Von Anne-Beatrice Clasmann
KAIRO / ISTANBUL (BLK) – Das Goethe-Institut hat in Ägypten einen einjährigen Veranstaltungsmarathon begonnen, mit dem sein 50jähriges Bestehen in dem arabischen Land gefeiert werden soll. Den Auftakt bildete am vergangenen Wochenende die Eröffnung der Ausstellung „Der geschundene Mensch“ von Günther Uecker, die unter anderem auch schon in Japan zu Gast war. Krönender Abschluss des Jubiläumsjahres soll im Oktober kommenden Jahres in Kairo das erste Gastspiel von Pina Bausch und dem Tanztheater Wuppertal auf dem afrikanischen Kontinent sein.
Als 1958 in Kairo in einer von Bäumen gesäumten Straße in der Nähe des zentralen Tahrir-Platzes die ersten Deutschkurse und kulturellen Veranstaltungen begannen, regierte Präsident Gamal Abdelnasser das Land, dessen Ziel die politische Einheit aller Araber war. Wer politische Meinungen vertrat, die von seiner Linie abwichen, kam damals schnell in Teufels Küche, oder doch zumindest ins Gefängnis. Zwar ist die Meinungsfreiheit in Ägypten auch heute noch nicht grenzenlos, doch die Tabus von heute sind weniger politischer, sondern eher religiöser Natur, weshalb sich auch die Arbeit des Goethe-Institutes stark gewandelt hat.
Doch genau in diesem Grenzbereich ist die Arbeit der derzeit rund Mitarbeiter der beiden Goethe-Institute in Kairo und Alexandria spannend: Wenn sich Ägypter bei Goethe-Veranstaltungen darüber streiten, ob die osmanischen Herrscher islamische Brüder oder ausbeuterische Kolonialherren waren oder wenn ein Raunen durch die Reihen geht, weil ein deutsches Ballettensemble in hauchzarten Kostümen auftritt. Tendenziell sind die Tabus der Menschen in Kairo und Alexandria in den vergangenen Jahren nach Einschätzung deutscher Kulturschaffender eher größer geworden. Ihre Aufgeschlossenheit gegenüber fremden Kunstformen ist dafür gewachsen.
„Wir stellen uns in der arabischen Welt heute sicher stärker als früher der Fragestellung, welche Bedeutung die Religion für diese Gesellschaften hat“, erklärt Johannes Ebert, der die Arbeit des Kairoer Institutes in den Jahren 2002 bis 2007 entscheidend geprägt hat, und heute das Goethe-Institut in Moskau leitet.
Denn seitdem der islamistische Terror die Menschen in Deutschland aufgeschreckt hat, haben sich die Versuche multipliziert, näher an die Menschen in der arabischen Welt heranzukommen, ihre Wünsche und Haltungen zu verstehen. „Der Dialog-Ansatz ist in den letzten Jahren intensiviert worden“, sagt Ebert und nennt als Beispiel das Stadtschreiber-Projekt, das begleitend zum Gastauftritt der arabischen Staaten zum ersten Mal von den Goethe-Instituten in Kairo und anderen arabischen Städten initiiert worden war und das inzwischen Schule gemacht hat. In diesem Jahr ließen deutsche Autoren in der Türkei und Autoren aus dem Buchmesse-Gastland Türkei, die nach Deutschland eingeladen wurden, ihre Leser an ihren Erfahrungen teilhaben.
Schule gemacht hat auch die Idee, deutsche und ägyptische Künstler gemeinsam auftreten zu lassen, um dadurch auch Menschen für deutsche Kultur zu interessieren, die eigentlich nur wegen des bekannten Ägypters zu der Veranstaltung gehen. Noch heute spricht man in Assiut von dem legendären Konzert mit 15.000 Zuschauern, das der Nubier Mohammed Munir und der österreichische Mundartsänger Hubert von Goisern 2002 in der oberägyptischen Provinzstadt gaben.
Die Absicht, neue Zielgruppen zu erschließen, steckt auch hinter dem Trend, in Kairo stärker als bisher aus den Räumen des Instituts heraus und auf die Menschen zuzugehen. So gehören beispielsweise zum Jubiläumsprogramm Lesungen in Kairoer Cafés. „Im vergangenen Jahr waren wir sogar in Manschiet Nasser (einem der größten Elendsviertel von Kairo) und haben dort vor großem Publikum einen Film gezeigt, der an eine Felswand projiziert wurde“, erklärt der Sprecher des Kairoer Institutes, Scherif Abdel-Samad. In der Siedlung wurden im vergangenen September mehr als 100 Menschen von Gesteinsbrocken erschlagen, die von einer anderen Felswand abgebrochen waren.
Ihren Standort in einer alten Villa hinter dem Tahrir-Platz wird die Kulturabteilung des Kairoer Goethe-Institutes in spätestens drei Jahren aufgeben. Dann bezieht sie ein neues Gebäude im Stadtteil Dokki, wo in der alten DDR-Botschaft heute schon die Sprachabteilung untergebracht ist.