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Eine Frage des Glaubens

Die neuen Bücher der Feministinnen Elisabeth Badinter und Alice Schwarzer

© Die Berliner Literaturkritik, 01.12.10

Von Jenny Schon

So was Harmloses und Lebenswichtiges wie Milch kann zum Glaubenskrieg führen, obwohl wissenschaftlich weder bewiesen ist, dass Muttermilch gesünder ist als Kuhmilch, noch das letztere die enge Bindung von Mutter und Kind verhindere.

Wie das?, werden sich nicht so Sachkundige fragen. Haben wir nicht seit der Öko-Bewegung vor etwa dreißig Jahren ein für allemal das Problem  mit der künstlichen Babynahrung für beendet erklärt! Sind nicht jetzt die klugen jungen Mütter dabei, sich für Öko-Pampers einzusetzen und den täglich anfallenden, weltweiten Millionen Tonnen schweren Unrat der Babypopos beziehungsweise zumindest was den Baumwollanteil betrifft ein für allemal

zu vermeiden und wie die Mütter und deren Mütter und alle Mütter zuvor konservativ per Waschgang zu beseitigen.

Es ist kein Witz, diese Probleme sind eigentlich profane Glaubensfragen.

Bei Untersuchungen kommt die Kuhmilch besser weg, wenn Allergien nachgeforscht werden. Kinder, die mit teilweiser Zugabe von Kuhmilch in den ersten Lebenswochen großgezogen werden, neigen zu einem geringeren Prozentsatz zu Allergien als reine Stillkinder. Aber wie nun Studien sind, sie werden sicher irgendwo von anderen Studien widerlegt werden können.

Elisabeth Badinter, die große Frauenforscherin und Philosophin Frankreichs, selber Mutter von drei Kindern, weitet die Frage des Stillens aus. Gerade mit dem Begriff der Natürlichkeit haben Frauen selber sich Einschränkungen auferlegt, die gravierend sind. Sind sie erst mal Mütter, nimmt ihre gesellschaftliche Rolle als Frau ab. Sie müssen eine Zeitlang, das verlangt die neue Natürlichkeit, das Kind rund um die Uhr betreuen, also den Beruf vernachlässigen, ihre Männer vernachlässigen, sich selbst vernachlässigen.

Auch Silke Hohmann (im Zeitmagazin Nr. 41/2010) beklagt dieses aus eigener Not  und versucht,  Männer als Verbündete zu finden: „Ihr werdet erst euer gemeinsames Bett teilen und es schlimmstenfalls für lange, lange Zeit verlassen müssen, möchte man sie warnen. Ihr mögt die mutierten Brüste eurer Frauen interessant finden, aber ihr werdet sie nie anfassen dürfen. Ihr werdet auch künftig in Dingen, die das Kind betreffen, immer wieder unsicher abwarten, was die von der Natur gekrönte Herrscherin über euer gemeinsames Baby verkündet.“

Elisabeth Badinter sieht genau in dieser scheinbar natürlichen Rolle von Mann und Frau einen großen Rückschritt, denn der Mann wird von der Aufzucht des Kindes ferngehalten. Hatte doch gerade die Emanzipationsbewegung dafür gesorgt, sich auch von den scheinbar natürlichen Bedingungen zu emanzipieren und nur als die einzige dieser Bedingungen das Primat der Frauen im Kinderkriegen anzusehen. Alles andere, was das  Kind betrifft, kann auch der Vater machen. Diese revolutionäre Einsicht der europäischen Emanzipationsväter hat immerhin dazu geführt, dass sie mit dem Kinderwagen oder Babywickeltuch herumlaufen, dass sie die Windel wechseln, den Babypopo säubern und dass sie das Fläschchen geben. Kaum ein Vater vor der zweiten Frauenbewegung hätte dies und schon gar nicht in der Öffentlichkeit gemacht.

