter zu drapieren?“, fragte Taster.
„Nein“, verbesserte Squeak. „Das war der Herzog von Cornwall. Albany wollte seinen Kopf auf einem Spieß. Es war doch ein Spieß, oder, Bubble?“
„Aye, sein Kopf auf einem Spieß. Komisch eigentlich ... Wenn ich so darüber nachdenke, sähest du dann aus wie eine größere Ausgabe von deinem Puppenstock.“
„Jones“, sagte Taster und deutete auf Jones, mein Narrenszepter, eine verkleinerte Ausgabe meiner eigenen bestrickenden Erscheinung, befestigt auf einem soliden Stock von poliertem Nussbaumholz. Jones spricht für mich, wenn meine Zunge sicheres Terrain gegenüber Rittern und Edlen überschreiten muss, und sein Kopf wurde prägespießt, im Namen der Rache aller Humorlosen und Langweiler. Meine größte Kunst geht dem Auge des Subjekts leider oft genug verloren.
„Ja, das wäre wirklich zum Schreien, Bubble. Allein die Vorstellung! Als würde dich die süße Squeak am Spieß über dem Feuer wenden, vorn und hinten zur Verzierung ein Apfel. Leider steht nur zu befürchten, dass das Fett sich wohl entzünden und die Burg niederbrennen dürfte, doch bis dahin würden wir uns vor Lachen bestimmt die Bäuche halten!“ Ich duckte mich vor einer wohlgezielten Forelle und schenkte Bubble ein Lächeln, weil sie nicht ihr Messer geworfen hatte. Ein Prachtweib, wenn auch kolossal und gefährlich leicht zu erzürnen.
©Goldmann Verlag©
Literaturverzeichnics:
MOORE, CHRISTOPHER: Fool. Übersetzt aus dem dem Amerikanischen von Jörn Ingwersen. Goldmann Verlag, München 2010. 352 S., 14,95 €.
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