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Autorin Ildikó von Kürthy: So viele Botschaften wie Leserinnen

Die Autorin im Interview mit der dpa

© Die Berliner Literaturkritik, 29.09.08

 

HAMBURG (BLK) – Mit „Mondscheintarif“ landete die Hamburger Autorin Ildikó von Kürthy 1999 einen Überraschungserfolg. Es folgten vier weitere Romane über die Sorgen und Liebesnöte moderner junger Frauen, die alle die Bestsellerlisten stürmten. Am 1. Oktober 2008 erscheint der neue Roman «Schwerelos» der heute 40-Jährigen, die mit ihrem Mann und ihrem zweijährigen Sohn in Hamburg lebt. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur spricht die Autorin über Männer und Frauen und warum es manchmal so schwierig ist zusammenzubleiben.

Alle ihre fünf Romane sind Bestseller und haben sich mehr als fünf Millionen Mal verkauft. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Kürthy: „Ich habe kein Rezept, sondern das Glück, dass alles an mir ziemlich normal ist. Ich habe durchschnittliche Probleme, eine durchschnittliche Figur, der drei Kilo weniger nicht schaden würden, und mein Intelligenz-Quotient ist auch nicht einschüchternd hoch. Ich bin so wie die meisten Frauen – mit dem einzigen Unterschied, dass ich über eben diese Normalität lachen und schreiben kann. Meine Leserinnen finden sich wieder in meinen Romanen, fühlen sich aufgehoben, erkannt und liebevoll verspottet.“

In allen Romanen geht es um Frauen Anfang 30 auf der Suche nach sich selbst und nach dem richtigen Mann.

Kürthy: „In ‚Schwerelos’ geht es nicht um die Suche nach dem richtigen, sondern um den Abschied vom falschen Mann. Marie wagt einen neuen Anfang und sie wagt es, sich zu verändern, Vernunft und Pragmatismus über Bord zu werfen und anzufangen, mehr vom Leben zu verlangen. Sie ist 37 und geht neue, unbekannte Wege. Was für ein Mut! Ursprünglich sollte Marie bereits 40 sein...“

Es wäre doch sehr unwahrscheinlich, dass sich eine Frau um die 40, die noch Kinder haben möchte, von ihrem Mann trennt.

Kürthy: „Ich kenne etliche Frauen, und das sind die, die mich wirklich beeindrucken, die sich gegen ein Kind entscheiden. Die bewusst sagen: ich möchte kein Kind, mir fehlt kein Kind, mein Leben ist erfüllt, ich habe einen tollen Job, eine gute Beziehung, warum das alles durcheinanderbringen und beeinträchtigen? Denn das tut es ja. Jedes Kind beeinträchtigt jede Beziehung und jede Karriere. Das ist heutzutage einfach immer noch so. Das finde ich das Allermutigste: sich so bewusst gegen ein Kind zu entscheiden, ohne zu wissen, ob dass die Entscheidung ist, die man irgendwann mal am allermeisten bereuen wird.“

Haben ihre Romane eine Botschaft?

Kürthy: „Ja, so viele Botschaften wie Leserinnen. Eine Frau schrieb mir, dass sie sich, nachdem sie ‚Herzsprung’ gelesen hatte, endlich getraut hat, sich von ihrem fiesen Typen zu trennen. Und nicht nur das: Mein Buch hat sie so ermutigt, dass sie das Kajak von diesem doofen Mann in den Baum gehängt und mit Schweinemist gefüllt hat! Wieder andere Frauen fühlen sich erleichtert, weil sie sich in meinen Büchern wiederfinden und merken, dass sie nicht die einzigen sind, die so neurotisch und seltsam sind. Die hadern mit Liebe, Gewicht und Kinderwunsch und der altmodischen Biologie, die modernen Frauen viel zu früh eine Entscheidung aufzwingt, für oder gegen Kinder. Das kann tröstlich sein, diesen eigenen Lebensthemen in meinen Büchern wiederzubegegnen.“

Warum gibt es so wenig Schriftsteller, die ähnliche Bücher für Männer schreiben?

Kürthy: „Wahrscheinlich stimmt das Klischee, dass Männer sich nicht so sehr um ihre Befindlichkeiten kümmern – es sei denn, sie haben einen Schnupfen, den sie als Lungenentzündung bezeichnen können. Würden sich Männer mehr mit ihrem Innenleben auseinandersetzen, müssten sie Verunsicherungen zulassen, sich infrage stellen, sich verändern, sich neu erfinden. Das erfordert Mut und Anstrengung. Immer mehr Männer sind ja auch dazu bereit. Aber zu viele Männer halten sich immer noch für toller, als sie sind und zu viele Frauen finden sich weniger toll, als sie sind. Wenn da eine Annäherung stattfände, wäre das bestimmt für beide Seiten gut.“

Warum ist es denn so schwer, dass Männer und Frauen heute zueinander finden?

