Von Sandra Trauner
FRANKFURT/MAIN (BLK) - Mit dem Reden über Rechtschreibfehler und Grammatikregeln füllt Bastian Sick große Hallen. Inzwischen gibt es vier Bände seines Bestsellers „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ und drei Bücher mit Fotos kurioser Schreibfehler („Happy Aua“ und „Hier ist Spaß gratiniert“). Von diesem Freitag (11.2.) an kann man Sick auch wieder auf der Bühne erleben: In Trier hat sein neues Programm „Nur aus Jux und Tolleranz“ Premiere. Die Nachrichtenagentur dpa hat vor dem Tourstart mit Bastian Sick gesprochen.
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Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Arbeit Früchte trägt, also dass die Deutschen bewusster mit ihrer Sprache umgehen?
Sick: „Wenn mir Eines gelungen ist, dann die Deutschen für ihre Sprache zu sensibilisieren. Das kann ich an vielen Beispielen feststellen. Ich hatte einen Auftritt in Berlin, da hab ich über unsinnige Ansagen bei der Bahn referiert. Im Anschluss an die Veranstaltung kam eine Dame auf mich zu und sagte, sie arbeite in der Kommission, die diese Ansagen festlege. Ich dachte, jetzt macht die gleich ihr Handtäschchen auf und nimmt so einen Damenrevolver und erschießt mich. Aber das Gegenteil war der Fall! Sie gab mir ihre Visitenkarte und sagte, sie würden gerade die Ansagen überarbeiten auf Basis meiner Kolumne. Seither sagt man bei der Bahn jetzt wieder: ‚Wir bitten um Entschuldigung’ statt ‚Wir bitten um Ihr Verständnis.’ Darauf bin ich richtig stolz.“
Gehen Ihnen dann nicht langsam die Beispiele aus für Ihre Bücher und Shows?
Sick: „Im Gegenteil! Ich bekomme immer mehr Zusendungen – aufgrund der wachsenden Zahl meiner Leser und der steigenden Aufmerksamkeit. Ich bekomme in einem Maße Fundstücke zugeschickt, dass ich es alleine gar nicht mehr bewältigen kann. Ich habe inzwischen drei Mitarbeiter angestellt, die diese Fundstücke sortieren.“
Sprache verändert sich; vieles, was heute falsch ist, steht morgen im Duden. Kämpfen Sie gegen Windmühlen?
Sick: „Die Sprache verändert nicht sich, sondern wir verändern die Sprache. Die Sprache ist das wunderbarste Spiegelbild für eine demokratische Entwicklung: Jeder hat das gleiche Recht, auf die Entwicklung dieser Sprache einzuwirken. Wir haben den Staat dabei ja weitgehend außen vor gehalten - was auch gut ist. Wann immer sich der Staat in die Sprachentwicklung eingemischt hat, kam Müll dabei raus - wie zum Beispiel bei der Rechtschreibreform.“
Welcher weit verbreitete Fehler stört Sie persönlich am meisten?
Sick: „Am meisten stört mich immer mein eigener: der Fehler, den ich gerade im Moment mache, wenn ich mich vertippe oder mich versprochen habe. Ich bin nun mal ein Perfektionist, und mit eigenen Ungenauigkeiten komme ich nicht so gut zurecht. Mich wundert aber, dass diese Frage immer wieder auftaucht, praktisch in jedem Interview. Man sucht ja immer nach dem Superlativ... Aber nein, es gibt keinen allerallerallerschlimmsten Fehler.“
Wann finden Sie Anglizismen akzeptabel und in welchen Fällen sind Sie dafür, deutsche Begriffe zu verwenden?
Sick: „Ein englisches Wort ist mir immer dann willkommen, wenn es eine Lücke füllt, wenn es ein Ding oder ein Phänomen beschreibt, für das es vorher noch kein Wort gab. Cornflakes sind für mich Cornflakes und nicht etwa Maisflocken. Nicht akzeptieren kann ich es, wenn es durchaus deutsche Wörter gibt, man aber nur zu arrogant ist - zu faul vielleicht auch -, sich dieser Wörter zu bedienen.“
Wie erklären Sie sich, dass Sie mit so unbeliebten Themen wie Rechtschreibung und Grammatik einen solchen Erfolg haben?
Sick: „Weil ich zum ersten Mal zeige, dass das Thema gar nicht so unbeliebt sein muss. Es ist ein Thema, das jeden Menschen betrifft, weil wir doch alle mit dieser Sprache leben. Sie ist ein Teil unserer Persönlichkeit, wir benutzen sie, um unsere Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Jeder macht sich Gedanken über die Sprache, denn auch der schlichteste Geist arbeitet mit Worten.“
Kritiker werfen Ihnen vor, Sie machten sich lustig über Menschen mit geringer Bildung. Was entgegnen Sie denen?
Sick: „Ich führe nicht Menschen vor oder Berufsgruppen, sondern ich führe Fehler vor. Und mir ist egal, wer diesen Fehler verursacht hat. Die meisten meiner Quellen sind Zeitungen. Und Journalisten sind ja keine Migranten mit bildungsschwachem Hintergrund, oder würden Sie das so sagen? Nein.“
Welchen Beruf hätten Sie gern ergriffen, wenn Sie nicht Journalist und Sprachkritiker geworden wären?
Sick: „Ich habe den schönsten Beruf der Welt, denn ich kann alles machen, was ich mein Leben lang tun wollte: Ich kann schreiben – ich habe immer gern geschrieben - , ich kann auf die Bühne - ich wollte als Kind Schauspieler werden -, und ich kann sogar singen auf der Bühne - ich bin immer ein leidenschaftlicher Sänger gewesen. Und dank der Einnahmen aus all diesem kann ich anderen Menschen Arbeit geben und meine Familie versorgen. Das ist wunderbar.“
Haben Sie eigentlich noch Spaß am Lesen - oder müssen Sie da auch immer nach Fehlern suchen?
Sick: „Ich habe immer Spaß am Lesen gehabt und ich habe nie den Rotstift dabei gehabt - es sei denn, ich wurde dafür bezahlt. Das war ja auch mal mein Job: Ich habe viele Jahre als Schlussredakteur und Korrekturleser gearbeitet und dabei häufige Fehler in Rundmails aufgespießt. Eines Tages sagte mein damaliger Chef zu mir: ‚Wenn wir über Deine Auslassungen zur deutschen Sprache lachen können, dann können das die Leser von "Spiegel Online" doch auch.’ So kam ich zu meiner "Zwiebelfisch"-Kolumne. Und am Ende waren es nicht nur die Leser von "Spiegel Online", sondern über zwei Millionen, die das Buch gekauft haben.