Werbung

Werbung

Werbung

„Alte Weisheit für die moderne Welt“

Yu Dan überträgt die Lehren des Konfuzius ins 21. Jahrhundert

© Die Berliner Literaturkritik, 01.09.09

Von Ulrike Cordes

„Wäre die Welt in Ordnung, dann brauchte ich mich nicht damit abzugeben, sie zu ändern“, sagte der chinesische Wandergelehrte Konfuzius (551 - 479 v. Chr.) der Überlieferung zufolge zu einem seiner Schüler. Ein wahrhaft zwingendes Argument, Erkenntnis unter den Menschen zu verbreiten - hat es doch zweifellos bis heute, 2500 Jahre später, überall auf dem Erdball unverändert Berechtigung. Nicht zuletzt im sozialistisch-turbokapitalistischen China, das verschärft durch Armut und Ausbeutung, militärische Gewalt und Umweltzerstörung geprägt ist, herrscht Unordnung. Von dort, dem in den 60er Jahren durch Maos Kulturrevolution geistig ausgebluteten Riesenreich, kommt nun die Nachricht, dass ausgerechnet ein Buch über die lange verfemte Ethik- und Gesellschaftslehre des Konfuzius in der Bevölkerung Furore mache.

Yu Dans Erläuterungen „Konfuzius im Herzen - Alte Weisheit für die moderne Welt“ seien mit 10 Millionen Druckexemplaren im 1,3 Milliarden Einwohner zählenden China ein Megaseller, heißt es etwa beim Münchner Droemer Verlag. Außerdem begeistere die 44-jährige Pekinger Universitätsprofessorin für Medien und Kunst die Massen im Fernsehen, auf CDs und DVDs. „She makes Konfuzius cool again”, formuliert die Los Angeles Times. Bei Droemer liegt das Werk jetzt auf Deutsch vor: Im bunt-anschaulichen Stil populärer westlicher Lebensratgeber schildert die Autorin darin Gedanken des Konfuzius, wie sie die von seinen Anhängern aufgeschriebenen Gespräche übermitteln - und stellt diese mittels vieler Anekdoten und Beispiele in Zusammenhang mit dem modernen Alltag.

Tugenden wie Menschlichkeit, Respekt, Bescheidenheit, Maßhalten und Mut, dazu die Wahrung der Formen und die Gabe der Freundschaft führten demnach auch während einer Business-Karriere im 21. Jahrhundert zu innerer Ausgeglichenheit und gelingendem gesellschaftlichen Miteinander - kurz: zu Harmonie und Ordnung, Kernbegriffen des Weisen aus dem damaligen Staat Lu. Eine Sonderrolle nimmt auch bei Yu Dan dessen Ideal des Edlen ein - eines Menschen, dem es gelingt, Moral zu leben. Dieses Ideal ist einerseits höchst elitär, andererseits aber auch ganz und gar demokratisch: Jedermann und jede Frau dürfe danach streben. Was im Buch allerdings fehlt: die für Konfuzius so zentrale Idee der Ahnenverehrung.

Schlicht, aber im Grunde anständig und vernünftig klingen alle dargelegten Gedanken. Sie entstammen dabei keiner Religion, sondern fußen auf der pragmatischen Maxime des alten Gelehrten: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu“. Insgesamt muss dem Werk der Yu Dan so sein Sinn zugesprochen werden, selbst wenn es vor den Augen seriöser Wissenschaft weniger Gnade findet: Mit dem wahren Konfuzius hat das alles so viel zu tun wie etwa einer dieser Buddha für Manager-Ratgeber mit dem Buddhismus, urteilt der Sinologe und führende Konfuzius-Experte Hans Stumpfeldt, Emeritus der Universität Hamburg. Kritisch sieht Stumpfeldt auch einen vermeintlichen Konfuzius-Boom und die angebliche Yu-Dan-Euphorie: China ist ein totalitäres Land - da ist bei solchen Angaben immer Vorsicht geboten, sagt der Wissenschaftler.

Fakt bleibt allerdings, dass der Staat selbst heute ein Interesse an allem hat, was die Gesellschaft zusammenhält. Denn das Land befindet sich im Umbruch. Die alten Religionen Daoismus und Buddhismus sind für die Mächtigen bedeutungslos oder gar gefährlich - und neue verbindliche Geisteswerte gibt es noch nicht. Da ist also Leere, erklärt Stumpfeldt. Auch wenn es daher angesichts von Gewaltaktionen wie jüngst gegenüber der Uiguren-Minderheit seltsam anmute, nutze die offizielle Seite inzwischen den Konfuzianismus als zentrales Mittel, um Harmonie und Ordnung unter der Mehrheit der Han-Chinesen zu befördern. Und eben deshalb sei es schwierig zu bewerten, wie echt oder wie manipuliert die enorme Auflagehöhe des Buches und die Medienallgegenwart seiner Autorin tatsächlich seien, meint Stumpfeldt. Verkehrt erscheinen Yu Dans Lebensratschläge bei alledem - wie gesagt - keinesfalls.

Literaturangabe:

DAN, YU: Konfuzius im Herzen. Alte Weisheit für die moderne Welt. Droemer Verlag, München 2009. 233 S., 16,95 €.

Weblink:

Droemer Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: