Werbung

Werbung

Werbung

Amüsante Aufklärungsarbeit

Jared Diamonds Buch über Sex wurde neu aufgelegt

© Die Berliner Literaturkritik, 04.02.10

Von Thomas Hajduk

Aphrodisiaka, Sodomie, Orgasmusschwierigkeiten: die menschliche Sexualität ist zuweilen so bizarr, dass sie für manchen Lacher gut ist. Das ist bereits Woody Allen in seiner Parodie „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten“ (1972) aufgefallen. Darin verulkte er die Flut der Aufklärungsfilme jener Zeit; für die letzte Episode des Films zwang Allen sich sogar in ein albernes Spermiumkostüm.

Aber auch ohne satirische Überzeichnung ist unsere Sexualität absonderlich und kurios. Warum haben Menschen Sex, auch wenn sie gar keine Kinder zeugen wollen oder können? Wieso tritt bei Frauen die Menopause ein? Und warum geben Männer keine Milch? Viele Aspekte unserer Sexualität, die wir als „normal“ hinnehmen, sind im Vergleich zu anderen Lebewesen eher die Ausnahme als die Regel.

Wie es zu diesen Besonderheiten kam, erklärt Jared Diamond in seinem höchst lesenswerten Buch „Warum macht Sex Spaß?“. Darin greift der bekannte Universalgelehrte aus Kalifornien einige gängige Topoi der menschlichen Sexualität auf und versucht sie evolutionsbiologisch zu begründen. Denn, so Diamonds Kernthese, unsere Sexualität sei neben der Körperhaltung und der Hirngröße einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Mensch und Menschenaffe. Mehr noch: Die Ausprägung dieser drei Größen hätte die beispiellose Entwicklung des Menschen überhaupt erst ermöglicht.

Dass Diamond der Fortpflanzung eine so prominente Rolle einräumt, mag auf den ersten Blick verwundern. Bedenkt man jedoch, dass die Weitergabe der eigenen Gene die oberste Priorität aller Lebewesen ist, dann wird dieser Befund verständlicher. So erscheint es mit einem Mal plausibel, dass zum Beispiel Frauen anders als die Weibchen in der Tierwelt nach den Wechseljahren unfruchtbar werden. Der menschliche Nachwuchs ist eine vergleichsweise lange Zeit unselbstständig und bedarf intensiver Pflege. Es kann ab einem höheren Alter strategisch besser sein, das Überleben der Kindeskinder zu unterstützen statt das steigende Risiko weiterer Geburten einzugehen. Mit anderen Worten: Omas sind vermutlich eine evolutionsbiologische Kinderversicherung.

Mit solchen Thesen verdreht Diamond immer wieder bekannte Klischees und zeigt nebenbei, wie Wissenschaft funktioniert. Er erzählt in seinem klar populärwissenschaftlich ausgelegten Buch nicht apodiktisch seine Version der Evolution, sondern greift stets verschiedene Thesen auf und wägt deren Erklärungspotenzial vor dem Leser ab. Das ist nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam.

Ein Beispiel ist die beliebte These, dass in der Frühzeit Männer das Essen jagten und Frauen den Haushalt schmissen. Diese Version liest und hört man immer wieder. Weniger bekannt ist indes eine andere Version. Die gefährliche und unstete Jagd großer Tiere brachte vermutlich eine geringere Energieausbeute ein als das (erfahrene) Sammeln von Früchten und Jagen von Kleintieren. Während die Männer die Jagd nutzten, um sozialen Status und ihren Wert als Sexualpartner zu demonstrieren, waren demnach Frauen die eigentlichen Ernährer der Familie. Die Pointe dieser These liegt nicht zuletzt in ihrer Entstehung: es war eine Frau, die sie aufstellte.

Mit derlei Details und gelungenen Beispielen aus der (Pop-) Kultur schafft es Diamond spielend, seine Leser für die leider kurze Lektürezeit zu fesseln. Man kommt sich aufgrund der klaren Sprache und der Abwesenheit von Fußnoten wie in einer Ringvorlesung zur Evolutionsbiologie vor. Das ist wohl auch nicht anders zu erwarten von dem Autor zu Recht gepriesener Bücher wie „Der dritte Schimpanse“, „Arm und Reich“ und „Kollaps“. Wer einen dieser Titel gelesen hat, wird aber womöglich von „Warum macht Sex Spass?“ enttäuscht werden. So kurzweilig und erhellend das Buch nämlich ist, so überholt ist es wieder in Teilen. Das liegt nicht an dem Autor, sondern dem Alter des Buches: Es ist 1997 erstmals erschienen und wurde seitdem nicht überarbeitet. So fehlt etwa jeglicher Verweis auf neurowissenschaftliche Forschung zum Thema. Auch das Fehlen von Fußnoten werden einige Leser bemängeln; nur eine kurze, ebenfalls überholte Auswahlbibliographie lädt zur weiteren Lektüre ein.

Trotz dieser natürlicher Makel einer älteren Publikation ist das Buch sehr empfehlenswert, gerade auch für jüngere Leser, wenn man das reißerische Titelbild nicht missversteht. Obwohl die Frage des Titels, warum Sex denn nun Spaß macht, im ganzen Buch nicht beantwortet wird, ist seine Lektüre – man ahnt es schon – überaus befriedigend.

 

Literaturangabe:

DIAMOND, JARED: Warum macht Sex Spaß? S. Fischer Verlag, München 2009. 237S., 19,95 €.

Weblink:

S. Fischer Verlag

 

 


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: