BERLIN (BLK) – Einen schicken Schlips, einen griffigen Ping-Pong-Schläger, dazu eine passende menschliche Begleitung: Dieses abendliche Dreigestirn braucht der geneigte Literaturfreund, wenn er sich auf die knapp neunstündige Tour des Autors Tilman Rammstedt zwischen Berliner Nacht und Kneipen-Nebel machen will. Der ist die 50 Kilometer lange Route schon einmal vorgelaufen. Wie sich das für ihn anfühlt, schildert er auf der Website www.literaturport.de.
Dort sind seit Januar 2008 die ersten sechs Berliner Literatouren dokumentiert. Motto: Berliner Schriftsteller zeigen Literaturport-Lesern auf vier- bis neunstündigen Spaziergängen „ihr“ Berlin. In Begleitung eines Fotografen haben sich die Literaten gezielt auf den Weg gemacht, um intime Einblicke zu geben: darin, was die Stadt für sie ausmacht. Auf Rammstedt folgten Bas Böttcher, Thilo Bock, Kristof Magnusson, Tanja Dückers sowie ein Familien-Rundgang mit dem Trio Carla, Veronika und Christoph Peters.
Bis März kommen nach und nach sechs weitere Autoren mit eigenen Fährten hinzu, namentlich Judith Hermann, Elke Schmitter, Julia Franck, Ingo Schulze, Thorsten Becker und Katja Müller-Lange. Sie alle stellen Berliner Schauplätze vor, die ihnen etwas bedeuten. Ihre Gänge werden auf www.literaturport.de als bebilderte Texte mit einer Karte dokumentiert. Dazu schreiben die Autoren Texte, die es auf der Webseite auch als mp3-Datei zum Anhören und Herunterladen gibt. Interessierte können sich im Selbstversuch mit Hilfe der Karten auf die Spuren der Autoren begeben – und welche Stadt im deutschsprachigen Raum eignet sich besser dafür?
Logisch, dass die Spaziergänge Berlin in seinen unterschiedlichsten Facetten ausleuchten. So führt Tilman Rammstedt durch das Nachtleben von Mitte und Prenzlauer Berg, Bas Böttchers Pfade kreuzen brach liegende Fabrikhallen. Thilo Bock präsentiert die Welt der Lesebühnen, während Tanja Dückers zu einer Schoko-Kunst-Tour durch Berlin und Potsdam aufbricht. Ganz im Sinne der Organisatoren, die neben einer gewissen Prominenz der Schreibenden darauf Wert legen, ungewöhnliche Seiten der Stadt zu zeigen, wie Claudia Schütze vom Literaturport betont.
Die Idee für das Projekt stammt von Ulrich Janetzki, dem Geschäftsführer des Literarischen Colloquiums Berlin (LCB). Gemeinsam mit dem Brandenburgischen Literaturbüro hat das LCB den Literaturport in die Wege geleitet. Dort gibt es seit Juli 2006 ein breit gefächertes, serviceorientiertes Angebot für und mit Autoren aus Berlin und Brandenburg. Die haben Gelegenheit, ihr literarisches Leben digital abzubilden. Zum Beispiel, indem sie aus ihren Werken vorlesen (lassen), im Autorenlexikon vorgestellt werden oder sich hier über aktuelle Veranstaltungen, Preise und Stipendien informieren können. Das Konzept ist von Erfolg gekrönt: Allein im November 2007 gab es 800.000 Zugriffe auf die Seite.
Der neueste Clou sind jetzt die Literatouren, die nahtlos dem selbst ernannten Anspruch gerecht werden, eine literarische Wanderkarte der hiesigen Belletristik zu sein. Literatouren wird ermöglicht durch die Berliner Landesinitiative „Projekt Zukunft“, kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Ob es eine Fortsetzung der geplanten zwölf Touren gibt, ist noch offen. Bisher jedenfalls stößt das Projekt auf große Resonanz: „Wir haben bis zu 500 Klicks mehr pro Tag – mit steigender Tendenz“, freut sich Claudia Schütze vom Literaturport über den regen Zuspruch.
Und soviel sei verraten: Wer sich auf Tilman Rammstedts Spuren in den Prenzlauer Berg und nach Mitte begeben will, landet unter anderem an einer nächtlichen Tischtennisplatte und im Casino. Dort kann man sich übrigens – mangels passender Garderobe – auch eine Krawatte und ein Jackett leihen. Nur die passende Begleitung, für die sollte man schon selbst sorgen.
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