BERLIN (BLK) – Mit beklemmender Eindringlichkeit habe Annette Pehnt in ihrem Roman „Mobbing“ die gesellschaftliche Realität thematisiert, schreibt die „SZ“. Die „NZZ“ lobt den „genialen“ Sprachstil Einar Schleefs im dritten Band seiner Tagebuchreihe. Weitere Autoren in der Presseschau: Felix Philipp Ingold, Peter Handke und Hans Magnus Enzensberger.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
In seinem neuen Roman „Land“ schicke der Schweizer Autor Perikles Monioudis seinen Helden für ein „bittersüßes Vergnügen durch den Mittelmeerraum“, kommentiert die „FAZ“. Wer aber bloß eine abenteuerliche Geschichte erwarte, unterschätze die erzählerischen Ambitionen Monioudis’. Die äußere Handlung biete auch diesmal nur den lockeren Rahmen für „kunstvoll stilisierte Miniaturen“. Die „FAZ“ lobt auch seine „mosaikartige Erzähltechnik“, mit welcher der Autor einer Ästhetik der Gleichzeitigkeit folge. Nicht pointierte Auflösung von Spannung, sondern die simultane Vermittlung von unterschiedlichen Eindrücken und Erfahrungen sei Ziel des Buches.
„Neue Zürcher Zeitung“
Nach den ersten beiden Tagebüchern veröffentlichte Einar Schleef (1944-2001) nun sein Drittes, das von der Zeit zwischen 1977 und 1980 berichtet. Anstelle kultivierter Rhetorik würde auch in seinem neuen Buch der Ausdruck eines „genialen Selbsthassers mit einem fulminanten Gedächtnis“ überwiegen, schreibt die „NZZ“. Akribisch habe Schleef minimale Impulse, Bewusstseinsreflexe, Trieberregungen und Demütigungen erfasst und dadurch sein Tagebuch als brausendes Affektventil benutzt. Trotz der vielfachen Abstoßungen des Autors und der Ansicht vieler, er sei „Sand im Getriebe“, ziele der Autor erneut auf Durchsetzung anstatt auf Anpassung, kommentiert der Rezensent.
Peter Handkes jüngste Erzählung „Die morawische Nacht“ sei „stattlich geraten“, schreibt die „NZZ“. Sie bringe eine große Frische über sein Werk. In dem Buch gehe es um einen Ex-Autor, der sich Rechenschaft über die „(Ab-)Gründe des Schreibens“ ablege, behauptet der Rezensent. Man vertraue sich gern den „mäandrierenden Sätzen“, der „gedanklichen Reife“ und „epischen Weite“ des Buches an. Handke habe in einer „komplexen Choreographie des Erzählens“ Reise-Episoden, Alltagsbeobachtungen und poetologische Reflexion miteinander verknüpft. Auch sei „Die morawische Nacht“ eine Selbstprüfung Handkes ins Innere seines eigenen Werkes. Handke nehme dennoch einen entspannten Ton auf und führe diesen weiter Richtung Revision und Versöhnung, deren Ausmaß überrasche.
Der Großteil in Gerhard <ST1:PERSONNAME W:ST="on">Roths Buch „Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten“ enthalte altbekannte psychologische Fragen, meint die „NZZ“. <ST1:PERSONNAME W:ST="on">Roth wolle diese Fragen nach dem Zusammenspiel des Verstandes und der Gefühle bei der Entscheidungsfindung neurologisch fundieren, was scheitere, kritisiert der Rezensent. Die Fundierung verliere sich im Ungefähren. Die These <ST1:PERSONNAME W:ST="on">Roths, alle Handlungen des Menschen seien mit Gehirnstrukturen untrennbar verknüpft, hält der Rezensent Uwe Justus Wenzel für zu vage und unspezifisch; deswegen fordert er präzisere Formulierungen.
Die neuen Gedichte Felix Philipp Ingolds in dem Band „tagesform“ würden nicht von Einfällen leben oder an der „Krücke“ irgendeines aktuellen Geschehens oder Wissens gehen, schreibt die „NZZ“. Seine Verse würden „Adern im Sprachgestein“ verfolgen. Ingolds Gedichte würden nicht Sprache, sondern „Wort, Laut und Buchstabe“ an den Tag fördern. Das Einzige, was er den Lesern abverlange sei Präsenz und Offenheit für die Anderen, meint der Rezensent. Das schließe Nähe und Differenz mit ein, lobt die „NZZ“
„Süddeutsche Zeitung“
Einer geschickt inszenierten sozialpsychologischen Fallstudie habe sich Annette Pehnt in ihrem neuen Roman „Mobbing“ gewidmet, schreibt die „SZ“. Die Geschichte um eine junge Mittelstandsfamilie, die durch eine Mobbing-Aktion erschüttert werde, könne mit ihrer Eindringlichkeit als Vorlage für einen Fernsehfilm dienen, lobt die Rezensentin. Die Frage, ob ein solcher Stoff literaturfähig sei, könne durch die gekonnte Ich-Erzählung, die schriftstellerischen Finessen und den passagenweise auftretenden Galgenhumor positiv beantwortet werden.
Aus einem spannenden Stoff die Spannung genommen habe Hans Magnus Enzensberger in „Hammerstein oder der Eigensinn“. Die Erzählung über den preußischen Offizier Hammerstein (1878-1943) und seine Familie ähnele eher einem Drehbuch als einem Roman, kommentiert die „SZ“ und bezieht sich dabei auf die Danksagung Enzensbergers, in der er andeute, seine Geschichte verfilmen zu lassen. In altvertrauter Überheblichkeit kritisiere der Autor die Weimarer Republik, nerve durch sein Sendungsbewusstsein und seine rechthaberische Unbedingtheit, meint der Rezensent, der Historiker Götz Aly. Folglich sei ein Roman entstanden, der den Leser zwischen respektablem Sammlerfleiß und mangelhafter schriftstellerischer Verarbeitung langweile.
Eine Gedenkschrift zugunsten der ersten Oberlandesgerichtspräsidentin Henriette Heinbostel, die 1957 ihr Amt antrat, hätten 21 Juristinnen in „Die OLG-Präsidentin“ veröffentlicht, schreibt die „SZ“. Damit solle der Siegeszug der geschlechtlichen Gleichberechtigung gewürdigt werden. Der festschriftengebildete Jurist wisse jedoch, dass es sich um einen Scherz handle, da es Heinbostel nie wirklich gegeben hätte. Folglich dienten die Beiträge dazu, um beispielhafte Stationen und Schwierigkeiten der kurzen Emanzipationsgeschichte der Juristinnen zu schildern und zu reflektieren, teilt der Rezensent mit. Neben den Anekdoten der Autorinnen stellten sich jedoch auch vielzählige Fragen, bei denen die Antworten jedoch ausblieben. (rei/wag/wip)
Literaturangaben:
ENZENSBERGER, HANS-MAGNUS: Hammerstein oder der Eigensinn. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 376 S., 22,90 €.
HANDKE, PETER: Die morawische Nacht. Erzählung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 561 S., 28 €.
INGOLD,FELIX PHILIPP: Tagesform. Gedichte auf Zeit. Literaturverlag Droschl, Graz 2007. 89 S. 16 €.
GÖRRES-OHDE, KONSTANZE / NÖHRE, MONIKA / PAULSEN, ANNE-JOSÉ (Hrsg.): Die OLG-Präsidentin. Gedenkschrift für Henriette Heinbostel. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2007. 178 S., 29 €.
MONIOUDIS, PERIKLES: Land. Roman. Ammann Verlag, Zürich 2007. 248 S., 19,90 €.
PEHNT, ANNETTE: Mobbing. Roman. Piper Verlag, München 2007. 166 S., 16,90 €.
ROTH, GERHARD: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Klett-Cotta, Stuttgart 2007. 349 S., 24,50 €.
SCHLEEF, EINAR: Tagebuch 1977-1980. Wien, Frankfurt am Main, Westberlin. Herausgegeben von Winfried Menninghaus, Sandra Janssen und Johannes Windrich. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 473 S., 30 €.
Presseschau vom 14. Januar 2008
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