Gail Tsukiyamas Japan-Roman „Die Straße der tausend Blüten“
MÜNCHEN (BLK) – Wie eine Serie von Tuschezeichnungen breitet Gail Tsukiyama ihren Japan-Roman „Die Straße der tausend Blüten“ vor dem Leser aus. Die Überschriften der Kapitel sind plakativ, oft bestehen sie nur aus einem Wort „Siege“ etwa oder „Schutz“. Mit wenigen Worten umreißt sie dann den nächsten Schauplatz so klar und präzise, dass der Leser nicht nur vollkommen im Bilde ist, wo die nächste Szene abläuft, sondern auch sofort von der Stimmung eingefangen wird, in der sich das Drama weiterentwickelt. So gibt es keine Irritation, obwohl Tsukiyama, in San Francisco geborene Tochter einer immigrierten Chinesin und eines Japaners aus Hawaii, von einer Person zur anderen springt. Um Kunst und Kultur geht es, Tradition und menschliche Werte. Im Mittelpunkt stehen die Brüder Hiroshi und Kenji, der eine Sumo-Ringer, der andere Schnitzer von Masken für das No-Theater. Beide ringen um Vollendung auf ihrem ganz eigenen Weg. Die Grausamkeit des Zweiten Weltkrieges scheint alle Träume zu ersticken. Doch selbst in den Wirren der Besatzung nach Krieg und Zerstörung setzen sich wahre Werte mit der selben Beharrlichkeit durch, wie die schlanken Stengel von Maiglöckchen die harte Erde durchdringen
Gudrun Hammers „Trost verschwindet“ als ruhige Anregung
HAMBURG (BLK) – Und plötzlich ist er einfach fort. „Trost verschwindet“ geradezu im neuen und gleichnamigen Buch von Gudrun Hammer. Der Arzt aus einer Kleinstadt lässt Frau und Tochter zurück, die sich nun mit ihren Gefühlen auseinandersetzen müssen. Sie sind wütend, sie sind verzweifelt. Und während ihn seine Frau für tot erklären lässt, macht sich seine Tochter auf die Suche. Trost dagegen versucht, seinen Plan umzusetzen: Er will sich im Rotlichtviertel zu Tode trinken mit dem Geld seiner Kleinfamilie. Viel Erfolg hat er allerdings nicht. Und so zieht er los, die Stadt zu erkunden, besucht verschollene Lieben, bis er sich schließlich sogar mit seiner Tochter treffen will. Hammer hat ein wunderbares Auge für das Detail. Immer wieder vermag sich ein Leser in die Charaktere ihres ruhig erzählten Romans zu versetzen und mit dem Gedanken zu spielen, vielleicht selbst einmal alles hinter sich zu lassen - oder mit den Folgen eines Abschieds leben zu müssen.
Subtil und abgründig erzählt „Ultraviolett“ vom Wanken einer Familie
STUTTGART (BLK) – Ein bisschen erinnert „Ultraviolett“, das neue Buch von Serge Joncour, an einen französischen Film zu später Sendezeit, alles ist subtil und geheimnisvoll. In der Geschichte platzt ein unbekannter junger Mann in das Leben einer glamourösen Familie, die ihre Sommerferien auf einer Insel verbringt. Unerwartet taucht der rätselhafte junge Boris auf – statt des studierenden Sohnes Philip. Boris gibt vor, Philip zu kennen. Die Familienmitglieder verfallen ihm, ein jeder auf seine Weise und ohne die Frage nach seiner Herkunft zu stellen. Der Leser ist gefesselt von der Spannung, die sich in den kurzen Szenen aufbaut, wenn die Familie durch die Manipulationen des jungen Mannes zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät. Ihre heile Welt bekommt erste Risse, um schließlich ganz zu zersplittern. Der Schriftsteller Joncour, 1961 geboren, lebt in Paris. Neben „Ultraviolett“ hat er bereits fünf weitere Romane veröffentlicht.
René Goscinny: „Ruhe, ich esse!“ – fast eine Biografie
HAMBURG (BLK) – Als Texter der Asterix Abenteuer und Schöpfer von Lucky Luke, dem Cowboy, der seinen Revolver schneller zieht als sein Schatten, kennt ihn jeder. Doch auch ohne die Umgebung von Comic-Zeichnungen ist die Satire des französischen Humoristen Rene Groscinny ein Spaß. In dieser kleinen Sammlung setzt sich der im November 1977 gestorbene Autor mit den Tücken des Alltagslebens auseinander, aber auch den Merkwürdigkeiten von Kultur, Wirtschaft oder Politik. Bei der Titelstory „Ruhe, ich esse!“ geht es um Geschäftsessen, bei denen alles zur Sprache kommt, nur nicht das Geschäft. Zusammengestellt von Goscinnys Tochter Anne ist bei dieser vergnüglichen Sammlung fast so etwas wie eine kleine Autobiografie ihres Vaters herausgekommen. Vom ersten Satz: „Am 14. August 1926 hat mein älterer Bruder aufgehört, ein Einzelkind zu sein“ bis zu dem letzten Text „Ich bin bereit“, der sich mit der Reaktion auf Ehrungen befasst – und der Organisation von Trauerfeiern.
