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Berlin feiert Beauvoir

Die Veranstaltungsreihe „Beauvoir in Berlin“ (7.-9. März 2008)

© Die Berliner Literaturkritik, 10.03.08

 

BERLIN (BLK) – Am vergangenen Wochenende (7.-9. März) haben die von Alice Schwarzer (65) konzeptionierten und in Zusammenarbeit mit dem Institut Francais veranstalteten Thementage zur Ehrung der französischen Schriftstellerin Simone de Beauvoir (1908-1986) stattgefunden. Dabei stand die Frage nach der Aktualität und eines möglichen Comebacks der Philosophin, Feministin und Verbündeten Jean-Paul Sartres (1905-1980) im Vordergrund. Das „Drei-Tage-Event im Geiste Beauvoirs“(Schwarzer) umfasste Gespräche, Lesungen, Vorträge, eine Fotoausstellung sowie eine Film- und Jazznacht.

Den Auftakt bildete ein Gespräch zwischen den beiden Schriftstellerinnen Julia Franck (38, Berlin) und Marlene Streeruwitz (57, Österreich) über die Bedeutung Beauvoirs für ihr Leben und ihren emanzipierten Alltag, das im Institut Francais stattfand. Die Gesprächspartnerinnen befassten sich hauptsächlich mit der heutigen Situation der Frau in der „patriarchalen Welt“ (Streeruwitz). Darauf folgte die Vernissage der Ausstellung „Ein Leben in Bildern“, die von Berlins Regierendem Oberbürgermeister Klaus Wowereit (54) und einem Vertreter der Französischen Botschaft eröffnet wurde. Die Fotoausstellung umfasst 117 Fotografien aus Simone de Beauvoirs Leben und wurde von der Fotografin Bettina Flitner konzeptioniert. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. März 2008 im Institut Francais zu sehen.

Der abschließende Programmpunkt am Freitag (7. März 2008) war ein 45-minütiger Porträtfilm, den Alice Schwarzer 1973 für den NDR in Paris und Rom gedreht hatte. Der Beitrag beinhaltet das einzige Gespräch Sartres und Beauvoirs über ihre Beziehung und die Rolle von Dritten in ihr. Weitere Themen waren Heirat, Kinder, Wohnverhältnisse, gegenseitige Beeinflussung und Rollenverteilung. Zudem ging es um beider politisches Engagement und die Frauenbewegung. In dieser Reportage wirkte Jean-Paul Sartre neben seiner energischen und bestimmten Lebenspartnerin wie eine Nebenfigur. Des Weiteren bekam man Simone de Beauvoir in ihrem Appartement zu sehen, sie schilderte ihren Tagesablauf, und das Publikum im Cinema Paris konnte sie bei alltäglichen Handlungen beobachten. So wurde sie in der Schlusssequenz lebhaft und lebenslustig beim Essen mit Freunden gezeigt. Danach folgte die Verfilmung des Beauvoir-Romans „Das Blut der Anderen“ von Claude Chabrol aus dem Jahr 1984 in der englischen Originalfassung, in der Jodie Foster die Hauptrolle spielte.

Am Samstagnachmittag (8. März 2008) fand ein Zwiegespräch zwischen der deutsch-türkischen Soziologin Necla Kelek und der algerisch-französischen Staatssekretärin für Stadtentwicklung Fedala Amara über die Themen Emanzipation und Integration sowie Feminismus und Islamismus im Institut Francais statt. Abends lasen die Schauspielerinnen Judith Engel, Bettina Hoppe, Eva Meckbach und Lore Stefanek sowie Alice Schwarzer in der ausverkauften Schaubühne aus dem von Schwarzer herausgegebenen Beauvoir-Lesebuch. Die Schauspielerinnen verschiedenen Alters sollten die jeweiligen Lebensabschnitte Simone de Beauvoirs verdeutlichen. Sie lasen aus den „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause“ (1958), aus den beiden Teilen der Memoiren „Der Lauf der Dinge“ (1963) und dem weiteren Lebensbericht „Alles in Allem“ (1972). Briefe an Sartre sowie an den Geliebten und amerikanischen Schriftsteller Nelson Algren („Eine transatlantische Liebe – Briefe an Nelson Algren 1947-1964“) zeigten Beauvoirs leidenschaftliche und schwache Seite, aber auch ihre Beobachtungsgabe. Diese trat in Beauvoirs Berlin-Schilderungen aus dem Jahr 1948 hervor. Die Schauspielerinnen lasen außerdem aus „Amerika – Tag und Nacht. Reisetagebuch 1947“ (1948), ihrem berühmtesten Werk „Das andere Geschlecht“ (1949) und den Schilderungen von Krankheit und Tod ihrer Mutter in „Ein sanfter Tod“ (1964). Die jeweiligen Vorworte las die Beauvoir-Wegbegleiterin Alice Schwarzer.

Der letzte Veranstaltungstag (9. März 2008) begann mit einer Matinee im Institut Francais. Alice Schwarzer sprach über Simone de Beauvoir, ihre Erfahrungen als Leserin, Interviewerin und Freundin. Auch diese Veranstaltung wurde wie die vorherigen gut besucht. Im Gespräch mit der Moderatorin Mercedes Bunz, Chefredakteurin der Onlineausgabe des „Tagesspiegel“, berichtete Schwarzer von ihrer ersten Begegnung mit Simone de Beauvoir als Interviewerin Sartres. Sie fuhr fort mit Beauvoirs Werdegang im Hinblick auf ihr Schreiben als Frau über Frauen. Schwarzer zeichnete aber auch das Bild ihrer Freundin als öffentliche und private Person nach und ging auf deren Pakt mit Sartre ein. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung spielte die französische Feministin eher eine Nebenrolle. Alice Schwarzer beschrieb den Aufstieg des „Mouvement de Libération des femmes“ (MLF) und berichtet von der Aktion „Frauen gegen den Artikel 218“. Mit dem Publikum wurde anschließend unter anderem über den so genannten „Backlash“ in der Frauenbewegung diskutiert, wie auch über die „Geschichtslosigkeit der Frauen“ und die heutige feministische Landschaft Deutschlands. Am Abend folgte dann noch eine „Podiumsdiskussion über Krankheit, Alter und Tod im Werk von Beauvoir und in der heutigen Gesellschaft“ in der Charité und eine Jazznacht mit Anne Ducros in der Peugeot Avenue Lounge.

Von Carolin Beutel


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