MÜNCHEN (BLK) – Im A1 Verlag ist im März 2011 der Roman „Barroco tropical“ des portugiesischen Autors José Eduardo Agualusa erschienen. Michael Kegler hat ihn ins Deutsche übersetzt.
Klappentext: Dem Schriftsteller Bartolomeu Falcato fällt eine Frau buchstäblich vor die Füße. Allerdings nicht aus heiterem Himmel, sondern aus einem Unwetter heraus, und es ist klar, dass sie nicht freiwillig gestürzt ist. Bei der Toten handelt es sich um Núbia de Matos, Model und angebliche Ex-Geliebte der Präsidentin. Nur fünf Tage zuvor hatte sie Falcato in der Abflughalle des Flughafens angesprochen, ihn bedrängt und pikante Details aus den Hinterzimmern der politischen Eliten erzählt. Doch statt sich um die Aufklärung des mysteriösen Todesfalls kümmern zu können, wird Falcato selbst zum Verfolgten. Ominöse Anrufer warnen ihn, in seineWohnung zurückzukehren. Und auch seine Frau darf nicht wissen, was er zur fraglichen Zeit am fraglichen Ort zu suchen hatte, und vor allem nicht, mit wem Was folgt, ist eine rasante Odyssee durch den Untergrund und die Abgründe der angolanischen Hauptstadt Luanda. 24 Stunden, in denen Falcato selbst in einen Strudel aus skrupelloser Gewalt, Leidenschaft und Eifersucht gerät. Und dann sind da noch die schwarzen Engel, die auf den Dächern der Hochhausruinen tanzen, die seit dem Ölboom überall in Luanda in den Himmel ragen. Hirngespinste? Realität gewordene afrikanische Mythen?
José Eduardo Agualusa wurde 1960 in Huambo/Angola geboren. Er studierte Agrarwissenschaft und Forstwirtschaft in Lissabon. Agualusa veröffentlichte Gedichte, Erzählungen und Romane, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Für seinen Roman „Das Lachen des Geckos“ wurde er 2007 mit dem britischen Independent Foreign Fiction Prize ausgezeichnet. Er lebt als Schriftsteller und Journalist in Portugal, Angola und Brasilien.
Leseprobe:
©A1 Verlag©
1.
Eine Frau fällt vom Himmel.
Ich zählte die Sekunden zwischen Blitz und Donner – eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Multiplizierte sie mit dreihundertvierzig, die Meter, die der Schall pro Sekunde zurücklegt, um auszurechnen, in welcher Entfernung der erste Blitz eingeschlagen hatte: zwei Kilometer und dreihundertachtzig Meter. Ich berechnete den zweiten, den dritten, den vierten Blitz. Das Unwetter stürmte auf uns zu. Noch bevor der fünfte Blitz den Himmel aufriss, wusste ich bereits, wo er einschlagen würde.
Kianda war hundert Meter entfernt von mir und lief weiter voran, immer weiter, wie auf einer Bühne, angetrieben vom Licht. Ihre Schuhe versanken im Morast, rotes Lackleder auf rotem Rot. In der Ferne tanzten die Palmen. Dahinter ragte die unerschütterliche Silhouette eines Baobab auf. Kianda ging aufrecht, mit erhobenem Haupt, ihre schönen Hände mit den langen, schlanken Fingern über der Brust gekreuzt. Das Licht war wie eine goldene Substanz, zäh, fast schon flüssig, an die sich trockene Blätter hefteten, Papierschnipsel, feiner, aufgewirbelter Staub, Material, das der Wind in seinen gewundenen Armen mit sich riss.
Und meine Liebe schritt weiter der schwarzen Wolkenmasse entgegen. Ich musste daran denken, was ein berühmter Musikkritiker, ein alter, exzentrischer Engländer, einmal über sie gesagt hatte, um ihren Erfolg zu erklären: „Als Erstes berührt uns der Gegensatz zwischen der Zerbrechlichkeit ihrer auf eigentümliche Weise schroffen Gestalt und dem ungezähmten Stolz in ihrem Blick. Ihre mächtige und doch sanfte Stimme. Man möchte sie in Schutz nehmen und gleichzeitig schlagen.“ Kianda geriet in den Regen. Ihr leichtes, strahlend rotes Kleid aus Seide klebte an ihrer Haut, wurde dunkler, fast violett. Im tiefen Rückenausschnitt sah man die zwei blauen Flügel, die sie sich in Japan hatte tätowieren lassen. Je länger ich sie kannte, desto mehr faszinierten sie mich. Die Trompe-l’oeil-Technik lässt sie wie echt aussehen. Flügel, die sich bewegen, wenn sie atmet. Ihre wilde, flammende Mähne, die so viele Frauen nachzuahmen versuchen, hatte sich aufgelöst, hatte Fülle und Glanz verloren und hing nun über ihre sich deutlich abzeichnenden Schultern herab.
Ich öffnete die Autotür und stieg aus. Ein alter, dunkelgelber Chrysler, ein Oldtimer. Der nasse Wind schlug mir ins Gesicht. Ich rief ihren Namen, übertönte das Donnern des Unwetters. Kianda drehte sich zu mir um, und in diesem Moment ging ihr Blick in stummem Entsetzen nach oben.
Jetzt, wo ich alles noch einmal durchlese, merke ich, dass es
sich liest wie das Drehbuch zu einem Werbespot. Nun käme
die Parfumflasche ins Bild. Mit einem passenden Namen. „La
tempête“ oder so ähnlich. Aber nein. Ab hier kippt der Film.
Ich folgte Kiandas Blick und sah, wie die Frau vom Himmel gefallen kam – sie stürzte, nackt, schwarz, mit ausgebreiteten Armen –, fast im selben Moment wie der Blitz. Der Blitz schlug in einen Baobab ein und zerfetzte ihn. Ein Meteorologe hat mir vor Jahren einmal erklärt, dass Blitze Bäume sprengen, weil sich das Harz schlagartig erhitzt. Ich rannte zu ihr. Ihr Körper steckte halb im Morast. Ihr Kopf war nach hinten geknickt. Ich konnte die aufgerissenen, tiefschwarzen Augen erkennen. Sie leuchteten noch. Entsetzt wich ich zurück. Ich wollte nicht, dass Kianda das sah.
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„Lass uns gehen!“
„Gehen? Und sie?“
„Sie ist tot, Liebling! Um die musst du dich nicht mehr kümmern. Willst du die Polizei rufen?“
„Nein, nein! Nicht die Polizei. Ich will niemanden rufen. Du weißt genau, dass wir nicht zusammen gesehen werden dürfen.“ Ich nahm sie in den Arm. Kianda zitterte. Ich begleitete sie zum Wagen, setzte sie auf den Beifahrersitz und wir fuhren schweigend nach Luanda zurück. Als wir die Stadt erreichten, begann es gerade, dunkel zu werden. Ich parkte den Wagen zwei Straßen von ihrer Wohnung entfernt und beugte mich zu ihr herüber, um sie zu küssen. Kianda wandte sich ab.
„Nein! Nie wieder.“
Ich stieg aus. Sie rutschte auf meinen Platz, startete den Wagen und verschwand. Ich hielt ein Taxi an. Lange hatte es in Luanda keine richtigen Taxis gegeben, nur Candongueiros, Sammeltaxis im Dienste des Volkes.
Das Volk oder sie, so nennen wir, die Reichen oder fast
Reichen Angolas, diejenigen, die überhaupt nichts haben.
Also die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung.
Der Taxifahrer war ein dicker Kongolese. Sein Gesicht war glatt und glänzte im kupferfarbenen Licht des untergehenden Tages wie ein Spiegel. Er schenkte mir ein riesiges Lächeln.
„Wo soll’s denn hingehen?“
„Keine Ahnung“, gestand ich mit tonloser Stimme. Die Angst ließ mich keinen klaren Gedanken fassen. „Irgendwohin.“
Der Mann lächelte wieder.
„Keine Sorge. Ich bringe Sie hin.“
Eine halbe Stunde später setzte er mich vor einer kleinen Bar ab. Mir fiel die pulsierende Neonschrift über der Tür auf: „O Orgulho Grego“ – Der griechische Stolz. Das Grinsen des Taxifahrers hatte inzwischen die Ausmaße einer ganzen Welt angenommen.
