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Architektur und Kunst

Zwei Bände läuten eine neue Reihe des bewährten Parthas-Bildlexikons ein

© Die Berliner Literaturkritik, 06.09.10

Von Klaus Hammer

Zwei Bände läuten eine neue Reihe des bewährten Parthas-Bildlexikons ein: Architektur und Kunst. Weitere Bände werden sein: Künstlergruppen und Bewegungen, Malerei, Bildhauerei, Möbel und Antiquitäten, Teppiche und Stoffe, Fotografie.

Gemeinhin wird Architektur unter stilistischen und historischen Aspekten betrachtet. Die italienische Autorin Francesca Prina schlägt in ihrem Bildlexikon Architektur einen anderen Weg ein; Architektur wird als Komposition verschiedener lesbarer Teile verstanden, und so sind die Bauteile der Architektur durch die verschiedenen Epochen der Baugeschichte hindurch zu einem „Gesamtbauwerk“, zu einer „Gebäudesyntax“ zusammengesetzt worden: Mauer, Säule, Kapitell, Gebälk, Pfeiler, Pilaster und Lisene, Strebewerk, Bogen, Dach, Gewölbe, Kuppel, Fassade, Säulenhalle, Tür und Tor, Fenster, Treppe/Rampe/Aufzug. Unter dem Begriff Mauer werden ein Stück Mauerwerk in der Inka-Stadt Machu Picchu (Peru, Ende des 16. Jh.s), der Domus Augustana, der Wohntrakt des Palastes von Kaiser Domitian auf dem Palatin in Rom (92 n. Chr.), Fachwerkhäuser in Colmar (Elsass), das Seagram Building Mies van der Rohes in New York (1956), die Neue Staatsgalerie von Stirling und Wilford in Stuttgart (1977-83) und die Chinesische Mauer (3. Jh. v. Chr.) vorgestellt. Was haben die grob behauenen Steinblöcke in Machu Picchu, das Ziegelmauerwerk aus Läuferverbänden im Domitian-Palast, das Fachwerk – eine Bautechnik, bei der ein tragendes Gerüst aus Holz mit Ausfachungen aus einem Lehm-Stroh-Gemisch oder Ziegelmauerwerk ausgefüllt wird – mit den schimmernden Bronze- und Marmorelementen des Seagram Building, in dem die Bautechnik der vorgehängten Fassade zur Anwendung kommt, mit den wie zu einer Collage zusammengefügten Naturstein-Materialien der Neuen Stuttgarter Staatsgalerie, die jede Dekoration überflüssig macht, oder dem aus Ziegelsteinblöcken errichteten Kolossalwerk der Chinesischen Mauer zu tun, in welcher Verbindung stehen sie zueinander? Die unterschiedlichen Materialien und Bautechniken können es nicht sein, dann hätte man die Bauwerke historisch ordnen und als Spiegelbild der jeweiligen Kultur interpretieren können. Aber Fachwerk war ja schon eine antike Bautechnik und nicht erst eine des 15. Jahrhunderts. Ungebrannte Ziegel kannten schon die Sumerer 4000 v. Chr., von den Ägyptern wurden schon um 3000 v. Chr. schichtbare Steinblöcke verwandt. Als stoffgebundene Konstruktion bleibt die Architektur natürlich von der Technik unablösbar. Aber die entwickelten Formen gründen sich nicht nur auf die Materialien und ihre Techniken, sondern auch auf die Kenntnis mathematischer Körper (Würfel, Pyramide, Halbkugel u.a.) und Verhältnisse (Maßzahlen, Goldener Schnitt, gleichseitiges Dreieck). Der italienische Kunsttheoretiker Leon Battista Alberti hat Maß und Zahl für das Grundelement der Architektur schlechthin gehalten. Dabei soll gar nicht bestritten werden, dass es höchst reizvoll ist, Architekturbauteile miteinander in Beziehung zu setzen, aber warum wird zwischen den Jahrhunderten hin und her gesprungen, warum wird dabei das Prinzip historischer Abfolge völlig außer Acht gelassen?

Doch man muss der Gerechtigkeit halber dann auch wieder eingestehen, dass durchaus auch auf stilistische Verwandtschaften aufmerksam gemacht werden, die etwa zwischen der auf Eisenstützen errichteten Pariser Markthalle von 1863-72 und dem Terminal 4 des Flughafens Madrid-Barajas von 2005, den japanischen Pagodendächern und dem Flachdach der Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli in Turin (2002), der Kuppel des Taj Mahal in Agra (Indien) und der des Royal Pavillon in Brighton (1815-23) bestehen.

Zudem wird dieser zentrale Teil des Bildlexikons Architektur – er trägt den Titel „Stabilität und Form“ – flankiert von weiteren Kapiteln wie „Die Werkzeuge des Architekten“ (hier werden die verschiedenen Aufgabengebiete des Architekten vorgestellt: die darstellende Geometrie, Grundriss und Lageplan, Aufriss und Schnitt, Architekturzeichnung.  Entwurf, Modell, Rendering, Architekt und Bauingenieur , Architekturtheorie, auch die Bauhütte hätte hier mit einbezogen werden müssen),  „Materialien und Techniken“ (Holz, Stein, Lehm, Backstein, Beton, Stahlbeton, Eisen und Metalllegierungen, Glas, Technopolymer, Naturelemente), „Architektur und Dekoration“ (Gebäudestruktur, Polychromie der Materialien, Wandmalerei, Skulptur, Mosaik, Keramik, Holzkunst, Metallkunst) und „Meisterwerke im Vergleich“  (Bauten, die als archetypisch für die Architekturgeschichte angesehen werden können, vom klassischen Griechenland, der Wiege der westlichen Kultur, bis zu einigen – wahllosen – Beispielen aus dem Nahen und Fernen Osten, vom Parthenon in Athen, der Villa Adriana in Tivoli, der Hagia Sophia in Istanbul, der Kathedrale Notre-Dame in Paris, dem Palazzo Te in Mantua, dem Petersdom in Rom, dem Oberen Belvedere in Wien, der Cumberland Terrace in London, dem Grand Palais in Paris, dem Bauhaus Dessau, dem Centre Pompidou in Paris und dem Guggenheim Museum in Bilbao bis zur Schah-Moschee in Isfahan (Iran), dem Tempel Angkor Vat in Angkor (Kambodscha), der Verbotenen Stadt in Peking und der Kaiserlichen Katsura-Villa in Kyoto).

