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450 Jahre Bayerische Staatsbibliothek: Servicebetrieb mit Flirtfaktor

Die zwei größten Schätze sind der Codex Aureus von St. Emmeram in Regensburg und das Evangeliar Ottos III.

© Die Berliner Literaturkritik, 03.03.08

 

Von Inga Radel

MÜNCHEN (BLK) – Ohne jeden Skrupel laufen täglich rund 3000 Besucher den breiten Marmortreppenaufgang hinauf in die Bayerische Staatsbibliothek (BSB). Dabei wäre dies noch vor rund 150 Jahren eine Majestätsbeleidigung gewesen. Die Nutzung dieser Stufen war allein dem bayerischen König Ludwig I. vorbehalten, dem Bauherrn des 1832 errichteten imposanten Gebäudes an der Münchner Ludwigstraße. Das gemeine Lesevolk dagegen durfte die „Hof- und Staatsbibliothek“ – wie sie damals noch hieß – nur durch Seiteneingänge betreten. An diesem Donnerstag (6. März 2008) feiert die „Stabi“, wie sie bei den Studenten heißt, mit einem Staatsempfang ihr 450-jähriges Bestehen.

Am 20. August 1558 gründete Herzog Albrecht V. die Wittelsbacher Hofbibliothek, die erst seit 1919 Bayerische Staatsbibliothek heißt. Das Jubiläumsjahr 2008 würdigt die Bibliothek mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm – darunter auch mehrere Ausstellungen. Die zentrale Jubiläumsschau „Kulturkosmos der Renaissance. Die Gründung der Bayerischen Staatsbibliothek“ wird an diesem Donnerstag (6. März 2008) eröffnet und ist bis zum 1. Juni zu sehen. Erstmals wird der Gründungsbestand einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert.

Die zwei größten Schätze, die in den Tresoren der Staatsbibliothek liegen, sind der Codex Aureus von St. Emmeram in Regensburg und das Evangeliar Ottos III. „Beide gehören zu den wertvollsten Handschriften der Welt und sind hohe zweistellige Millionenbeträge wert“, sagt Bibliothekssprecher Peter Schnitzlein. Spektakulärster Neuerwerb waren zuletzt die fünf Bände der rund 500 Jahre alten Ottheinrich-Bibel. Damit besitzt die Bibliothek alle acht Bände der wertvollen Bibel, die als früheste erhaltene illuminierte Handschrift des neuen Testaments in deutscher Übersetzung gilt.

450 Jahre nach der Bibliotheks-Gründung gilt der Blick vor allem der Zukunft: Selbst entwickelte Scan-Roboter – die schnellsten der Welt – digitalisieren seit 2007 vom Verfall bedrohte Buchbestände. Ebenfalls im vergangenen Jahr ging die BSB als erste deutsche Bibliothek die von vielen kritisch beäugte Kooperation mit dem Internet-Suchdienst Google ein. Die US-Firma digitalisiert mehr als eine Million urheberechtsfreie Werke des Bestandes, der knapp 9,5 Millionen Bände und 90.000 Handschriften umfasst. Bei „Google Buchsuche“ im Netz sollen die Werke dann abgerufen werden können. „Wir sind ein moderner serviceorientierter Dienstleister“, sagt Schnitzlein.

Nach der Berliner Staatsbibliothek ist die BSB die zweitgrößte Universalbibliothek im deutschsprachigen Raum und eine der führenden Forschungsbibliotheken in Europa. Mit dem jährlichen Anschaffungsetat von derzeit zwischen 10 und 11 Millionen Euro ist sie Schnitzlein zufolge hierzulande führend. Jährlich kommen rund 140.000 Neuerwerbe hinzu, in fast allen Sprachen dieser Welt, selbst auf Birmesisch. Rund 100.000 Werke werden von den Bibliothekaren ausgesucht; die restlichen rund 40.000 sind Pflichtexemplare sämtlicher Bücher, die in Bayern erscheinen. „Darunter sind leider auch Schmuddelheftchen, auch die müssen wir aufbewahren“, klagt Schnitzlein.

Neben einigen unliebsamen Büchern ist die Staatsbibliothek laut Schnitzlein auch „gar nicht glücklich“ über ihren Ruf als Flirtmeile. Die „Stabi“ ist bekannt dafür, dass sich in ihrem großen, stets bis Mitternacht geöffneten Lesesaal die schicksten Münchner Studenten und Studentinnen tummeln, vornehmlich aus den Fachbereichen Jura und BWL. Da sie ohnehin mit täglich 3000 Besuchern schon aus allen Nähten platze, brauche man nicht noch welche, die nur zum Flirten kämen, meint Schnitzlein. „Aber was sollen wir dagegen tun? Wir können ja nicht am Eingang nachfragen, ob sie auch wirklich zum Lernen kommen.“

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