„Gehen Sie hinein und fragen Sie nach Mãe Mocinha. Sie wird Ihnen sagen, wo es hingehen soll. Sie irrt sich nie.“
Die stürzende Frau, fünf Tage davor
Ich sah sie, kaum dass ich die Abflughalle betreten hatte. Auch die Frau hatte mich gesehen und heftete das unbarmherzige Strahlen ihrer großen schwarzen Augen auf mich, so intensiv, dass ich zu Boden sah. Als ich wieder aufblickte, war sie immer noch da, saß nun aufrecht auf einem Stuhl, elegant und erhaben wie eine äthiopische Prinzessin. Sie trug eine Pelzjacke von archaischem Luxus und eine schwarze Schlaghose. Ich setzte mich zwei Reihen hinter sie, um diesem Blick zu entkommen und sie ungestört beobachten zu können.
Wer war sie? Oder besser, was ...? Ich begann mir verschiedene Varianten vorzustellen. Aus gutem Hause wahrscheinlich, aus einer der alten Familien von Luanda oder Benguela. Einer der Großväter könnte Beamter der Kolonialverwaltung gewesen sein. Der Vater dann Bürokrat im Dienste der Regierung, vielleicht auch erfolgreicher Unternehmer, ein zum Bergbau-Unternehmer konvertierter General. Sie könnte in Lissabon studiert haben oder in London oder New York. Oder gar in Lissabon, London und New York. Ihrer Kleidung nach zu urteilen widersprach ihr Geschmack allen aktuellen ökologischen Standards. Vielleicht machte es ihr aber auch nur Spaß zu provozieren, oder sie war reich genug, um über dem Urteil der Masse zu stehen. Immerhin war ich mir sicher, sie noch nie zuvor gesehen zu haben. Ich musste an „Dornröschens Flugzeug“ denken, eine der „Zwölf Geschichten aus der Fremde“ von Gabriel García Márquez. Darin erzählt der Kolumbianer von einer Reise an der Seite der schönsten Frau der Welt, die kein einziges Wort mit ihm spricht. Ich bin oft mit dem Flugzeug unterwegs, fast jeden Monat, und kann mich nicht erinnern, je neben einer schönen Frau gesessen zu haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Fluggesellschaften Anweisung haben, schöne Frauen nicht neben Männer zu setzen, ganz gleich welche, ausgenommen sehr respektable Alte oder Priester vielleicht.
Als der Flug aufgerufen wurde, wartete ich, bis die Frau aufgestanden war, und stellte mich hinter sie in die Schlange. Zu meiner Überraschung drehte sie sich um, deutete mit ihrem rechten Zeigefinger auf mich und fragte:
„Sind Sie Bartolomeu Falcato?“
„Meistens schon“, sagte ich und versuchte krampfhaft, mir etwas Geistreiches auszudenken, einen witzigen Spruch, irgendetwas, womit ich mir Luft verschaffen und meine Sicherheit
wiedererlangen könnte.
„Ich bin allerdings bereit, alles zu sein, was Sie möchten, wann und wo immer es Ihnen beliebt.“
Ich sehe ein, das war nicht besonders originell. Meine Plumpheit schien sie jedoch nicht weiter zu stören.
„Ich heiße Núbia“, sagte sie einen Tick zu laut. „Ich wusste, dass wir uns begegnen würden, in Lissabon, in Luanda, irgendwo auf der Welt. Ich war mir sicher.“
Ich traute mich nicht zu fragen, warum sie so sicher war. Stattdessen wollte ich wissen, was sie machte. Sie lächelte nur. Dann rief jemand ihren Namen, sie ging, und ich sah sie erst im Flugzeug wieder. Sie saß ein gutes Stück vor mir. Der Sitz neben mir war frei. Als Núbia dies bemerkte, kam sie, legte ihre Pelzjacke ab und verstaute sie im Gepäckfach. Sie trug eine einfache weiße Bluse, sehr elegant, unter der große, feste Brüste zu erahnen waren. Dann öffnete sie einen kleinen roten Koffer aus Plastik, holte einen Stapel Zeitschriften heraus und legte ihn mir auf den Schoß.
