Werbung

Werbung

Werbung

50 Jahre „Blechtrommel“

Günter Grass liest am 2. Juli aus seinem bekanntesten Roman

© Die Berliner Literaturkritik, 29.06.09

BERLIN (BLK) — Günter Grass liest und diskutiert zum Jubiläum „50 Jahre Blechtrommel“, das am 2. Juli im Literarischen Colloquium am Berliner Wannsee gefeiert wird. Der Literaturnobelpreisträger wird aus seinem Roman lesen, der den bis dahin unbekannten Kaschuben aus Danzig 1959 in die erste Reihe der Weltliteratur katapultierte. Auf der Jubiläumsfeier diskutiert Grass mit seinem langjährigen Lektor Helmut Frielinghaus und mit den literarischen Übersetzern Breon Mitchell, Per Öhrgaard und Oili Suominen, die die „Blechtrommel“ ins Englische, Dänische und Finnische neu übertragen haben.

„Zugegeben: ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugigen, nicht durchschauen kann.“ Dieser doppelbödige Satz des kleinwüchsigen Romanhelden Oskar Matzerath sei „die Unabhängigkeitserklärung der deutschen Nachkriegsliteratur“ gewesen, heißt es in der Ankündigung zu der Veranstaltung im Literarischen Colloquium. „Der Verrückte stellt dem Leser die Frage, wieso er verrückt ist und nicht die Welt, in der er lebt.“

Für diesen Maßstab in der deutschen Gegenwartsliteratur sei Grass schließlich 1999 auch der Literaturnobelpreis verliehen worden. Akademie-Sekretär Horace Engdahl meinte in seiner Laudatio, Grass, dessen frühere Zugehörigkeit zur Waffen-SS allerdings erst 2006 bekannt wurde, habe mit seiner literarischen Arbeit den „bösen Bann gebrochen, der über Deutschlands Vergangenheit lastete“. Der Roman „Die Blechtrommel“ habe „die Wiedergeburt des deutschen Romans im 20. Jahrhundert“ bedeutet, meinte Engdahl.

Als die „Blechtrommel“ im Herbst 1959 auf der Frankfurter Buchmesse erschien, wurde der später von Volker Schlöndorff auch verfilmte Entwicklungsroman von manchen Kritikern (allerdings nicht von Marcel Reich-Ranicki, was er später als Irrtum einräumte) als „Geniestreich“ gefeiert: „Ein Glückstreffer! Eine hinreißende Zeitsatire, neben der die bisherigen Wunderkinderromane in Deutschland wie Schablonenprodukte unterernährter Normalverbraucher erscheinen.“

Der Lyriker und Bildhauer Grass hatte das Anfangskapitel aus der „Blechtrommel“ bereits ein Jahr zuvor auf einer Tagung der Autoren-„Gruppe 47“ im Gasthof „Adler“ in Großholzleute im Allgäu vorgelesen. „Er sah verwegen aus, etwas heruntergekommen, wie mir schien, desperat wie ein bettelnder Zigeuner“, erinnerte sich später der „Vater“ der Gruppe 47, Hans Werner Richter, an diesen legendären Auftritt des späteren Literaturnobelpreisträgers. Es war ein Auftritt mit Folgen. Der damals neuartige, vitale, saftig-bildhafte Erzählstil riss die Zuhörer sofort mit — es war wohl eine der eindrucksvollsten Lesungen in der Geschichte der „Gruppe 47“.

Der noch junge Grass konnte mit 5.000 Mark (heute etwa 2.500 Euro) Preisgeld nach Paris zurückreisen, wo er damals lebte, und seinen Roman fertig stellen. Nach dem sensationellen Erfolg der „Blechtrommel“ rissen sich die deutschen Verlage um die meist noch jungen Autoren der „Gruppe 47“ wie Martin Walser, Uwe Johnson, Heinrich Böll, Ingeborg Bachmann, Ilse Aichinger und Hans Magnus Enzensberger. (dpa/mül/köh)


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: