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Berlin in seiner ganzen provinziellen Größe

Annett Gröschners Berlin-Porträt „Parzelle Paradies. Berliner Geschichten“

© Die Berliner Literaturkritik, 26.05.08

 

HAMBURG (BLK) – Ende August 2008 wird Annett Gröschners Reportageband „Parzelle Paradies. Berliner Geschichten“ bei Edition Nautilus erscheinen.

Klappentext: Annett Gröschner schreibt Geschichten über ihre Wahlheimat Berlin, Geschichten über Kneipen, die verloren gehen wie Handschuhe, über die Neue Mitte und die Neuen Mütter, aber auch über die Schorfheide, wo Göring sein monströses Carinhall bauen ließ. Sie schreibt die Geschichten Berliner Unternehmen oder Institutionen wie die Schultheiss-Brauerei, die Weddinger Schminkefabrik Kryolan oder die Rollende Roadschau bei Rotaprint. Ihre Reportagen berichten über groß angelegte Theaterprojekte in Kleingärten, bittere Bilanzen von Bauspekulationen und Zwangsumsetzungen zu Sanierungszwecken. Und immer wieder verwandelt sie mitgeschnittene Momentaufnahmen in literarische Miniaturen. So ist ein kritisches und doch zärtliches Porträt einer Stadt entstanden, in dem Gröschner vor allem auch die zu Wort kommen lässt, die sonst keine Stimme haben. Damit entgeht sie der Berlin-Klischee-Falle, folgt weder dem blinden Hype noch dem blinden Hass, sondern zeigt Berlin in seiner ganzen provinziellen Größe.

Annett Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, 1983–91 Studium der Germanistik in Ost-Berlin und Paris, 1992–96 Historikerin im Prenzlauer Berg Museum, seit 1994 Beteiligung an verschiedenen Ausstellungs- und Buchprojekten, seit 1997 freie Autorin und Journalistin in Berlin. Mit dem Roman „Moskauer Eis“ (Berlin 2000) erlangte sie größere öffentliche Bekanntheit. Sie wurde u. a. ausgezeichnet mit dem Anna-Seghers-Stipendium der Akademie der Künste Berlin und dem Erwin-Strittmatter-Preis des Landes Brandenburg. Zuletzt erschien von ihr (zusammen mit Peter Jung) bei Nautilus „Ein Koffer aus Eselshaut. Berlin – Budapest – New York“ (2004). (car/wip)

 

Leseprobe:

© Edition Nautilus ©

„Nicht, dass Berlin nicht auch manchmal piefig, unerträglich und provinziell sein kann. Aber wenn schon Provinz, dann wenigstens die Hauptstadt.“

Der Staat kriecht in jede Ritze, in unsere Telefone und Computer, in Taxis und Züge und jetzt schnüffelt er auch in den Kneipen herum. Mein Reflex auf Diktatur ist seit jeher, genau das Gegenteil zu machen. Aber soll ich deshalb wieder anfangen zu rauchen? Ich denke nicht daran. Trotzdem stehe ich aus Solidarität wieder in Raucherecken, boykottiere Kneipen, die in vorauseilendem Gehorsam das Rauchen auch in abgeschlossenen Nebenräumen verbieten und verziehe mich nachts in Etablissements, wo die Aschenbecher nach wie vor auf den Tischen stehen. Aber schon ertappe ich mich, den Mann, der draußen steht und verstohlen durch die Scheibe lugt, für einen Denunzianten zu halten, der nachts um drei das Petzformular einer Nichtraucherschutzorganisation mit Tatort, Tatzeit und Vergehen ausfüllt … Aus Solidarität mit den Rauchern hat am Sonntag der Gullydeckel in der Esmarchstraße zu qualmen angefangen. Leider nur einen Tag. Montag kam der Notdienst der Wasserwerke und hat dem Treiben ein Ende gemacht. Wie schade.

Berlin sah für einen kurzen Moment aus wie eine Weltstadt.

© Edition Nautilus ©

Literaturangaben:
GRÖSCHNER, ANNETT: Parzelle Paradies. Berliner Geschichten. Edition Nautilus, Hamburg 2008. 224 S., ca. 14,90 €.

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