„Damit Sie mich besser kennenlernen.“
Die Illustrierten hatten Namen wie „Cacau“, „Mulher Africana“, „Tropical“, „Caras e Cores“. Auf allen Titelblättern war Núbia. Einmal als Braut, die eine lange gewendelte Treppe hinabschreitet, auf dem zweiten posierte sie im Bikini auf einem Strandlaken, im Hintergrund schimmerte zwischen den Felsen ein smaragdgrünes Meer. Auf dem dritten trug sie nichts als knappe Jeans-Shorts und lachte ein jugendliches Lachen, während ihre Hände versuchten, die Brüste zu verbergen.
„Ach so“, seufzte ich erstaunt. „Sie sind Fotomodell ...“
„Ich war vor zehn Jahren einmal Miss Angola. Danach habe ich eine Karriere als Model begonnen. Ich hatte auch mal eine Fernsehsendung.“
„ Jetzt nicht mehr?“
„Nein, man hat mich zum Schweigen gebracht! Sie wollen nicht, dass ich rede!“
Sie nahm mir die Zeitschriften aus der Hand und gab mir stattdessen ein dickes Fotoalbum. Sie selbst schlug es auf. Die ersten Bilder zeigten eine Misswahl. Núbia tauchte erst etliche Bilder weiter hinten auf, immer mit demselben Lächeln, neben der Präsidentin und ihrem Ehemann. An der Seite eines berühmten Fußballspielers. An der Seite einer Schauspielerin. Im Arm eines erfolgreichen amerikanischen Unternehmers. Im Arm von zwei erfolgreichen angolanischen Unternehmern. Auf dem Schoß eines bekannten Waffenschiebers. Auf der riesigen Yacht der Präsidentin. Ich deutete auf ein Foto, auf dem sie zu Pferd zu sehen war. Im Hintergrund, ebenfalls zu Pferd, ein eleganter Mann mit Oberlippen- und Kinnbart. Das Gesicht kam mir bekannt vor.
„Wer ist das?“
„Das ist der Geliebte der Frau Präsidentin!“
„Wie bitte?“
Sie überging mein Staunen und zeigte mir weitere Fotos. Mit wachsender Begeisterung. Redete, fast ohne Luft zu holen, wie ein Wasserfall, und nach und nach änderte sich auch ihr Tonfall. Hinter der weichen, klagenden Aussprache der alten Bourgeoisie von Luanda kam nun eine andere, breitere, vollere, derbere Färbung zum Vorschein. Als versuchte eine zweite Frau, aus dem Volk, aus ihr – der falschen – herauszuschlüpfen, nicht wie ein Schmetterling aus einer Puppe, sondern eher wie eine Raupe aus einem Schmetterling. Ich fragte sie nach ihrem Familiennamen. Sie lächelte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte, worauf ich hinauswollte.
„Meine Familie war arm. Ich konnte nicht einmal Portugiesisch, jedenfalls nur sehr schlecht. Die hier hat es mir beigebracht.“
Dabei deutete sie auf die Präsidentin auf einem der Fotos. Und lachte kurz auf.
„Das ist eine ganz Ordinäre. Sie schaute immer zu, wenn ihr Ehemann es mit mir trieb. Weißt du, wozu sie mich zwangen? Nein, das kannst du nicht wissen. Keiner kann es wissen. Mich und die anderen Mädchen. Zu Orgien mit wichtigen Leuten. Drogen ...“
„Das glaube ich nicht!“
„Doch, ich habe jede Menge Drogen genommen. Liamba, Heroin, Koks. Heute nehme ich keine Drogen mehr. Gott erlaubt es mir nicht ...“
„Gott?“
„ Ja, Gott.“ Sie senkte die Stimme und kam mit ihren süßen Lippen ganz nah an mein Ohr. „Weißt du, dass Gott gesehen wurde, wie er über die Strandpromenade spazierte? Gott redet mit mir. Einmal hat er mir eins deiner Bücher gezeigt. Am nächsten Tag bin ich in eine Buchhandlung gegangen und habe es gekauft.“
„Und hast du es gelesen?“
„Gelesen schon, aber nicht verstanden. Ich habe es gelesen, weil Gott mir gesagt hat: ‚Kind, mach dich bereit. Du bist Núbia, die Hure, und du bist Maria, die Reine. Gebenedeit sei die Frucht deines Leibes.‘ Das sagte er zu mir, denn ich werde schwanger werden und den neuen Heiland zur Welt bringen ...“
Ich war perplex und erschrocken.
