Von Linde Kumke
BERLIN (BLK) – Es ist immer das Gleiche – wieder einmal steht Weihnachten ganz plötzlich und völlig unerwartet vor der Tür. Und erneut zermartert sich der eine oder andere den Kopf, was er seinen Lieben denn Schönes schenken könnte. Wohl dem, der Bücherwürmer und Leseratten zu seinem Bekannten-, Freundes- und Familienkreis zählen darf, denn auf dem Buchmarkt herrscht rege Betriebsamkeit: viele interessante Neuerscheinungen, Neuauflagen von Altbewährtem oder (fast) Vergessenem. Für Unentschlossene oder die, die bis zum Schluss keine Zeit und Muße finden, sich in Ruhe umzuschauen, gibt es hier ein paar Tipps und Empfehlungen.
Fangen wir einfach bei den Jüngsten an. Da wäre der 6. Band der Sams-Reihe von Paul Maar zu nennen, der unter dem Titel „Onkel Alwin und das Sams“ als Buch und als Hörbuch im Oetinger Verlag erschienen ist und von der großen (mittlerweile auch schon erwachsenen) Fangemeinde schon lange heiß ersehnt wurde. Auch von Kirsten Boie ist dieses Jahr etwas Neues herausgekommen: Der „Seeräuber-Moses“ (ebenfalls Oetinger Verlag) dürfte Piraten wie Piratinnen interessieren. Ein Nachschlagewerk über Redensarten besonders für neugierige Kinder im Schulalter ist „Da wird der Hund in der Pfanne verrückt“ von Rolf-Bernhard Essig und Marei Schweitzer (Carl Hanser Verlag).
Kerstin Wehling, Buchhändlerin in der Kinderbuchhandlung „Siebenpunkt“ in Berlin-Wilmersdorf, verkauft in der Weihnachtszeit besonders gerne Klassiker. Ob Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“ oder die Bücher von Astrid Lindgren – eine gute Buchhandlung hat sie alle auf Lager. Als „neue Klassiker“ sind die Abenteuergeschichten der lustigen Trollfamilie „Die Mumins“ zu nennen, von denen „Winter im Mumintal“ (Arena Verlag) von Frau Wehling empfohlen wird. Diese Geschichte passt dann nicht nur zu Weihnachten, sondern auch noch zur Jahreszeit. Die Mumins gibt es inzwischen sogar als Comic-Helden (Reprodukt Verlag) – vielleicht bieten sie einen Weg, Kinder mehr an das Buch heranzuführen. Für unsere jüngsten Bücherwürmer hat Frau Wehling „Die Schlittenfahrt“ von Rose Pflock (Nord-Süd-Verlag) als Geheimtipp im Sortiment: Drei Eichhörnchen freuen sich hier über den ersten Schnee. Auch besonders schön – so Wehling – und mit Pop-Ups zum Spielen einladend ist das „Theaterbuch der Grüffelos“ vom Beltz Verlag, womit wir schon wieder fast bei einem Klassiker wären.
Wem eher das Informative und Faktenreiche zusagt, dem seien an dieser Stelle ein paar interessante Neuerscheinungen aus dem Bereich der Sachbücher empfohlen. Der Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern, ist auf dem Gebiet des Klimaschutzes ein absoluter Fachmann. In seinem Buch „Der Global Deal“ (C.H.Beck Verlag) belässt er es nicht nur bei einer Analyse der Gründe für den Klimawandel, sondern er stellt auch Verbesserungsvorschläge zur Diskussion, die zu debattieren sich lohnen wird. Michael Jürgs dagegen beschäftigt sich in seinem Bestseller „Seichtgebiete“ (C.Bertelsmann) mit unserer Spaß- und Freizeitgesellschaft. Dass wir so heruntergekommen und immer mehr am Verblöden sind, wundert ihn bei diesem Medienangebot nicht wirklich. Jürgs Medienschelte ist gnadenlos! Einen Blick in die jüngere Vergangenheit wirft hingegen eine vierköpfige Historikergruppe um Norbert Frei. Die Historiker haben im Auftrag der Enkelin Friedrich Flicks eine Studie um den Konzerngründer mit dem Titel „Flick: Der Konzern, die Familie, die Macht“ (Blessing Verlag) erstellt. Herausgekommen ist dabei nicht nur eine Darstellung deutscher Industriegeschichte, sondern – und dies trotz des Auftragscharakters der Arbeiten – eine zeitweise schonungslose und zutiefst ehrliche Biographie über diese ebenso streitbare wie umstrittene Unternehmerpersönlichkeit.
Bekanntlich war China dieses Jahr als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Dass es nicht nur „ein“ China gibt, haben uns die Anlaufschwierigkeiten, die kleinen Skandale und unschönen Auseinandersetzungen zu Beginn der Messe deutlich gezeigt. Was hält uns also ab, die Weihnachtszeit zu nutzen und sich über dieses noch weitgehend unbekannte Land und seine Literatur zu informieren? Dank der Buchmesse und der in ihrem Rahmen verlegten Bücher haben wir nun reichlich Gelegenheit dazu bekommen. Zur Einstimmung bietet sich das kleine Bändchen „Neue Träume aus der Roten Kammer“ (dtv) an, einer Sammlung moderner chinesischer Erzählungen, die von Frank Meinshausen und Anne Rademacher zusammengestellt wurden. Der Roman „Brüder“ von Yu Hua (S.Fischer Verlag) ist eine tragisch-komische Geschichte, die von zwei Brüdern im Wirtschaftsrausch des heutigen Chinas handelt. Mo Yan schildert in seinem historischen Epos „Sandelholzstrafe“ (Insel Verlag) eine untergehende Epoche zur Zeit der deutschen Kolonialmacht.
„Ein wirklich großartiges Buch von einem großartigen Autor“, schwärmt Frau Klinkenberg von der Marga Schöller Buchhandlung in Berlin-Charlottenburg vom neuesten Roman Colum McCanns „Die große Welt“ (Rowohlt). McCann gelingt es, in dieser mitreißenden Geschichte vor allem die besondere Stimmung der Stadt New York einzufangen.
Das ist natürlich nur eine kleine Auslese an empfehlenswerten Büchern. Vielleicht ist aber der eine oder andere auf den Geschmack gekommen, sich doch noch selber auf den Weg in eine naheliegende Buchhandlung zu machen, um dort in aller Ruhe herumzustöbern. Für manchen Stressgeplagten wäre das allein bestimmt schon fast wie Weihnachten!