Von Elke Vogel
BERLIN (BLK) - Hunger auf Neues, Lust auf Gegenwart. Erstmals sind die Autorentheatertage für zeitgenössische Dramatik bis zum 17. April in Berlin - und der Run auf die Vorstellungen im Deutschen Theater (DT) ist riesig. Erste Höhepunkte waren Stücke von Dea Loher und Elfriede Jelinek. Als grandiose Darsteller bejubelt wurden am Sonntagabend (11.4.) Birgit Minichmayr und Sebastian Blomberg in Martin Kusejs „Das Interview“, entstanden nach dem Film von Theo van Gogh.
14 Gastspiele und dazu vier noch niemals auf der Bühne gezeigte Werke bieten die Autorentheatertage, die DT-Intendant Ulrich Khuon vom Hamburger Thalia Theater mit in die Hauptstadt gebracht hat. Politisches und Privates mischt sich in den Stücken auf mal subtile, mal plakative Weise - ein Trend, was die Autoren in unserer Zeit umtreibt, lässt sich allerdings nicht ablesen.
160 noch nicht auf der Bühne gezeigte Werke hat der Filmkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Michael Althen, gelesen und vier davon für die „Lange Nacht der Autoren“ (17.4.) ausgewählt: Stücke von Julia Kandzora, Carsten Brandau, Laura Naumann und Katharina Schmitt. Einen thematischen Trend, eine gemeinsame Sprache habe er bei der Lektüre nicht gefunden. „160 Stücke und kein Befund“, resümierte Althen. Er sei im Gegenteil überrascht gewesen von der Vielfalt der Themen und überwältigt von der Unterschiedlichkeit der Sprechweisen.
Eindeutige Feinbilder, gegen die man anschreiben kann, gebe es heute eben nicht mehr, meinte Khuon. Die Bedrohung gehe von konturlosen Kräften wie dem Markt, der Globalisierung aus. „Gegen das Chaos lässt sich schwer ankämpfen.“
Die Lage für junge Dramatiker hat sich verändert, aber nicht unbedingt verbessert. Anders als noch vor 20 Jahren gebe es heute viel mehr Preise, Stipendien und an vielen Theatern eigene Hausautoren, sagte Khuon. Aber: „Die meisten Nachwuchsautoren können nicht von ihrer Arbeit leben.“ Rechne man alle Preisgelder zusammen, kämen lediglich fünf bis acht feste Stellen an einem Theater heraus.
Dass es an den Bühnen derzeit eine wahre Flut von Uraufführungen gibt, die dann genauso schnell wieder in der Versenkung verschwinden, stimmt nach Ansicht von Franz Wille vom Fachmagazin „Theater heute“ übrigens nicht. Im Gegenteil: Es gebe zu wenig Dramatiker, „die unter übler Selbstausbeutung bei armutsgrenzwertiger Bezahlung die deutschsprachigen Theater mit frischem zeitgenössischen Material versorgen“, schrieb Wille kürzlich. Selbst die „Förder-Inflation“ durch Preise und Wettbewerbe habe den jährlichen Ausstoß von 100 bis 120 Uraufführungen (Stand Anfang der 90er Jahre) um höchstens 15 Prozent steigern können. Die gefühlte Uraufführungsflut gehe vor allem auf Projekte zurück, die Filmdrehbücher oder Romane auf die Bühne bringen.
Seine Autorentheatertage seien ein Festival für das Publikum, aber auch ein Festival, das die Nähe zu anderen Theatern suche, betonte Khuon. „Wir verstehen uns nicht als Konkurrenz.“ Die Autorentheatertage seien vielmehr eine Ergänzung zu Festivals wie dem etablierten, im Mai bereits im 47. Jahr stattfindenden Theatertreffen deutschsprachiger Bühne in Berlin oder dem Festival für Internationale neue Dramatik F.I.N.D. an der Berliner Schaubühne.
Auch das Theatertreffen (7.-24.5) setzt dieses Jahr auffallend auf Zeitgenössisches. Statt Tschechow, Schiller und Shakespeare stehen dieses Mal Namen wie Elfriede Jelinek, Dennis Kelly, Dea Loher und Roland Schimmelpfennig auf dem Programm. „Weniger die Klassiker dominieren die Spielpläne, stattdessen zunehmend Gegenwartsdramatik, Film- und Romanadaptionen, lebensweltbezogene Projekte und performative Inszenierungen“, beschreibt Theatertreffen-Leiterin Iris Laufenberg auf der Festival- Internetseite den Trend an den deutschsprachigen Bühnen, der sich sichtbar auch auf die Auswahl der Theatertreffen-Jury ausgewirkt hat.
Weblink: Autorentheatertage
Weblink: Theatertreffen-Berlin