„Der Harem“: Schwülstige Schlafzimmerbesuche im alten Orient
MÜNCHEN (BLK) – Zu einem Blick hinter die Tore der geheimnisumwitterten orientalischen Frauengemächer laden Peter Prange und Agnes Imhof in ihrer kleinen Anthologie „Der Harem. Sinnliche Begegnungen im Serail“. In seiner Einführung erläutert der 53 Jahre alte Tübinger Bestsellerautor („Das Bernstein-Amulett“) den aus dem Arabischen stammenden Begriff „haram“: Er bedeute sowohl „unerlaubt“ als auch „heilig“, verweise damit sogleich auf die besondere Rolle der Erotik im Islam. Die Einrichtung gehe auf den Propheten Mohammed zurück. Leider bietet das in Geschenk-Optik aufgemachte Bändchen keine fundierte Kulturgeschichte jener kostbar ausgestatteten Räumlichkeiten, in denen Eunuchen, vor allem aber die Mutter des Hausherrn den Ton angaben: Der stark subjektiv geprägte Text Pranges und die Prosa-Auswahl durch die Orientalistin Agnes Imhof wirken vielmehr gerade so, als wollten sie schwülstige Männerfantasien bedienen. Prange hatte 2007 in „Der letzte Harem“ erfolgreich einen 1909 in Konstantinopel angesiedelten Roman vorgelegt.
Befreiung durch Rache? Marrats Roman „Das Ende der Schlaflosigkeit“
FRANKFURT AM MAIN (BLK) – Einen Einblick in die erstarrte Seele eines jungen Mannes, der sich aus familiären Verstrickungen bislang nicht zu lösen vermochte, gewährt Helmut Marrat in seinem Debütroman „Das Ende der Schlaflosigkeit“. In teils atemlos fragmentarischer, teils kühl präziser Sprache erzählt das Werk auf mehreren Zeitebenen von einem etwa Dreißigjährigen, dessen Vater – ein Polizist – von einer flüchtigen Terroristin erschossen wurde, als er selbst zwölf Jahre alt war. Schuldgefühle binden ihn seither in Hassliebe an seine Mutter – was eigenes Leben mit beruflichem Erfolg, Freundschaft, Liebe und sexueller Erfüllung nahezu unmöglich macht. Der in Hamburg und Berlin lebende Marrat (46), der als Schauspieler und Autor arbeitet, formuliert hier vor allem den Aspekt der Rache: Vermag es der Antiheld, sich mittels Tötung der inzwischen aus der Haft entlassenen Terroristin aus seinem eigenen Seelengefängnis zu befreien?
„Abendstern“: Erfolgsautorin Nora Roberts startet Dämonen-Trilogie
NEW YORK (BLK) – Rechtzeitig zu den düsteren Wintertagen lädt US-Bestsellerautorin Nora Roberts ihre Fans zu einer neuen Gruselgeschichte ein. Ihr Roman „Abendstern“ spielt in einem kleinen, idyllischen Städtchen, das alle sieben Jahre am 7.7. von einem schrecklichen Dämon heimgesucht wird: Plötzlich bricht unter den Einwohnern Mord und Totschlag los, erst nach sieben Tagen ist der Spuk wieder vorbei. Die drei Blutsfreunde, die den Fluch einst ohne ihr Wissen heraufbeschworen haben, sagen dem Bösen den Kampf an. Sie wollen ihre Stadt retten. Doch dafür brauchen sie die Hilfe von drei Frauen, die auf ebenfalls unerwartete Weise in ihr Leben treten. Die Geschichte kommt etwas langsam voran, ist aber in gewohnt knackigem Nora-Roberts-Stil geschrieben – eine gekonnte Mischung aus Horror, Mystery und Romanze. Wer die Fortsetzung der Trilogie „Sign of Seven“ (Das Zeichen der Sieben) nicht erwarten mag, kann schon mal auf Englisch weiterlesen. In den USA ist nach Teil 2 „The Hollow“ gerade der dritte Teil „The Pagan Stone“ (Der Heidenstein) erschienen. Ein Platz auf den US-Bestsellerlisten ist der erfolgreichen Vielschreiberin jedenfalls schon wieder sicher. (dpa/mir)
Literaturangaben:
GOSCINNY, RENE: Ruhe, ich esse! Diogenes, Zürich 2008. 96 S., 14,90 €.
HAMMER, GUDRUN: Trost verschwindet. Atrium, Hamburg 2008. 237 S., 17,90 €.
IMHOF, AGNES / PRANGE, PETER: Der Harem. Droemer, München 2008. 210 S., 14,95 €.
JONCOUR, SERGE: Ultraviolett. Klett-Cotta, Stuttgart 2008. 173 S., 17,90 €.
MARRAT, HELMUT: Das Ende der Schlaflosigkeit. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 2008. 239 S., 19,50 €.
ROBERTS, NORA: Abendstern. Blanvalet, München 2008. 380 S., 8,95 €.
TSUKIYAMA, GAIL: Die Straße der tausend Blüten. Droemer, München 2008. 624 S., 19,95 €.
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