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Aufgeprenzelt

Noch mehr Marken, noch mehr schön, schöner, Schönhauser

© Die Berliner Literaturkritik, 13.10.09

Von Frank Sorge, Berlin

Die Schönhauser Allee Arcaden werben im Radio mit der Neuschöpfung „aufgeprenzelt“ – „Oh, guck mal – die haben die Arcaden richtig aufgeprenzelt!“ Noch mehr Marken, noch mehr schön, schöner, Schönhauser. Ach jeh. Vor allem die Prenzlberger muss die Werbung ärgern, denn wenn irgendwas prenzlbergig ist, dann doch nicht der vergleichsweise junge gläserne Konsumpanzer, der nach der Wende zwischen den sanierten Altbauten steckengeblieben ist. Dann denkt man doch an was anderes, an den Mauerpark womöglich, auch wenn der eher abgeprenzelt als aufgeprenzelt ist, im Vergleich zum Kollwitzplatz. Oder man denkt an den schönen Blumenladen mit dem Papagei, das Choriner Straßenfest oder auch einfach nur an Kaffee im Glas oder einen futuristischen Kinderwagen. Aber doch bitte nicht an den geklonten Kaufklotz.

Und ist den Werbern der unangenehme Beiklang aufgefallen? Aufgeprenzelt wie aufgebrezelt, so richtig schön wie in schönebergisiert klingt das nicht. Genau wie mittig auch nach nuttig klingt oder mindestens langweilig, gemittet halt.

Mit allen Bezirken klappt der Wortdreh auch nicht, wie eine Region verfriedrichshaint ist noch vorstellbar, ein Marzahnisierung oder ein allgemeines vertreptowen kann man sich viel weniger eindeutig vorstellen. Ein allgemeines vertreptowern schon eher.

Schnell twittere ich mein Unbehagen mit dem Spruch aus dem Radio und bin voll auf den Leim gegangen. Denn Werbung will uns nicht verführen, wie uns oft vorgegaukelt wird, sie will uns ärgern und nerven. Wenn Werbung wirklich funktionieren soll, muss sie ärgerlich sein und wie ein Virus, alles außer Tiernahrung und Seitenbacher-Muesli sind die Speerspitze des aktuellen Radio-Marketings, Werbung muss Aggro erzeugen – so scheint es mir, und ich verbreite sie sofort weiter. Voll auf den Leim, armes Schwein. Und jetzt auch noch ein ganzer Text zum Thema.

Aber egal, denke ich, sind doch schon alle völlig total vertegelt um mich herum, generell pankowisiert und verhermsdorft. Aufgeprenzelt, das tut weh im Ohr, weil es außerdem ein weißer Schimmel ist. Denn geprenzelt ist ja schon aufgewertet, also aufgeaufgewertet gleich aufgeprenzelt. Spät nachts logge ich mich noch ins Gesichtsbuch ein, wohin alles Gezwitscherte auch von einem geheimnisvollen kleinen Programm hingetragen wird in diesem wilden Dschungel Internet. Da sehe ich plötzlich, dass total viele digitale Friends dazu schon einen Comment geschrieben oder ein Like geklickt haben, und was es sonst noch so an neumodischem Brauchtum gibt, das kein Mensch jemals wieder irgendwann einmal wird überblicken können. Kurz gesagt schlug jemand dort noch verhellersdorft vor.

Aber was soll man sich denn da vorstellen? Dass Ufos auf der Erde landen?

Mit dem Wedding geht ein solches Wortspiel gar nicht, er kann nur betroffen sein, etwa von Moabitisierung oder er könnte zum Tiergarten zu werden. Oder man schläft allgemein ein in den alten Häusern und geht in den Mariendorf-Modus. Wedding wird man aber nicht, man ist es einfach.

Eine wahre Kommentarflut bricht plötzlich über das kleinbürgerliche „Ach jeh“ hinein, das ich der Prenzlwerbung angehängt habe. Eigentlich wollte ich auch nur kurz gucken und mich denn Lankwitz legen, aber da fällt mir ein, dass da ja auch noch eine Flasche Gesundbrunnen bereitsteht. Mir wird ganz Frohnau ums Herz, als noch eine und noch eine Nachteule in das digitale Gespräch einloggt und die Berliner Stadtteile und Bezirke auf Wortspiele abgrast.

Melde mich irgendwann ab, bin Baumschulenweg und leg mich zur Köllnischen Heide. Die liegt weit hinter den Prenzlauer Bergen, wo die Stadt neuköllnisiert ist und bevor sie schließlich verbritzt und verrudowt.

Denn längst ist die Nacht schon fortgeschritten und die Hunde nur singen über den Dächern ihr einsames Lied.

 

Frank Sorge lebt als Schriftsteller in Berlin. Er tritt regelmäßig auf Lesebühnen auf, z.B. bei den Brauseboys und beim Kantinenlesen. (www.frank-sorge.de)


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