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Andreas Altmann in Down Under

Unterwegs im Land der Regenbogenschlange

© Die Berliner Literaturkritik, 16.09.11

ALTMANN, ANDREAS: Im Land der Regenbogenschlange. Unterwegs in Australien. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 320 S., 19,90 €.

Von Monika Thees

Nach dem Abitur trampte er durch Europa, war Schauspieler, Dressman, Nachtportier und Postsortierer, er lebte in einem indischen Ashram und verdiente sein Geld als Ghostwriter. Danach schrieb er Reportagen für das ZEIT-Magazin, für GEO, Merian, Focus und andere. Inzwischen hat er sein elftes Buch veröffentlicht: Andreas Altmann, der vielfach preisgekrönte Reiseliterat, ein Travel-Writer, der das Unterwegssein als Zustand begreift. „Im Land der Regenbogenschlange“ heißt sein jüngstes Buch, ein „Fahrtenschreiber“, ein Notiz- und Tagebuch und wie jedes seiner Bücher auch ein „Minority Report“, ein Bericht für die Minderheit.

Drei Monate ist er „unterwegs in Australien“, er startet in Sydney und kommt nach neunzig Tagen wieder dort an. Dazwischen liegen 25.000 Kilometer, per Bahn, Bus, Anhalter oder Flieger, über Brisbane ans Great Barrier Reef, danach über Darwin zum Uluru (Ayers Rock) bis Adelaide und Perth, zurück über Melbourne und Canberra – „neunzig Tage nonstop, neunzig Nächte zu kurz“. Seine Ausbeute: unzählige Storys, Road-Skizzen, dazu jede Menge eigener Gedanken, Seitenhiebe, Widersprüche, Einsichten, Bewunderung und Zweifel. Denn eins steht außer Frage, Andrea Altmann ist kein objektiver Reiseführer, eher ein Ego-Tripper mit zweifachem Talent: Er lässt sich ein mit Haut und Haaren, geht ganz nah ran – und er kann unnachahmlich gut schreiben. Seine Sprache ist direkt, schnörkellos, ehrlich, mit einem Wort: authentisch.

Seine Reise durch den fünften Kontinent sei kein Ausflug für Zartlinge, warnt Altmann im Vorwort: „Selbst als Leser wird man sich Schrammen und Flecken holen.“ Er selbst verlässt Australien mit ein paar gebrochenen Rippen, den Rucksack jedoch voller Geschichten: so die von Fred Brophy, dem Helden des Outbacks, der mit seiner Riege (krimineller) Preisboxer durch Queensland und das Northern Territory tourt. Oder die Lebensgeschichte der 18-jährigen Erin, die, gerade elf, mit einer alten Norton von zu Hause abhaut und sich seitdem alleine durchschlägt, mit Haustürgeschäften, der Vermittlung von Versicherungen, Handygeschäften und so allem, was kein Mensch wirklich braucht.

Konsumiert wird viel in Down Under: Bier in Mengen, so manches Übermaß an Kalorien (XXX-Superlarge ist fast Norm bei Australiern). Ein Reihenhäuschen, zwei Hypotheken, drei Lebensversicherungen, das Glück misst sich an der Höhe des Kontos. Nicht für jeden. Andreas Altmann trifft in Koongarra den Aborigine Jeffrey Lee, auf dessen Land Uran gefunden wurde, geschätzter Wert: fünf Milliarden Australian Dollar. Doch der letzte Überlebende „of his people“, des Djok-Clans, will nicht verkaufen. Er will einfach seiner Arbeit nachgehen und hinterher fischen oder jagen, will „happy“ sein dort, wo die „heiligen Stätten“ und Gräber seiner Eltern und Vorfahren liegen, wo er den Geschichten seines Volkes lauschte. Eine der Legenden, die der jetzt 36-Jährige damals hörte, ist die von der Regenbogenschlange, der Urschöpferin des Kosmos.

Andreas Altmann hat sie nicht zufällig zum Titel erwählt: Staunen, ja Rührung und Dankbarkeit ergreifen ihn beim Anblick des Abendhimmels im fast menschenleeren Outback, angesichts der Schönheiten der Natur, die in so krassem Gegensatz stehen zur allgegenwärtig ausufernden Blödigkeit des „modern way of life“, mit „Bierdosen-Regatta“ und „eat as much you can“-Angeboten. Andreas Altmann moralisiert? „Nein, ich kämpfe ums Überleben, mich jagt die Panik, von der weltweiten Bimboisierung erledigt zu werden, von der Weltherrschaft jener, die statt eines Kopfes eine vakuumverschweißte Luftblase mit sich herumtragen.“

Deshalb die Rastlosigkeit? Ja, sein Buch ist auch eine Kriegserklärung an die Lauheit, die Bequemlichkeit des Denkens und der Seele. Reisen öffnet die Augen, aber nur dem, der sehen will: die Aborigines, früher einmal Besitzer ihrer Welt, die jetzt saufend vor der Glotze hängen, ihre Kinder und Frauen prügeln und durchschnittlich achtzehn Jahre früher sterben als andere Australier; die die Natur abfackelnden Businessmen, die selbstherrlich von Wachstum reden; die Hunderte von Glücksrittern, die in Cooper Pedy (South Australia) nach Opal schaufeln, oder Jim und Paul, die beiden Zeugen Jehovas, die munter die Wissenschaftlichkeit der Bibel verkünden.

An Andreas Altmann scheiden sich bekanntlich die Geister. Er ist ein Narziss, wie die „taz“ schreibt, ja. Er erzähle im Grunde nichts Neues, auch das stimmt zuweilen. Er ist ein meisterlicher Reporter des Lebens, das auf alle Fälle. Wie sagt er es selbst: „Dem Leser einen dicken Brief schreiben, ein Buch eben, das scheint mir bis zum heutigen Tag das probateste Mittel, um uns von der Welt und dem Staunen über sie zu erzählen.“ Und das macht er, zuletzt in „34 Tage, 33 Nächte“ (2005), „Preis der Leichtigkeit“ (2006), „Reise durch einen einsamen Kontinent“ (2007) und jetzt in seinem Bericht über das „Land der Regenbogenschlange“. Es ist ein Genuss, ihn zu lesen.

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