BERLIN (BLK) - Angesichts der Plagiatsvorwürfe an die junge Bestseller-Autorin Helene Hegemann (17) hat der Ullstein Verlag nachträglich die Abdruckrechte für bisher nicht genannte Quellen eingeholt. Ullstein-Geschäftsführerin Siv Bublitz entschuldigte sich am Donnerstag (11.2) in einer Erklärung für die umstrittenen Übernahmen in dem Debütroman „Axolotl Roadkill“.
Nach Angaben des bestohlenen Bloggers Airen handelt es sich um mehr Stellen als bisher angenommen. Im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Online-Ausgabe) sagte er gleichwohl, wenn die Passagen künftig gekennzeichnet würden, sei für ihn das Thema „vom Tisch“. Die Zeitung dokumentierte auf ihrer Internetseite zahlreiche Parallelstellen von „Axolotl“ und Airens Roman „Strobo“, in denen es vor allem um Sex und Drogenszenen geht.
Hegemann wurde trotz der Vorwürfe für den renommierten Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa wies die Nachwuchs- Autorin die Vorwürfe an ihrer Arbeitsweise zurück. „Da wird eine jahrhundertealte Debatte auf meinem Rücken ausgetragen. Wenn wir so anfangen, können wir den ganzen Literaturbetrieb gleich dichtmachen“, sagte sie.
Hegemann hatte eingeräumt, für ihr Buch Passagen aus Airens Blog und Roman übernommen zu haben. Der Berliner Ullstein Verlag dankte am Donnerstag (11.2) „allen Rechteinhabern“ für die nachträglichen Abdruckgenehmigungen. Ein entsprechendes Quellenverzeichnis werde der nächsten Auflage beigefügt, hieß es. Um wieviel Text es geht, wurde nicht mitgeteilt.
“Die Quellen nicht schon in der ersten Auflage des Buches zu nennen, war ein Versäumnis, das Verlag und Autorin bedauern“, schrieb Bublitz. „Deshalb den gesamten Roman unter den Generalverdacht des Plagiats zu stellen und seinen literarischen Wert zu bestreiten, halte ich jedoch für völlig inakzeptabel. „Dass die Autorin jung sei, gebe niemandem das Recht, ihr die Selbstbestimmtheit als Schriftstellerin abzusprechen.
Die Nominierung für den Leipziger Buchpreis war nach Angaben von Jury-Chefin Verena Auffermann intern bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Vorwürfe noch nicht bekannt waren. Das Gremium bleibe jedoch bei dieser Entscheidung, sagte Auffermann der dpa. Der Ullstein Verlag habe bestätigt, dass die Urheberrechtsfragen geklärt würden.
Der Preis für herausragende deutschsprachige Neuerscheinungen und Übersetzungen wird auf der kommenden Leipziger Buchmesse (18. bis 21. März) zum sechsten Mal vergeben. In der Kategorie Belletristik geht Hegemann gemeinsam mit den Autoren Jan Faktor, Georg Klein, Lutz Seiler und Anne Weber ins Rennen.
Im dpa-Gespräch verteidigte Hegemann die Übernahme von Textteilen eines anderen Autors. „Ich habe das nicht einfach munter abgeschrieben“, sagte sie. „Es geht hier nicht um Plagiarismus, sondern um Intertextualität - ein Arbeitsverfahren, das sehr viele Künstler benutzen.“ Zudem handele es sich nur um einige wenige Stellen in ihrem Buch.
Airen, ein knapp 30-jähriger früherer Unternehmensberater, der seinen Namen nicht nennen will, zeigte sich versöhnlich: „Helene Hegemann hat mir nichts getan, sie hat mich nicht angegriffen. Mir fehlt nichts, die Geschichte ist immer noch meine“, sagte er.
Bei Autoren stieß Hegemanns Arbeitsweise auf unterschiedliche Reaktionen. „Diebstahl ist Diebstahl, da bin ich sehr konservativ“, sagte der Schriftsteller Helmut Krausser dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Freitagausgabe). Ulla Hahn („Das verborgene Wort“) kommentierte: „Der eigentliche Skandal liegt in der Verkommenheit von Teilen des Literaturbetriebs, dem ein Sensatiönchen mehr bedeutet als ein sorgfältig gearbeitetes Buch.“ (dpa/kör)