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Auf literarischer Wanderschaft

„Der Malerweg in der Sächsischen Schweiz“ als Hörbuch

Von: MIRCO DREWES - © Die Berliner Literaturkritik, 17.07.09

In der Krise, heißt es, wächst das Rettende auch. Angesichts realer Existenzängste in Zeichen des viel beschworenen Finanzkollapses mag diese Weisheit zunächst zynisch klingen, doch ein klarer Blick auf die Basis und Wurzeln des Treibens oder Getriebenwerden im Gesellschaftsspiel kann heilsam sein und soll sich mitunter hier und da auch einstellen. Zumindest besinnt sich mancher bedroht Wähnende auf das, was man hat, in aller Bescheidenheit. So ist auch aus der Tourismusbranche in letzter Zeit immer wieder von einer Tendenz zum günstigen Urlaub in heimatlichen Gefilden zu hören statt des teuren Pauschalurlaubs in den üblich verdächtigen Regionen. Warum in die Ferne schweifen, wo das Gute doch so nah, möchte man dem Volksmund folgen, doch das Sprichwörtliche soll an dieser Stelle nicht überstrapaziert werden.

Obiges Motto könnte das Programm des Berliner Hörbuchverlags Unterlauf & Zschiedrich überschreiben. Der bereits 1996, als die Hörbuchbranche noch in den Kinderschuhen steckte, gegründete Hauptstadtvertreter hat sich der regionalen Kultur und Schönheit deutscher Landschaften und Provinzen verschrieben. Präsentiert wird unter diesem Programm kein weichgespülter und anheimelnder Heimatkitsch, sondern eine sorgfältig recherchierte Einladung zur Entdeckung von Natur- und Kulturgeschichte vor der eigenen Haustür. In der Publikations-Reihe deutsche Wanderwege ist „Der Malerweg“ erschienen, der eine 2007 wiederbelebte und im gleichen Jahr zur schönsten Wanderroute Deutschlands gekürte Strecke mit über zweihundertjähriger Tradition durch die Sächsische Schweiz bezeichnet. Grimme-Preisträger Gunter Schoß, bekannt aus der Fernsehkrimireihe „Tatort“, führt den Hörer mit ruhiger und tiefer Stimme durch die Hörwanderung, unterstützt von Schauspieler Axel Wandtke.

Die beiden Sprecher Schoß und Wandtke ergänzen sich in dieser Produktion sehr gelungen, da deren Stimmlagen und Temperamente sehr gelungen auf die ihnen zugedachten Rollen abgestimmt sind. Gunter Schoß spielt gewissermaßen den Reiseleiter und imaginiert mit warmer Stimme und routiniertem Vortrag die Stationen der Wanderung. Sukzessiv wird der „Malerweg“, der seinen Namen den vielen berühmten Malern, darunter Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Adrian Ludwig Richter oder Karl Blechen, verdankt, die er zu Naturstudien inspirierte, vor das innere Auge geführt. Die Naturschönheit wird in detaillierten und anschaulichen Beschreibungen lebendig, die Geschichte und Kultur einzelner Stationen und der Region um den Liebethaler Grund wird vorgestellt. Sozialhistorische Zusammenhänge, Kulturgeschichte und regionale Anekdoten und Sagen werden im Vortrag zu einem Netz verwoben, das den Hörer trägt und dabei abwechslungsreich unterrichtet. Wenn die Beschreibungen aus den historischen Tiefen in die Gegenwart auftauchen, stellt sich stellenweise unterschwelliger und kulturpessimistischer Humor ein, zu Recht darf leicht mit dem Kopf geschüttelt und geschmunzelt werden.

Axel Wandtke leiht seine frische und schwärmerisch eingesetzte Stimme den Zitaten der Reisebeschreibungen der jungen Künstler aus den vergangenen Jahrhunderten. Nicht nur Maler, auch Erzähler und Romanciers wie Hans Christian Andersen oder der literarisch und naturkundlich beschlagene Pastor Wilhelm Leberecht Götzinger hielten ihre Beobachtungen und Impressionen der Sächsischen Schweiz fest. Den jeweiligen Impressionen ist die Profession ihres Verfassers eindrücklich anzumerken: In den Beschreibungen Caspar David Friedrichs wird das Farbspektrum und die visuelle Anordnung des Naturphänomens derart plastisch lebendig, dass dessen geschilderte Notwendigkeit zum Pinsel zu greifen nachvollzogen wird, Hans Christian Andersen lässt die poetische Inspiration durch die schroffe Natur und ihre Ästhetik anklingen und Pfarrer Götzinger erinnert in seinen Schilderungen an die moralische Essenz der humanistisch betrachteten Welt. Wandtke gelingt es, von zurückhaltender und daher effektiver musikalischer Untermalung unterstützt, die emotionale Anteilnahme der Künstler zu vergegenwärtigen. Die Klänge der Opern Richard Wagners, im Liebethaler Grund befindet sich das größte erhaltene Wagner-Denkmal, und aus dem „Freischütz“ von Carl Maria von Weber werden hintergründig und im Volumen eingeschränkt eingesetzt und untermalen so die epische Qualität des Naturphänomens ohne den Text zu erdrücken.

Insgesamt ist „Der Malerweg“ eine sehr gelungene Produktion und eine wohltuende Abwechslung zu dem Gros rein auf Unterhaltung abzielender Hörbücher. Diese literarische Wanderung stellt einen angenehmen Anachronismus dar, den man sich gern gefallen lässt. Gut aufgelegte und ausgewählte Sprecher nehmen den Hörer auf eine lehrreiche und interessante Wanderschaft mit. Dank des sauber und umfänglich recherchierten Skriptes und der ästhetischen Güte der prominenten Reisebeschreibungen aus der Literaturgeschichte erreicht das Hörbuch einen kulturellen Mehrwert, der eine reine Reiseeinstimmung deutlich übersteigt und ihm einen autonomen Stellenwert verleiht. Lust, die Gegend selbst mit dem Rucksack zu erkunden, stellt sich trotzdem ein.

Literaturangabe:

ZSCHIEDRICH, GERDA (Hrsg.): Der Malerweg in der Sächsischen Schweiz. Gelesen von Gunter Schoß und Axel Wandtke. Unterlauf & Zschiedrich Hörbuchverlag, Berlin 2008. 79:03 min., 12,99 €.

Weblink:

Unterlauf & Zschiedrich Hörbuchverlag

Mirco Drewes arbeitet als Redakteur und Lektor in Berlin. Er schreibt als freier Kritiker für dieses Literaturmagazin


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