Kürthy: „Es ist ja nicht so schwer, dass sie zueinander finden. Das Problem ist das Zusammenbleiben. Das ist die eigentliche Kunst. Je emanzipierter die Frau, umso schwieriger ist sie als Partnerin. Sie ist unabhängig, sie kann gehen, wann sie will. Zum Glück. Jetzt müssen bloß noch die Männer lernen, wie sie mit diesen modernen Frauen zurechtkommen. Männer haben zu lange zugeschaut, wie sich Frauen emanzipieren und es versäumt, diese Entwicklung mitzumachen, sich selbst auch zu emanzipieren und zu modernisieren. Das wird allmählich passieren. Beziehungen werden sich verändern, hoffentlich auch wieder stabiler werden und wenn ich Glück habe, wird mein Sohn, der heute zwei Jahre alt ist, schon zu den neuen Männern gehören.“

Manche Männer sind ja bereit, sich mehr einzubringen. Aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – Stichwort Elternzeit – sind noch längst nicht diesen neuen Verhältnissen angepasst.

Kürthy: „Das fängt jetzt langsam an. Aber da muss man sich nichts vormachen, das dauert noch – 30 Jahre bestimmt. Bis es egal ist, ob man einen Mann oder eine Frau einstellt, weil beide regelmäßig verschwinden, wenn die Masern ausbrechen in der Kinderkrippe.“

Und was können Sie den Männer als Ratschlag mit auf den Weg geben?

Kürthy: „Wenn ich das wüsste! Ich finde es für Männer sehr schwierig, den modernen Frauen angemessen zu begegnen. Weil diese Frauen viel wollen, vielleicht zu viel, andererseits aber auch selbst unentschlossen und widersprüchlich sind. Einerseits möchten Frauen einen Mann, der ihnen eine starke Schulter bietet, eine Beziehung, in der man sich fallen lassen kann und schwach sein darf. Andererseits wollen Frauen aber auch kein emotionales Weichei, einen Typen, der ständig mitheult, wenn man ein Problem hat. Sie wollen einen, der sich ums Kind kümmert, aber trotzdem beruflich erfolgreich ist und nicht halbtags in der Videothek jobbt. Frauen erwarten das Unmögliche und Männer sind völlig zurecht völlig verunsichert. Aber ich bin sicher, dass das eine ungemütliche Zwischenphase ist. Die ganze Angelegenheit wird sich zurechtruckeln.“

Sie selbst sind seit acht Jahren verheiratet. Haben Sie Tipps für eine gute Beziehung?

Kürthy: „Habe ich nicht. Das finde ich auch vermessen. Jede Beziehung ist anders. Was ich wichtig finde ist, dass man bereit ist, Verantwortung für eine Liebe zu übernehmen, dass man bei der ersten Krise nicht gleich abhaut – dass man aber auch nicht an etwas festhält, was man gehen lassen sollte.“

Sie sind vor zwei Jahren Mutter eines Sohnes geworden. Wie hat sich ihr Leben seit der Geburt verändert?

Kürthy: „Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Es sind ungeahnte Gefühle in mir entstanden – ungeahnte Ängste, ungeahnte Glückseligkeiten. Also die Frage ist zu groß, um sie zu beantworten. Die wäre abendfüllend.“

Wie wichtig war es Ihnen denn, wieder zu arbeiten?

Kürthy: „Die Frage habe ich mir ehrlich gesagt gar nicht gestellt. Es war für mich selbstverständlich, dass ich meinen Beruf nicht aufgebe. Kein Gedanke daran! Im ersten Jahr mit Kind habe ich wenig gearbeitet und mich ganz meinem biologischen Hormon-Glückseligkeitsrausch hingegeben. Dann habe ich angefangen, meinen neuen Roman zu schreiben. Jetzt arbeite ich auch wieder als Journalistin. Ich muss allerdings immer dazu sagen, dass mein Beruf und meine Lebensumstände so sind, dass ich Kind und Beruf gut vereinbaren kann. Ich bin selbstständig, ich habe einen Krippenplatz für meinen Jungen, eine Oma, die mithilft und einen Mann, der leidenschaftlicher Vater ist. Ich möchte nicht wissen, wie Alleinerziehende das hinkriegen – oder die Ärztin, die Krankenschwester, die nicht alles stehen und liegen lassen kann, wenn im Kindergarten eine Virusgrippe ausbricht. Eine ungeheuerliche Leistung ist das.“

Wird es denn auch mal eine Romanheldin mit Kind geben?

Kürthy: „Das habe ich bewusst nicht gemacht. Diesmal war es für mich schön, dass ich der Heldin ein Leben geben konnte, das anders ist als meins. Sie hat die Weichen ja genau anders gestellt als ich und das hat mir Freude gemacht, weil ich es schön fand aus meinem Kinderalltag rauszukommen – zwar nur in einen erfundenen Alltag, aber eben einen, der doch anders ist. So kann ich zwei völlig verschiedene Leben leben. Ist das nicht ein unglaublicher Luxus!?“

(Interview: Carola Große-Wilde, dpa / bah)

Literaturangaben:
VON KÜRTHY, ILDIKO: Schwerelos. Wunderlich Verlag, Reinbek 2008. 256 S., 17,90 €.

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