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Aus dem Leben eines Taugenichts

Warum Ivo Sachs’ Kurzgeschichtenband „Schimpansen am Abgrund“ nichts taugt

© Die Berliner Literaturkritik, 02.04.09

 

Achtung, Welt: Hier kommt eine Novität, die deine Grundfesten erschüttert. Künstler, ja, Obacht, Künstler sind leidgeprüfte Existenzen. Selten wird ihr Schaffen so gewürdigt, wie es gewürdigt werden sollte, nein: müsste. Und zu allem Übel wird in vielen Fällen nicht einmal die Nachwelt auf das Werk der vielen namenlosen, unermüdlich Schaffenden aufmerksam. Und eben dieses Werk versinkt in der Vergessenheit. Ja, Künstler, diese Gattung Mensch ist besonders schlimm dran. Ich weiß, Welt: Das ist Dir vollkommen neu.

Entdecker ist der Berliner Autor Ivo Sachs mit seinem Kurzgeschichtenband „Schimpansen am Abgrund“. Der ist eigentlich Schauspieler, und auch sein literarisches Alter Ego geht diesem Beruf nach. Oder eher nicht: Denn natürlich entdeckt niemand sein Zweifels ohne vorhandenes Talent und castet ihn für eine Rolle. Und so darbt er in seiner kalten Berliner Wohnung vor sich hin und quält den Leser mit seinem erschreckend belanglosem Leben: Kaffee kochen, selbstgedrehte Zigaretten rauchen und – denn so ist das bei Künstlern – nichts ihm Kühlschrank oder auf dem Konto haben. Wenn Tabak und Kaffee mal alle sind, wird der Flaschenpfand zum Supermarkt getragen und Nachschub geholt. Tatsächlich sehen so die Geschichten in „Schimpansen am Abgrund“ aus: Kippen und Kaffee sind alle, also geht es zum Supermarkt, wo Nachschub gekauft wird. Dann geht es zurück in die Wohnung, wo wieder Kaffee gekocht und geraucht wird. Hin und wieder reicht das Geld dann auch für ein bisschen Gras, das aber wird dann auch einfach nur geraucht. Ivo Sachs hätte auch einfach schreiben können: „Kaffee, Kippe, Kiffen, Kälte. Sonst passiert hier nichts.“ Der Informationsstand beim Leser wäre derselbe gewesen.

Denn daran krankt es in den Geschichten: es wird schlicht nichts erzählt. Selbst als Sachs seinen Protagonisten arbeiten schickt – weil ja irgendwo Geld herkommen muss – und zwei Gäste eine Schlägerei anfangen, schafft Sachs es nicht, den Leser zu packen. Weil er schlicht zu deskriptiv vorgeht. Und wieder kommt beim Leser etwas an, das mit folgenden Worten gut umrissen ist: „Erst passierte das, dann das. Na ja, und dann, nach Feierabend, ging ich nach Hause.“ Der ohne Frage schwierigen wirtschaftlichen Situation eines Künstlers kommt Sachs mit seinen Anekdoten nicht nahe. Denn der Protagonist nimmt sich selbst und seine Lage kaum ernst, und so geht es auch dem Leser. Sachs verkauft dem Leser die Erfahrungen seines Protagonisten als etwas völlig Neues, als etwas Erschütterndes, das es schlicht nicht ist. Sein fast peinliches Haudruff-Gekalauere, das er seinen handlungslosen Texten aufpflanzt, lockert die Schwere der wirtschaftlichen Situation seines Protagonisten nicht ansatzweise auf. Ganz im Gegenteil: Sachs macht es nur noch schlimmer. Und der Welt dreht sich der Magen um.

Von Martin Spieß

Literaturangaben:
SACHS, IVO: Schimpansen am Abgrund: Berichte vom schleichenden Niedergang. Proviant-Buch Verlag, Berlin 2008. 192 S., 4,99 €.

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