Von Thomas Maier
FRANKFURT AM MAIN (BLK) - Schon seit ein paar Jahren rühmt die Frankfurter Buchmesse sich gerne als Handelsplatz für alles, was übers klassische Lesen hinausgeht. Also vom Hörbuch über das Film-Drehbuch bis zu Computerspielen oder Buch-Anwendungen fürs Handy.
Der Anspruch entspricht jedoch nicht der Wirklichkeit - die weltgrößte Bücherschau wird immer noch eindeutig vom gedruckten Buch beherrscht. Die 62. Buchmesse will sich nun vom 6. bis 10. Oktober noch mehr dem rasanten technischen Wandel öffnen. Erstmals sollen die Anbieter von elektronischen Lesegeräten mit den „Kreativen“ aus Verlagen, Spiele- und Musikindustrie zusammengebracht werden.
Bei den „Frankfurt Sparks“ - so heißt die Initiative - soll der „Funke“ zwischen traditioneller und digitaler Lesewelt nun endlich überspringen. Für das Zusammentreffen dieser Bereiche, bei dem es vor allem auch um neue Geschäftsmodelle geht, hat die Bücherschau in den Hallen mit ihren 170.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche zentrale Standorte eingerichtet - neudeutsch „Hot Spots“ genannt. „Die Geschichte des Erzählens verändert sich“, sagt Buchmessen-Chef Juergen Boos und führt als Beispiel den Blockbuster „Avatar“ an, der auf dem Markt zeitgleich mit Buch und Spiel begleitet wurde.
Buchmarkt wankt
Neue Ideen sind gefragt, denn der traditionelle Buchmarkt gerät ins Wanken. Nicht so sehr in Deutschland, wo das Geschäft mit elektronischen Büchern noch weniger als ein Prozent ausmacht, als in Übersee mit den USA an der Spitze und auch Asien. So schrumpfte im vergangenen Jahr in Frankfurt die Präsenz der Aussteller aus den USA, wo die Verlagsindustrie die größte Krise ihrer Geschichte durchmacht. In diesem Jahr bleibt die Zahl der US-Anbieter, die für den weltgrößten Handelsplatz für Buchlizenzen sehr wichtig sind, immerhin stabil bei knapp 600.
Insgesamt bleibt bei die Zahl der 7000 Aussteller aus 110 Ländern unter dem Niveau des Jahres (7300). Vor allem in Osteuropa schlägt die Wirtschaftskrise auf die Verlage durch.
Und es gibt noch ein anderes Krisenzeichen: Die Zahl der ausgestellten Bücher sowie der anderen Produkte reduziert sich um fast ein Viertel auf 310.000. Viele Verlage - auch in Deutschland - haben ihre Neuerscheinungen in der Krise drastisch zusammengestrichen.
Als Genugtuung bleibt den Organisatoren, dass das Zentrum für den internationalen Lizenzhandel in diesem Jahr nochmals wächst. 515 Literaturagenten aus aller Welt feilschen dort ungestört an kleinen Tischchen um Buchrechte.
Der Messebesucher wird davon wohl wenig mitkriegen. Aber das Interesse des Lesepublikums, das am Wochenende wieder zugelassen wird, gilt vor allem auch den rund 1000 Autoren, die sich auf TV-Bühnen oder Verlagsständen der Öffentlichkeit präsentieren.
Mit Jonathan Franzen hat die Messe dieses Jahr einen glanzvollen Namen als Zugpferd. Der gerade auf den Markt gekommene neue Roman des Schriftstellers („Freiheit“) steht sowohl in den USA als auch in Deutschland ganz oben auf den Bestsellerlisten - und wird auch von Kritikern hoch gelobt. Hinzukommt, dass Franzen ein großer Kenner der deutschen Literatur ist und selbst ins Englische übersetzt.
Die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt wird ihr neues Buch über ihre sechsjährige Guerilla-Geiselhaft auf der Messe vorstellen. Von deutscher Seite ist wieder Günter Grass dabei, der „Grimms Wörter“ als dritten Teil seiner Autobiografie vorstellt. Neben Autoren wie Frank Schätzing, Richard David Precht oder Martin Mosebach haben sich auch Thilo Sarrazin und Peer Steinbrück angesagt - und Film-Prominente wie Til Schweiger und Maximilian Schell.
Der diesjährige Buchmessen-Gast Argentinien schickt mehr als 60 meist jüngere Schriftsteller nach Frankfurt. Der Ehrengast aus Südamerika kann auf eine große Tradition verweisen mit weltbekannten Autoren wie Jorge Luis Borges oder Julio Cortázar. Und er gilt als unkompliziert und offen - ganz anders als der umstrittene Ehrengast China im vergangenen Jahr.
Gastland Argentinien: Vergangenheitsbewältigung
Im Gegensatz zu den Chinesen, die jegliche politische Diskussionen vermeiden wollten und damit Eklats provozierten, hat Argentinien sich Vergangenheitsbewältigung vorgenommen. Bei einem Großteil der Neuerscheinungen geht es vor allem um die Aufarbeitung der blutigen Militärdiktatur (1976-1983). Rund 200 argentinische Bücher - mehr als bei jedem Gastland zuvor - erscheinen zur Messe auf Deutsch.
Zum Abschluss der Messe rückt der israelische Schriftsteller David Grossmann in den Blickpunkt, der den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Die Rede des hoch angesehenen Autors, der sich politisch in seiner Heimat für die Aussöhnung mit den Palästinensern engagiert, dürfte in der Paulskirche einiges erwarten lassen.
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