Von Susanna Gilbert Sättele
Für ihren Erstling „In weiter Ferne die Hunde“ wurde die heute 48-jährige Kanadierin Gil Adamson unter anderem mit dem Canada First Novel Award ausgezeichnet und von der englischsprachigen Presse begeistert gefeiert. Der Roman schildert, wie die blutjunge Mary Boulton, die ihren Mann John erschoss, vor der Rache der beiden Brüder des Ermordeten vom Nordwesten Amerikas in die Wildnis Kanadas flieht – eine Gegend, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in dem der Roman spielt, noch etwas wilder war als heute.
Kopflos stürzt sie sich in diese Flucht, ohne Mittel und ohne Wissen, wie sie in freier Natur überleben kann. Aber sie erfährt Hilfe: Eine reiche Frau erbarmt sich ihrer, bietet ihr Schutz, ohne Fragen zu stellen. Dennoch muss Mary weiter, als die Nachricht von ihrem Verbrechen bekannt wird und die beiden Brüder ihre Spur aufgenommen haben. In der Kälte und Unwegsamkeit der kanadischen Berge wird sie von William gefunden, einem Einzelgänger und Gratläufer, der sie vor dem Kälte- und Hungertod rettet. Die beiden „Outlander“, so der Originaltitel, bleiben zusammen und werden ein Paar. Doch eines Tages ist William verschwunden, weil ihm die Nähe zu Mary zu groß wurde. Ein Crow-Indianer und dessen Frau bringen sie schließlich in die öde Bergarbeiterstadt Frank, in die Obhut von Reverend Bonnycastle.
Bei diesem raubeinigen Prediger, der seine „Schäfchen“ nicht nur in frommen Psalmen, sondern auch im Boxkampf unterweist, kommt sie zur Ruhe. Während sie ihm den Haushalt führt, wähnt sie sich unter den Männern in relativer Sicherheit. Aber dann zerstört ein Erdrutsch die Stadt. Mary überlebt, wird aber durch ein zufällig von ihr in der Zeitung erscheinendes Foto von den Zwillingsbrüdern entdeckt und gestellt. Vor ihrer Überstellung an das Gericht kann sie abermals fliehen und trifft William, ihren Gratläufer, wieder.
Vor der Kulisse einer prachtvollen Landschaft entwickelt Adamson ihre packende, erstaunliche Geschichte und authentisch wirkende Charaktere. Die Autorin ist immer ganz nah bei ihrer Heldin, schildert in Rückblenden und Tagträumen Marys deren trostloses bisheriges Leben: Aufgewachsen im behüteten Haushalt eines anglikanischen Predigers, der den frühen Tod seiner Frau nicht verwinden kann und sich kaum um die Tochter kümmert, hofft sie auf Liebe und Wärme durch die Heirat mit John, der sich als Geschäftsmann und Landbesitzer ausgibt.
Aber er ist ein Niemand, der ihr eine armselige Blockhütte als Heim anbietet, sie wochenlang alleine lässt und unzählige Affären hat. Als er sie bei ihrer Niederkunft mit ihrem schwachen und kaum lebensfähigen Kind wieder alleine lässt und sie hilflos den Tod ihres Kindes erleben muss, schießt sie ihn bei seiner Heimkehr nieder. Auch wenn Adamson ihre Heldin apathisch zusehen lässt, wie der Verletzte langsam verblutet, gelingt es ihr, die Sympathien der Leser auf diese vom Schicksal gebeutelte Frau zu konzentrieren.
Literaturangabe:
ADAMSON, GIL: In weiter Ferne die Hunde. Übersetzt aus dem Englischen von Maria Andreas. Bertelsmann Verlag, München 2009. 400 S., 19,95 €.
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