Theoretisches Wissen über Stile und ihre Epochen steht hier nicht so sehr im Vordergrund. Man wird aber auch nicht erwarten können, dass hier die wichtigsten Architekten bzw. architektonischen Szenen einzelner Kulturkreise geschweige denn einzelner Länder vorgestellt sowie die einflussreichsten Stilrichtungen, Bewegungen und Tendenzen beleuchtet werden, so dass sich das Bild über die großen Einzelleistungen hinaus zu einer breiten Gesamtschau rundet. Doch  in wesentliche Zusammenhänge vermag  das Lexikon den interessierten Laien einzuführen und auch der Fachmann findet hier genug Auskünfte zum Nachschlagen. Über das Personen- und Ortsverzeichnis allein lässt sich allerdings nicht alles erschließen, was hier in Text und Bild ausgebreitet worden ist. Dabei lädt gerade das reiche Bildmaterial immer wieder zum Blättern, zum Schauen und Lesen ein.

Viel handhabbarer erweist sich das von der italienischen Kunsthistorikerin Daniela Tarabra erarbeitete Bildlexikon Kunst, das eine Stilgeschichte der bildenden Kunst von der Romanik des frühen Mittelalters bis zum Jugendstil und dem Beginn der Moderne um 1900 bietet. Anstelle des weitaus heterogeneren und komplexeren Bildes der Architektur, die ja immer in der Doppelbedeutung von Bauwesen und Baukunst zu verstehen ist und die das menschliche Leben mit Hilfe der Großformen bildenden Körper und Räume entscheidend mitbestimmt, kann sich die lexikalische Erfassung der bildenden Kunst ganz auf Stile und Epochen konzentrieren: das Mittelalter (Romanik, Sizilianische Romanik, Zisterzienser, Gotik, Trecento, Rayonnantstil, Höfischer Stil, Internationale Gotik, Decorated Style, Flamboyantstil, Altniederländische Malerei, Italienischer Humanismus, Perspektivische Malerei, Florentinische Renaissance, Mudejarstil, Platereskenstil, Manuelinik), Renaissance und Barock (Renaissance, Nordeuropäischer Humanismus, Leonardo da Vinci und seine Schule, Tonale Malerei, Monumentalstil, italianisierender Stil, Manierismus, nordeuropäischer Manierismus, Schule von Fontainebleau, Tudorstil, Naturalismus der Renaissance, Caravaggismus, Barock, Kolonialbarock, klassizistischer Barock, Realismus des 17. Jahrhunderts, Bambocciaden, barocke Andachtsmalerei, Vanitas-Stilleben, Illusionsmalerei, Louis-quatorze, Churriguerismus), Zeitalter der Aufklärung (Régence, Rokoko, Fetes falantes, Chinoiserie, Quadraturmalerei, Vedutenmalerei, Grand Tour, Picuresque Style, Ästhetik des Erhabenen, Chippendale-Stil, Klassizismus) und 19. Jahrhundert (Directoire, Empire, Retour d’Egypte, Romantik, Akademismus, Biedermeier, Nazarener, Präraffaeliten, Macchiaioli, Orientalismus, Japonismus, Realismus, Neugotik, Historismus, Impressionismus, Pointillismus, Divisionismus, Ästhetizismus, Symbolismus, Arts and Crafts Movement, Jugendstil, Sezessionsstil, Modernisme Català, Liberty-Stil).

Da das Lexikon um 1900 abschließt, kann es sich auf die traditionelle Einteilung beziehen, die das „Bilden“ nur als Erschaffen von „Bildern“ auffasst. Die traditionellen Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks wie Malerei und Plastik  – allerdings nicht die Grafik (Handzeichnung, Druckgrafik) –  werden erfasst und noch nicht die neuen Möglichkeiten einer auf die Wiedergewinnung des „Gesamtkunstwerkes“ bedachten Auffassung im 20. Jahrhundert, die „Bilden“ als jedwedes künstlerisches „Formen“ materieller Objekte nimmt. Ein Stichwortverzeichnis sowie ein Künstler- und Werkverzeichnis ermöglichen einen unkomplizierten Umgang mit dieser Stilkunde der europäischen Malerei und Plastik. Vielleicht hätte man sich – und das gilt für beide Lexika – viel mehr Bildbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum gewünscht, aber es handelt sich ja hier um eine italienische Originalausgabe, die – übrigens hervorragend – ins Deutsche übersetzt und vom Parthas Verlag redigiert wurde.

Ebenso brauchbar wie anregend sind diese Bildlexika – Verständnis- und Urteilshilfen für jedermann.

Literaturangaben:

PRINA, FRANCESCA: Parthas-Bildlexikon Band 1 – Architektur. Elemente, Formen, Materialien. Parthas Verlag, Berlin 2010. 381 S., 24,80 €.

TARABRA, DANIELA: Parthas-Bildlexikon Band 2 – Kunst. Stile und Epochen von der Romanik bis zum Jugendstil. Parthas Verlag, Berlin 2010. 383 S., 24,80 €.  

Weblink:

Parthas Verlag

 



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