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Anti-Autoritärer Aussteiger

Autor Peter-Paul Zahl wird 65 – Ein Porträt

© Die Berliner Literaturkritik, 12.03.09

 

Von Wolfgang Harms

HAMBURG (BLK) - Er war Passfälscher, hatte Verbindungen zur terroristischen „Bewegung 2. Juni“ und saß wegen einer Schießerei mit Polizisten im Gefängnis. Heute schreibt Peter-Paul Zahl Krimis – und überdies so ziemlich alles, was sich zu Büchern binden lässt. Sein Werk umfasst Essays, Gedichte, Romane, Theaterstücke, in denen er gerne die Abgründe der guten Gesellschaft erkundet und den kleinen Gesetzesbrechern Denkmäler setzt. Aber auch ein Kochbuch und einen Reiseführer seiner Wahlheimat Jamaika hat er verfasst. Am Samstag (14. März) wird Peter-Paul Zahl 65 Jahre alt.

Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Schriftstellern wurde Zahl nie in Uni-Seminaren literarisch sozialisiert. Der in der DDR und im Rheinland aufgewachsene Verleger-Sohn lernte das Druckerhandwerk und floh 1964 vor dem Wehrdienst nach Berlin. Dort schloss er sich der Gruppe 61 an, der auch Günter Wallraff angehörte und die eine schriftstellerische Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt anstrebte.

In der Zeit der Studentenbewegung und der „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO) wurde Zahl Akteur der linken „Gegenöffentlichkeit“, gab die Zeitschrift „Spartacus“ heraus und fälschte Papiere für junge Amerikaner, die sich der Einberufung nach Vietnam entziehen wollten: „Das BKA hat die Druckqualität als Eins A bezeichnet“, rühmte er sich später.

Während der Terroristen-Fahndung geriet Zahl 1972 in eine Polizeikontrolle, wollte fliehen und griff zur Waffe. Zwar will er zur Seite geschossen haben, doch ein Beamter wurde getroffen. „Ich war kein Terrorist“, sagte der Autor 2002 in einem Zeitungsinterview und berief sich auf die von der Polizei geschürte „Hysterie“ jener Jahre. Von den vom Gericht verhängten 15 Jahren Haft rechnete er zwölf als „Polit-Zuschlag“.

Absitzen musste er nur zehn. Hinter Gittern schrieb er den Ganoven-Roman „Die Glücklichen“ und erhielt noch als Häftling den Bremer Förderpreis für Literatur. Als Freigänger begann er ein Regie-Volontariat an der Berliner Schaubühne. Nach seiner Entlassung veröffentlichte er ein Drama über den einsam gescheiterten Hitler-Attentäter Johann Georg Elser.

Auch nach seiner Übersiedelung nach Jamaika im Jahr 1985 inszenierte Zahl an deutschen Bühnen. 1990 löste sein Stück „Die Erpresser“ über die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer 1977 Zahls vorerst letzten Skandal aus. 1994 debütierte Zahl als Krimi-Autor. Kritiker würdigten die auf Jamaika spielenden Storys um den schwarzen Privatdetektiv Aubrey Fraser – die sechste entsteht gerade - als „vorzügliche länderkundliche Einführung in die Insel“.

2002 veröffentlichte er den in Köln spielenden Roman „Der Domraub“. Jeder hege „eine Sympathie für gewaltlose Verbrecher, die Grips und Fantasie benutzen statt Kanonen, die nicht die Armen, sondern die Reichen beklauen“, sagte er in einem Interview: „Im Leben eines jeden Spießbürgers steckt etwas Anarchisches.“ Möglicherweise gilt das auch umgekehrt: Auf seiner Homepage wirbt Zahl für sein zu vermietendes Ferienhaus auf Jamaika - mit sonnigen Strand-und-Palmen-Fotos wie aus dem Reisebüro-Katalog.

2006 kam Zahl nochmals zu einer Lesereise nach Deutschland, nachdem er sich seine deutsche Staatsbürgerschaft zurückerstritten hatte. Dass ihm 2002 die Verlängerung seines Passes verweigert worden war, lastet er dem früheren grünen Außenminister Joschka Fischer an: „Ich bin nicht so ein Wendehals wie er. Ich bin noch der alte Antiautoritäre“, sagte Zahl der Deutschen Presse-Agentur dpa. Deswegen gefalle es ihm auf Jamaika, wo man Steuererhöhungen mit Massendemonstrationen abzuwehren pflege und trotz verheerender Wirbelstürme nicht so depressiv sei wie im abgesicherten Deutschland: „Und außerdem ist die Musik hier klasse.“


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