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Aktuelle Buchveröffentlichungen

Neues von Lousie Jacobs, Knut Hamsun, Andrej Sinjawskij und Tina Uebel

© Die Berliner Literaturkritik, 07.08.09

Aufstieg und Fall eines Malers: „Gesellschaftsspiele“

Mit ihrem Erstling „Café Heimat“ hat die Autorin Louise Jacobs, die aus der gleichnamigen Kaffee-Dynastie stammt, einen Bestseller gelandet. In ihrem zweiten Werk „Gesellschaftsspiele“ steht der Maler Leo Becker im Mittelpunkt: Er wähnt sich im Olymp der Kunstszene angekommen, nachdem das Metropolitan Museum New York seine Werke ausstellen will. Wohl fühlt er sich aber in der Berliner Kunstwelt, die ihn nicht loslässt — ebenso wenig wie seine ehrgeizige Frau Rahel, die aus ihrem Mann eine Marke machen will, ohne auf den künstlerischen Anspruch ihres Gatten Rücksicht zu nehmen. Verstanden fühlt sich Leo von seiner ehemaligen Geliebten Ebba. Aber so wenig er sich entscheiden kann, ob ihm Ruhm und Reichtum oder seine künstlerische Authentizität wichtiger sind, so zögerlich ist er in Bezug auf seine beiden Frauen. Leo gerät immer mehr unter Druck, er wird zum Spielball von Menschen, die ihn heute zum Gott emporheben und morgen fallen lassen werden. Damit ist in dem kritischen und nachdenklich stimmenden Roman die Katastrophe programmiert.

Wiederauflage eines Klassikers: Knut Hamsuns „Hunger“

1890 wurde der Roman „Hunger“ des Literaturnobelpreisträgers Knut Hamsun (1859-1952) erstmals publiziert. Das zeitlose Werk ist auch heute mit Gewinn zu lesen. Der namenlose Protagonist lebt in Kristiania, dem heutigen Oslo. Er ist Schriftsteller, hält sich für ein Genie und ist bettelarm, so arm, dass er Hunger leiden muss. Er irrt durch die Stadt, bemüht, seine Würde zu wahren. Ehe er sich als Bedürftigen akzeptiert, spielt er sich lieber auf, erfindet eine Scheinwelt und verstrickt sich in ihr. Er verschenkt Geld an einen Bettler, gibt sich als Redakteur aus und begibt sich damit der Möglichkeit, in einem Obdachlosenheim für die Nacht Asyl zu bekommen. Er hungert so sehr, dass er anfängt, sich selbst aufzufressen. Der Roman ist mysteriös und voller Symbolik, beschreibt die Verlassenheit eines Menschen inmitten der Prosperität einer Großstadt, ohne sozialkritisch sein zu wollen, ein Einzelschicksal beschreibend und doch universell. Am Ende bricht der Namenlose auf und heuert auf einem Schiff an, niemand weiß, wohin diese Reise führen wird.

Briefe aus dem Gulag: „Eine Stimme im Chor“

Heinrich Böll nannte Andrej Sinjawskij die „Stimme Ost-Europas“. Der in der Sowjetunion geborene Autor war Dozent am Gorki-Institut für Weltliteratur, konnte jedoch seine eigenen Werke nur unter dem Pseudonym Abram Terz im Westen veröffentlichen. Nachdem er als der wahre Autor identifiziert worden war, steckte ihn das Regime für sechs Jahre in Zwangslager. Später emigrierte er nach Paris. „Eine Stimme im Chor“ ist die Wiedergabe seiner heimlich aus dem Lager geschmuggelten Briefe und Aufzeichnungen an seine Frau, die diese nach seinem Tod veröffentlichte. Sie sind das erschütternde Dokument eines Mannes, der auch in der Gefangenschaft die Freiheit seiner Gedanken wahrte und kompromisslos an seinen Überzeugungen festhielt. In den Texten hat er seine Gedanken und Reflexionen über Literatur und Philosophie ebenso zu Papier gebracht wie die alltäglichen Repressalien und das Verschwinden der Realität. Bücher helfen ihm das Lagerdasein zu ertragen. Aus den Aufzeichnungen spricht Scharfsinn und umfassende Bildung. Ein Buch, das man — wie es im Vorspann heißt — liest, „bis uns ... vor dieser Fülle von Eindrücken schwindelt.“

Verführbarkeit des Menschen: „Die Wahrheit über Frankie“

„Die Wahrheit über Frankie“ ist mehr als ein spannender, auf einer wahren Begebenheit basierender Krimi der jungen Autorin Tina Uebel. Er ist eine Parabel über die Verführbarkeit des Menschen in einer Zeit, in der Beziehungen beliebig geworden zu sein scheinen und die Sehnsucht nach Sinn und Zugehörigkeit umso größer ist. Drei Studenten werden vom Geheimdienst rekrutiert. Sie lassen sich überreden, ein Leben im Untergrund zu führen, weil sie sich einer guten Sache verpflichtet sehen. Ihre Tätigkeit soll der Terrorabwehr dienen und Verräter in den eigenen Reihen entlarven. Nach zehn Jahren fliegt alles auf, und sie wissen nicht, wie sie in diese Lage geraten konnten. Die drei schildern abwechselnd ihre Anwerbung durch den charismatischen Frankie, dem sie vertrauten, von dessen Begeisterung sie sich mitreißen ließen und von dem sie sich verraten fühlen. Mit dem Kunstgriff der Autorin, die Protagonisten das Erlebte aus ihrer eignen Perspektive schildern zu lassen, wird deutlich, wie subjektiv der Begriff Wahrheit ist.

Literaturangaben:

JACOBS, LOUISE: Gesellschaftsspiele. Fahrenheit Verlag, München 2009. 300 S., 17,95 €.

HAMSUN, KNUT: Hunger. Claassen Verlag, Berlin 2009. 236 S., 19,90 €.

SINJAWSKIJ, ANDREJ: Eine Stimme im Chor. Die Werke des Abram Terz. Taja Gut (Hrsg.). Ins Deutsche übersetzt von Swetlana Geier. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2009. 336 S., 29,90 €.

UEBEL, TINA: Die Wahrheit über Frankie. C. H. Beck Verlag, München 2009. 310 S., 19,90 €.

Weblinks:

Fahrenheit Verlag / Claassen Verlag / S. Fischer Verlag / C. H. Beck Verlag


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