Von Anne Mucha
„Deplatziert“ ist der Titel des Debütromans von Jörn Birkholz und zugleich die Charakterisierung seines namenlosen Protagonisten. In 23 kurzen bis sehr kurzen Kapiteln gibt dieser emotionslos und betont ironisch Anekdoten aus dem Leben eines Langzeitstudenten zum Besten.
Von gescheiterten Beziehungen ist da die Rede, von erbärmlichen Nebenjobs, von einem „Mahnmal der Inkompetenz“, das ursprünglich mal eine Magisterarbeit werden sollte, von mehr oder weniger alltäglichen Begegnungen mit Handwerkern, Gemüsehändlern oder mit der polnischen Verwandtschaft der Ex-Freundin nebst deren Kettensäge.
All diesen Ereignissen tritt der Held mit demonstrativer Gleichgültigkeit und beißendem Zynismus entgegen, was sich bald als hilflose Reaktion auf die von ihm empfundenen sozialen Zwänge, die ihn in eine bürgerliche Existenz zu drängen drohen, entpuppt.
Ohne umsetzbare Alternative und stets auf der Suche nach „Freigeistern und Nonkonformisten“ schwankt er demzufolge ziellos, orientierungslos, illusionslos und mit jener nonchalanten Haltung, die jede Möglichkeit der Integration in die ihm verhassten gesellschaftlichen Strukturen im Keim erstickt, durch ein Labyrinth unbegrenzter und gleichsam diffuser Möglichkeiten. Er fühlt sich zu Höherem berufen, hat aber keine Ahnung, worin diese Berufung liegt. Er hat etwas zu sagen, aber schreibt es nicht auf, weil dieser Tage „jede Hackfresse mit der minimalsten Profilneurose“ Literatur produziert. Stattdessen beschränkt er sich auf gelegentliche Gottfried Benn-Zitate und den höchst mäßigen Abschluss eines Studiums, das ihm selbst sinnlos erscheint.
Der Sarkasmus, der sich durch den Text zieht, ist charakteristisch für den Typus, den der Autor zu beschreiben versucht. Auf der Jagd nach ironischen Effekten schießt er jedoch zuweilen etwas über das Ziel hinaus und überlädt einzelne Passagen so sehr mit Attributen und Hypotaxen, dass es die Lektüre mitunter etwas anstrengend macht. Zumeist aber sitzen die Pointen und passen perfekt in das Bild des 31-jährigen Geschichtsstudenten, der den Großteil seiner Zeit in stiller Kontemplation im Bett oder in der Bar verbringt.
Der Protagonist weiß zu viel, um die allgegenwärtigen gesellschaftlichen Normen passiv zu übernehmen und tut zu wenig, um sich ihnen aktiv zu widersetzen. Insgesamt gelingt Jörn Birkholz ein amüsantes und sehr lesenswertes Porträt einer Generation, die alles haben und - zu ständiger Produktivität verdammt - am Ende nichts mehr ernst nehmen kann.
Literaturangabe:
BIRKHOLZ, JÖRN: Deplatziert. Schardt Verlag, Oldenburg 2009. 173 S., 10 €.
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