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Andreas Maiers „Sanssouci“

Sie reden, also sind sie

© Die Berliner Literaturkritik, 23.01.09

 

Sie reden, also sind sie: Seit seinem hoch gelobten Debütroman gilt der 1967 in Bad Nauheim geborene Andreas Maier als Experte für das unaufhörliche Geschwätz unseres Alltags. Im Erstlingswerk „Wäldchestag“ (2000) zerriss sich eine Trauergemeinde in einem hessischen Dorf das Maul über den gerade Verstorbenen sowie Gott und die Welt.

Eine raffiniert orchestrierte, zuweilen schreiend komische Suada, die zumeist absatzlos und auf den Stelzen des Konjunktivs daherkam.

Maier variierte in Romanen wie „Klausen“ oder „Kirillow“ diese polyphone Technik, der nichts Menschliches fremd war und die auf Vorbilder wie Dostojewski, Thomas Bernhard oder auch Eckhard Henscheid verwies. Über Bernhard hat Maier auch promoviert.

Am Anfang des neuen Romans „Sanssouci“ steht wieder ein Todesfall, und – was noch wichtiger ist – wieder eine disparate, argwöhnisch feixende Trauergesellschaft. Gestorben ist der Regisseur Max Hornung, der in Potsdam die erfolgreiche Fernsehserie „Oststadt“ produzierte, die immer wieder für Gesprächsstoff sorgte und in der viele Einwohner Rollen übernommen hatten. Hornung starb nach einem mysteriösen Unfall, und dies bleibt nicht das einzige Rätsel in diesem seltsam unausgegorenen Roman aus der ostdeutschen Wohlstands-Provinz.

Andreas Maier selbst erlebte Ende 2004 in Potsdam eine Provinzposse, als er nach unsäglichen Missverständnissen ein ihm angebotenes Stipendium ablehnte. Ein wenig kann man „Sanssouci“ auch als späte Rache lesen. Es tummeln sich in Nebenrollen auffällig viele inkompetente Lokalpolitiker, eitle Kulturbeamte und aalglatte Journalisten in diesem Buch, das wieder etliche palavernde Protagonisten zu einem dissonanten Ensemble versammelt.

Da streunt das minderjährige, reichlich verwilderte Zwillingspärchen Heike und Arnold durch die Stadt, die alleinerziehende Radikalvegetarierin Merle Johansson hat einen anrüchigen Zweitjob, der Bulgare Grigorij scheitert an Deutschland, die Schüler Maja und Nils verlieben sich, und über allem strahlt der ganz in sich ruhende russisch-orthodoxe Mönch Alexej, der Typ mit dem lustigen Käppi, wie viele finden. Die Jugend trifft sich bierselig in Kneipen, die „Hafthorn“ oder „Kotz“ heißen, die Penner genießen den Sommer, aber es ist etwas faul im schönen Städtchen. Was geht vor in dem fast vergessenen Tunnelsystem, das sich unter dem Schloss Sanssouci erstreckt?

Die Frage wird nicht explizit beantwortet, sondern immer wieder umkreist und mit Mutmaßungen belegt. „Nils erklärte, in dem Buch werde das, was erzählt wird, gar nicht erzählt, und gerade dadurch werde es erzählt“, heißt es einmal in Bezug auf Wilhelm Raabes Roman „Stopfkuchen“ von 1891, aber natürlich charakterisiert damit Maier auch seine eigene Technik. Aber der Autor mit dem sonst so zuverlässigen Ohr für die trivialen Tonfälle des Alltags verzettelt sich diesmal zusehends in Episödchen, die weder witzig noch skurril sind. Sprachliche Schnitzer kommen dazu: „Nun wurde es doch etwas verbaler in Anastasias Kopf“ heißt es einmal, oder „Allerdings unterschied Anastasia meistens nicht in Russen oder Deutsche“.

Literaturangaben:
MAIER, ANDREAS: Sanssouci. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 299 S., 19,80 €.

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