Von Christian Ebner
FRANKFURT/MAIN (BLK) - In Eschborn bei Frankfurt hat man den Widerstand gegen das „Wort des Jahres“ immer noch nicht ganz aufgegeben: Die „Abwrackprämie“ heißt in den entsprechenden Richtlinien „Umweltprämie“ – „und so nennen wir sie auch“, sagt einer der Mitarbeiter des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Die bis dahin eher unbekannte Bundesbehörde vor den Toren Frankfurts hat eine steile mediale Karriere hinter sich, seit sie im Januar für die Auszahlung einer Subvention zuständig wurde, die wie keine andere die Auto-Nation Deutschland bewegt hat.
2500 Euro Zuschuss für ein neues Auto, wenn man dafür einen mindestens neun Jahre alten Wagen zur Schrottpresse bringt – dieses Sonderangebot der großen Koalition aus CDU und SPD mochten viele Autofahrer nicht an sich vorübergehen lassen. Schnell musste der noch vom damaligen Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) geöffnete Topf auf fünf Milliarden Euro vergrößert werden. Schon Anfang September war das Geld weg und zwei Millionen Autokäufer, die Händler, die Industrie und die Koalitionspolitiker glücklich. Zahlreiche Industrienationen ahmten das deutsche Konjunkturprogramm nach.
„Das Wort ‚Abwrackprämie’ hat die Sache viel besser getroffen“, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Die Leute haben schnell erkannt, dass die ‚Umweltprämie’ eine Mogelpackung war.“ Der Umwelteffekt sei bis heute fraglich, sagt der Professor. Schließlich hätten viele der Altwagen noch beachtliche Fahrleistungen vollbringen können. Zudem seien die Umweltanforderungen nicht sonderlich scharf gewesen, um den Herstellern den Abverkauf ihrer beträchtlichen Halden zu ermöglichen. Die neuen Autos seien zudem oftmals schwerer und stärker motorisiert gewesen, so dass der technische Fortschritt bei Verbrauch und Emission wieder zunichtegemacht worden sei.
Ins gleiche Horn stößt der alternative Verkehrsclub Deutschland (VCD): „Die ‚Abwrackprämie’ war von vornherein an keinerlei Umweltkriterien geknüpft - der Staat subventionierte auch den Kauf von Spritschluckern“, sagt am Freitag (18.12.) der verkehrspolitische VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen.
Wer hat das Wort erfunden? Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Der VCD erinnert an eine 1989 eingeführte EU-Prämie für ausgediente Binnenschiffe. Das Mannheimer Institut für deutsche Sprache nennt etliche Belege aus den 90er Jahren, zum Teil auch im Zusammenhang mit Autokonjunkturprogrammen in anderen Ländern.
In den Texten der Deutschen Presse-Agentur dpa zum Beispiel findet sich das Wort in der aktuellen Diskussion naturgemäß zuerst bei Kritikern wie dem designierten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), der bereits im Oktober 2008 gegen die Subvention wetterte. Der Volksmund setzte sich durch: Im Internet hat der für den Duden-Verlag tätige Sprachforscher Jochen Bär für die populäre „Abwrackprämie“ fünfmal mehr Einträge gefunden als für das politisch erwünschte Wort „Umweltprämie“.
„Wir erfinden keine Wörter, sondern nur Maßnahmen, die weiter helfen“, sagt Jörg Köther, Sprecher des IG-Metall-Vorstands in Frankfurt. In seltener Einigkeit hatten die Gewerkschaft, die Betriebsräte der großen Autohersteller und der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) die Idee der „Abwrackprämie“ zunächst der SPD und dann auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahe gebracht. Für die Umwelt hätte man sicherlich mehr machen können, räumt der Metaller ein, weist aber gleichzeitig auf den wirtschaftlichen Effekt hin: Die „Abwrackprämie“ habe hunderttausende Jobs gesichert.