„Und wer wird der Vater sein?“
Núbia schaute mich verblüfft an.
„Der Vater? Du natürlich. Das hat mir Gott offenbart. Du wirst mein Josef sein.“
„Und wie soll unser Kind heißen?“
„Emanuel selbstverständlich.“
Nachdem das geklärt war, erzählte sie mir, dass sie früher ein Junge gewesen sei. Inzwischen waren die Lichter im Flugzeug ausgegangen. Es war schon nach Mitternacht. Draußen leuchteten friedlich die Sterne.
„Als ich ein Junge war, trieb ich es mit der Präsidentin ...“
Ich hörte schon nicht mehr zu. Der Kopf tat mir weh. Der Schlaf löschte allmählich mein Bewusstsein aus wie ein Blackout eine Stadt, damals, in Zeiten des Krieges; erst ein Stadtviertel, dann das nächste, riesige Gebiete, die im Dunkel verschwanden. Zugleich tauchten, aus welchem verborgenen Ozean auch immer, unzusammenhängende Bilder auf aus dem tiefsten Inneren meines Gehirns: ich, wie ich Laurentina küsse, meine Mutter beim Tanzen in einem rosafarbenen Kleid, ein toter Hund auf dem Bürgersteig mit durchschnittener Kehle. Ich kämpfte verzweifelt dagegen an, unterzugehen. Schließlich schlief ich ein, muss eingeschlafen sein, denn ich weiß, dass ich nackt über einen Strand lief, neben mir Núbia, als ich plötzlich die Augen wieder aufriss und sah, wie sie sich über mich beugte. Sie hatte ihre Bluse aufgeknöpft und den Büstenhalter gelöst. Dort, mitten in der rasenden Nacht, in elftausend Metern Höhe, erschien sie mir wie eine unantastbare Gottheit. Eine moderne (reichlich moderne, das gebe ich zu) Variante der Mutter Gottes. Noch völlig benommen wachte ich auf.
„Was machst du da?“
„Ich ziehe meine Bluse aus. Wir werden uns lieben.“
„Hier?“
„ Ja, warte, ich ziehe nur kurz meine Hose aus.“
„Wirst du nicht. Und du wirst die Bluse wieder zuknöpfen!“
„Gefalle ich dir nicht?“
„Du gefällst mir, ja doch, aber ich glaube auch, dass du ein Problem hast. Du solltest zu einem Psychologen gehen.“
„Ich spreche lieber mit Gott. Was kann ein Psychologe mir schon mehr sagen als Gott?“
Das Argument war entwaffnend, und Núbia nahm mein Schweigen als Zustimmung. Spöttisch fügte sie hinzu: „Oder willst du, dass ich mit Bárbara Dulce rede? Sie ist doch Psychologin?“
„Bárbara? Bárbara ist Psychoanalytikerin. Wissenschaftlerin. Sie hat sich spezialisiert auf Schlafstörungen. Und Träume. Woher kennst du überhaupt meine Frau?“
„Ich weiß alles über dich ...“
Nicht alles, zum Glück. Nicht einmal meine Telefonnummer kannte sie. Ich gab ihr eine falsche Nummer, schrieb mir aber ihre auf. Wir verabschiedeten uns mit einem flüchtigen Kuss in der Schlange vor der Grenzkontrolle. Ich versprach, mich zu melden, sagte ihr noch einmal, dass sie Ruhe brauche, und sah zu, dass ich verschwand. Bárbara Dulce wartete draußen auf mich, und ich hatte keine Lust auf einen Skandal.
©A1 Verlag©
Literaturangabe:
AGUALUSA, JOSÉ EDUARDO: Barroco tropical. Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler. A1 Verlag, München 2011. 336 S. 22,80 €.
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