Von Nora Lassahn
Der Sünde sollte man keinen Kaffee kochen. Denn sie wird sich damit nicht zufrieden geben, wird Zucker und Sahne wollen und am Ende sogar Whiskey! Das ist eine der großen Gefahren, vor der der isländische Prediger Thórður gar nicht oft genug warnen kann.
Hätte der kroatische Auftragskiller Toxic mal etwas früher auf diesen Rat gehört. Der frühere Soldat arbeitet für die kroatische Mafia in New York und muss plötzlich mit falscher Identität fliehen, als er versehentlich einen FBI-Agenten erschießt. Eigentlich soll es erstmal zurück in die Heimat gehen, aber kurz vor seinem Gate sieht er schon zwei Agenten, die nur darauf warten, ihn dort festzunehmen. Doch Toxic lässt sich nicht so schnell erwischen; kurzerhand flieht er auf die Flughafentoilette, begeht dort seinen professionellen Mord Nummer 67, klaut dem Ermordeten schnell Pass, Flugticket und Priesterkragen und setzt sich in den Flieger nach Island. Doch dort gehen die Verwechselungen erst richtig los: Am Flughafen in Reykjavik warten nämlich schon Guðmundur und Sigríður, die in ihrem fundamental-christlichen Fernsehsender schon seit Jahren das jüngste Gericht prophezeien. Und die freuen sich schon riesig auf gemeinsame Sendungen mit ihrem amerikanischen Kollegen.
Allein die Handlung ist schon skurril, aber dazu kommen noch schrullige Charaktere und eine Bildsprache, die nicht nur ungewöhnlich, sondern vor allem ungewöhnlich treffend ist. Die Attraktivität von Frauen, beispielsweise, wird daran bemessen, nach wie viel Tagen Toxic anfangen würde, von ihr zu träumen, wenn sie die einzige Frau in seiner militärischen Einheit wäre und sie einen Monat lang in den Bergen festsäßen. Sigríður wird so zur Tag-12-Frau; ihre Tochter Gunnhildur schafft es sogar zu einem Morgen-von-Tag-1-Mädchen. Der rebellischen Gunnhildur geht das christliche Getue ihrer Eltern auf die Nerven, sie ist von zu Hause ausgezogen und hat bei ihrer Arbeit als Kellnerin bestimmt schon den ein oder anderen Kaffee mit der Sünde getrunken. Daher ist ihr der angebliche Priesterkollege ihrer Eltern auch von Anfang an unsympathisch, da hilft es auch nichts, dass er mit dem Segen Gottes (und einem Küchenmesser) ihre Tür öffnet, als sie sich ausschließt. Doch das ist nicht das einzige Problem, mit dem Toxic sich rumschlagen muss. Schließlich ist ihm nicht nur das FBI und die Mafia, sondern auch seine Vergangenheit auf den Fersen…
Manchmal wirken die Witze und die obszöne Sprache ein bisschen oberflächlich. Dann wieder berührt Helgason durch eindrückliche Kriegserlebnisse, die nicht nur die Sprache, sondern auch Toxics angebliche Abgebrühtheit begründen. Und am Ende – dank harter isländischer Arbeit, einer weiteren falschen Identität, der Liebe und Gottes Segen – taut Toxic auf (und das trotz isländischer Außentemperaturen wie in einem Kühlschrank). Nach und nach erfahren wir mehr über den Killer und die Leute, die ihn umgeben. Das macht es nicht nur spannend, sondern verwandelt auch die Charaktere von Stereotypen in Persönlichkeiten. Alles in allem ist „Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen“ ein kurioser Lesespaß – und das nicht nur für frühpensionierte Mafiosi.
Literaturangabe:
HELGASON, HALLGRÍMUR: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen. Tropen Verlag, Stuttgart 2010. 271 S., 19,90 €.
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