Von Thomas Maier
FRANKFURT/MAIN (BLK) - Einen ganzen Tag lang hat die Jury gestritten: Am Ende hat sie für die Shortlist zum Deutschen Buchpreis sechs Neuerscheinungen nominiert, unter denen auch einige weniger bekannte Autoren sind. Die namhafteste ist Herta Müller mit „Atemschaukel“. Auch wegen der überschwänglichen Kritiken für ihren Roman in den vergangenen Monaten muss sie als Favoritin für die Preisverleihung am 12. Oktober gelten. Die aus dem Banat stammende Müller erzählt das Schicksal eines Mannes, der wie alle jungen Rumänien-Deutschen unter Stalin nach dem Zweiten Weltkrieg in ein sowjetisches Arbeitslager deportiert wurde.
Allerdings hat die Jury bei der Bekanntgabe des Preises, der sich in nur vier Jahren zur literarischen Auszeichnung mit der größten Resonanz in Deutschland entwickelte, immer wieder für Überraschungen gesorgt. Neben Müller können sich also auch die ebenfalls nominierten Rainer Merkel („Lichtjahre entfernt“), Norbert Scheuer („Überm Rauschen“), Kathrin Schmidt („Du stirbst nicht“), Clemens J. Setz („Die Frequenzen“) und Stephan Thome („Grenzgang“) berechtigte Hoffnungen machen.
Dieses Jahr scheint die Bandbreite besonders groß - die Finalisten entziehen sich den üblichen Genres. Merkels Roman handelt von einem Therapeuten, der in der New Yorker U-Bahn ein Resümee seines (Liebes)-Lebens zieht. Katrin Schmidt macht den Orientierungs- und Sprachverlust nach einer Hirnverletzung erfahrbar und zeigt den Weg der Genesung. Scheuer widmet sich in seinem Buch dem beschaulichen Leben in der Eifel. Thomes Roman kreist um ein Volksfest in Hessen - er hat es als einziger Debütant in die Endausscheidung geschafft.
Bekanntere Autoren wie Brigitte Kronauer oder der Schweizer Peter Stamm, die noch auf der 20 Titel umfassenden Longlist standen, haben es nicht ins Finale geschafft. Andere Etablierte wie Wilhelm Genazino, Ralf Rothmann oder Sybille Lewitscharoff, die in diesem Jahr alle vielbeachtete Romane vorlegten, waren nicht einmal in der im August vorgelegten Longlist berücksichtigt worden.
Das muss kein Makel sein, da der am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verliehene Preis gerade auch jüngeren Autoren einen entscheidenden Schub geben will. „Die Jury hat hochkarätige Werke ausgewählt“, lobte der (nicht in der Jury vertretene) Literaturkritiker Wolfgang Schneider bereits die Longlist. „Bloße ‚Unterhaltungsromane’ sind dieses Mal, anders als in manchen Vorjahren, nicht als Beifang ins Netz gegangen.“
Die deutschsprachige Literatur verfüge „über eine bestechende Bandbreite“, erklärte der Juryvorsitzende, der Literaturkritiker Hubert Winkels, am Mittwoch (16.9.). Alle deutschsprachigen Verlage konnten je zwei Romane aus ihrem aktuellen Programm einreichen. Insgesamt hat die siebenköpfige Jury 154 Titel gesichtet, die seit Oktober vergangenen Jahres erschienen sind.
Die mit Kritikern besetzte Jury wird alljährlich von der Akademie Deutscher Buchpreis neu gewählt. Dotiert ist der von der Buchbranche vergebene Preis mit insgesamt 37 500, von denen der Sieger 25 000 Euro erhält. Doch viel entscheidender ist der Verkaufserfolg, der bisher jedem Preisträger der vergangenen Jahre beschieden war. Auch die Bücher der übrigen Finalisten verkaufen sich in der Regel nicht schlecht.
2008 ging die Auszeichnung an Uwe Tellkamp für seinen Roman „Der Turm“. Preisträger der Vorjahre waren Julia Franck („Die Mittagsfrau“), Katharina Hacker („Die Habenichtse“) und Arno Geiger („Es geht uns gut“).
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