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Benno Ohnesorg

Armin Fuhrer untersucht den Fall des erschossenen Ohnesorg

© Die Berliner Literaturkritik, 23.12.09

BERLIN (BLK) – Im Oktober 2009 ist Armin Fuhrers Buch „Wer erschoss Benno Ohnesorg? Der Fall Kurras und die Stasi“ im be.bra Verlag erschienen.

Klappentext: Mai 2009: Ein Aktenfund änderte mit einem Schlag den Blick auf die deutsche Zeitgeschichte. Karl-Heinz Kurras, der West-Berliner Polizist, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen und damit die 68er-Bewegung mit ausgelöst hatte, entpuppte sich als Spitzel der DDR-Staatssicherheit. Hatte die Stasi den Auftrag gegeben, Ohnesorg zu töten? Damals wurde Karl-Heinz Kurras freigesprochen, heute ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mordes. Wer war der Mann, der Benno Ohnesorg erschoss? Was bewegte ihn, sich in den Dienst der Stasi zu stellen? Und wie stark war die West-Berliner Polizei schon seit den fünfziger Jahren von der Stasi unterwandert? FOCUS-Redakteur Armin Fuhrer zeichnet in diesem Buch erstmals die gesamte Stasi-Tätigkeit von Karl-Heinz Kurras nach. Auf der Grundlage der derzeit nicht mehr zugänglichen Akten enthüllt er zahlreiche neue Details, ordnet die bereits bekannten Fakten in die großen Zusammenhänge ein und korrigiert Falschmeldungen aus den Medien.

„Die Todesfahrt der Wilhelm Gustloff“ sowie „Von Diktatur keine Spur? Mythen und Fakten über die DDR“ sind bereits von Armin Fuhrer erschienen. Zuvor besuchte der 1963 in Düsseldorf Geborene nach dem Studium der Geschichte und Politikwissenschaft die Axel-Springer-Journalistenschule. Von 1994 bis 2000 war er als Redakteur bei der Tageszeitung „Die Welt“ tätig. Seitdem arbeitet er als Hauptstadt-Korrespondent für das Magazin FOCUS in Berlin. (ros/wer)

Leseprobe:

©Be.bra Verlag©

Der Spion, der aus West-Berlin kam. Am 19. April 1955 betrat ein junger Mann von 27 Jahren das Gebäude des Zentralkomitees der SED in der Ost-Berliner Wilhelm-Pieck-Strasse und bat an der Wache, mit einem Vertreter des Ministeriums für Staatssicherheit sprechen zu dürfen. Warum er sich ausgerechnet in der Schaltzentrale der Partei meldete, um einen Kontaktmann der Geheimpolizei zu sprechen, ist nicht ganz klar. Möglicherweise wusste er als West-Berliner ganz einfach nicht, wo das Ministerium für Staatssicherheit residierte. So hatte er sich über die Sektorengrenze in die sowjetische Zone der geteilten Stadt zum „Haus der Einheit" nördlich des Alexanderplatzes begeben, dorthin, wo sich vor 1933 das „Kaufhaus Jonas" befunden hatte. Später hatte die NSDAP das im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete Gebäude genutzt, bevor es 1945 erst in den Besitz der SPD, dann in den der neugegründeten SED übergegangen war. Während nun der Besucher aus dem Westen unten an der Wache wartete, saßen möglicherweise gerade der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, und Ministerpräsident Otto Grotewohl in den oberen Etagen in ihren Büros und arbeiteten. Bei der engen Verquickung von Partei und Sicherheitsorgan stellte die falsche Adresse kein Problem dar. Der Besucher musste nicht lange warten, bis sich Genosse Oberleutnant Fritz Redlin einfand und sich als „Hans Turm" vorstellte. Redlin war Leiter des „Referats IV/3" der Verwaltung Groß-Berlin des Ministeriums für Staatssicherheit, die gleich um die Ecke in der Prenzlauer Allee untergebracht war. Der Tschekist machte sich sogleich ein Bild von seinem unbekannten Gegenüber. Dunkelblond, ohne Bart, ein „länglich ovales Gesicht", das waren seine ersten Eindrücke. Er stellte einen aufrechten, etwas eckigen Gang fest, bemerkte eine „forsche Erscheinung" und ein „bestimmtes Auftreten". Der Besucher hielt sich tatsächlich nicht lange mit Floskeln auf. Sein Name sei Karl-Heinz Kurras, er arbeite bei der West-Berliner Polizei und wolle in die DDR übersiedeln, teilte er dem vermutlich verdutzten Stasi-Mann mit. Er wolle in Ost-Berlin als Angehöriger der Volkspolizei arbeiten. Etwas merkwürdig mutet seine Angabe an, er sei „politisch neutral" und wolle im Ost-Teil der Stadt „in geordneten Verhältnissen seiner Arbeit nachgehen". Redlin machte Kurras klar, dass „jeder Mensch, der sich ehrlich für den Aufbau der DDR und deren Ziele bekennt, hier geachtet wird und Arbeit nach seinen Fähigkeiten erhält", wie es in seiner Aufzeichnung über das Gespräch heißt. Selbstverständlich sei die Ehrlichkeit der betreffenden Person „der Gradmesser für alle Maßnahmen. Und da hatte Redlin ganz offenbar seine Zweifel. Die musste er auch haben. Da kam wie aus dem Nichts ein West-Berliner Polizeibeamter, bot seinen Übertritt in die DDR an und bewarb sich für eine Tätigkeit bei der Volkspolizei. Und das in einer Zeit, in der Tausende täglich in die entgegengesetzte Richtung von Ost nach West flohen, um den Fängen der SED-Diktatur zu entkommen. Lag da nicht der Verdacht nahe, es handle sich bei dem selbstbewussten jungen Mann um einen West-Agenten? So machte Redlin, offenbar geschult für derartige Situationen, seinem Gegenüber kurzerhand einen Vorschlag. Er solle seine Tätigkeit bei der West-Berliner Polizei behalten und „den Kampf, den viele Menschen auch dort für die Ziele der DDR führen" unterstützen. Im Klartext: Redlin forderte Kurras auf, an seinem Arbeitsplatz beim Einsatzkommando Charlottenburg für die Stasi zu spionieren.

©Be.bra Verlag©

Literaturangabe:

FUHRER, ARMIN: Wer erschoss Benno Ohnesorg? Der Fall Kurras und die Stasi. Be.bra Verlag, Berlin 2009. 160 S., 14,95 €.

Weblink:

Be.bra Verlag


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