Alice Schwarzer hat es in dem Band „Die Grosse Verschleierung“

zwar nicht mit dem Stillen, aber mit der nur der Frau abverlangten Kleiderordnung, ihrer Verschleierung und dem Kopftuch und generell mit der Islamisierung der (westlichen) Welt. Es wurden Artikel aus der Emma aus den Jahren 1979 (Sieg Khomeinis im Iran) bis heute zu dem Thema zusammengetragen. Ganz klar hat seit der Herrschaft der Mullahs im Iran das Kopftuch die Unschuld verloren. Als die Frauen unter Gewaltanwendung zum Tschador gezwungen wurden, notfalls durch Annageln des Kopftuchs an den Kopf der widerborstigen Trägerin, ist die Verschleierung zum Politikum geworden.

Die Argumentation für den Schleier und das Kopftuch käme daher, dass der Koran den Frauen vorschreibe, sie haben sich vor dem (geilen) Blick

der Männer zu schützen beziehungsweise diesen nicht aufzugeilen mit ihrem lockenden Haar und Körper.

Erstens sieht der Koran lediglich ein Bedecken und nicht ein Verstecken vor und zweitens war in dieser Diskussion die westliche Frauenbewegung schon mal bedeutend weiter. Wenn ich nein sage, meine ich nein, war die Parole. Auch der Minirock galt zunächst als Aufputschmittel, bis die Frauen dafür kämpften, dass er nicht als Auforderung zur Vergewaltigung anzusehen ist, dass die Eroberung der öffentlichen Straßen und der Nacht durch die Frau nicht zu Übergriffen auf sie berechtige.

All diese Errungenschaften der westlichen Frauenbewegung gelten in der Argumentation des Kopftuches nicht. Es geht nicht um eine private Hinwendung zum Religiösen, die wird von gläubigen Musliminnen auch ohne Kopftuch praktiziert wie auch Katholikinnen heute nicht mehr in Schutt und Asche herumlaufen, ihre Religiosität nach außen kehren.

Bei der Islamdebatte wird eine Religiosität vorgeschoben, die eindeutig politisch ist. „In Deutschland sind die Islamisten vor allem in den Universitäten, bei den Protestanten und im alternativen Milieu auf offene Ohren gestoßen. Hierzulande waren das schlechte Gewissen und die Angst, wieder etwas falsch zu machen in Sachen Fremdenliebe, besonders groß. Und groß war auch die Bereitschaft gläubiger Altlinker, nach dem Tod ihrer Götter Mao und Che Guevara, neuen Göttern zu folgen. Allahu Akbar! Vermutlich hätten die jungen Konvertiten der sogenannten „Sauerlandgruppe“, die beinahe ein blutiges Attentat unvorstellbaren Ausmaßes mitten in Deutschland angerichtet hätten, ein, zwei Generationen zuvor bei der RAF mitgemacht.“

Besonders auch wegen der Berichte von Frauen, die sich trotz Anfeindungen in ihren muslimischen Umfeld von ihrem Kopftuch und ihrer Verschleierung verabschiedet und ihre Freiheit entdeckt haben, ist das Buch eine Hilfe in der gegenwärtigen Diskussion. Dass nämlich die Frau nicht naturgegeben – das kann auch gleichbedeutend sein mit gottgegeben – einer Rolle zuzuordnen sei, sondern dass sie Frau, Mutter, Geliebte und auch religiös sein kann, wenn sie sich von den gesellschaftlichen, eben auch Zeitgeist-Zwängen freimachen kann.

Literaturangabe:

Elisabeth Badinter: Der Konflikt. Die Frau und die Mutter, C.H. Beck Verlag, München 2010, 222 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3406608018.

 Alice Schwarzer (Hrsg.): Die Grosse Verschleierung. Für Integration, gegen Islamismus. Emma Buch, KiWi Paperback, Köln 2010, 318 Seiten, 9,95 Euro, ISBN 978-3462042634.


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