Von Thilo Resenhoeft
Als sich die Menschen ihre Erde noch als Scheibe vorstellten, musste es irgendwo an deren Rand ein Ende der Welt geben. Dem Namen nach hat sich dieser mythische Ort, genannt finis terrae, im westlichsten Département Frankreichs erhalten – der Finistère. Dort ist die Bretagne am wildesten, sind die Felsen am höchsten, die Strömungen die gefährlichsten, kleine Orte besonders abgelegen. Vieles von dem findet sich auf den Bildern von Mathias Bothor wieder, der für den Hamburger Marebuchverlag zehn Mal mit der Kamera in die Bretagne gefahren ist, um nun den gleichnamigen Bildband vorzulegen.
Diese Art der Autorenfotografie ist selten geworden: Nur noch wenige Auftraggeber statten ihre Fotografen mit derart viel Zeit und damit Freiheit aus. Bothor hat die Gelegenheit genutzt und in der Region reiche Ernte eingefahren.
Zwar kennen auch viele deutsche Besucher diesen Teil Frankreichs, der besonders im Sommer eine beliebte Ferienregion ist. Mit den damit verbundenen Postkartenklischees, dem blauem Himmel und den heilen Stränden verschont uns Bothor jedoch, was ihm sehr zu danken ist und des Projekts auch nicht würdig wäre. Der Fotograf zeigt eine andere Bretagne, getaucht in schwere, erdige, rötliche, eigenartige Farben. Oft liegt das Land unter schweren, teils schwarzen Wolken, die besonders durch die nachträgliche Bearbeitung hervortreten und einen dramatischen Hintergrund liefern.
Eingestreut hat Bothor zahlreiche Porträts in schwarz-weiß, von den Menschen, denen er auf seinen Reisen am Atlantik begegnet ist. Für ausdrucksstarke Aufnahmen wie diese ist er hierzulande bekannt. Kinder, junge Frauen, abgearbeitete Fischer, alte Frauen, Händler, Familien oder Künstler sind zu sehen. Jedes Haar, jede Falte seines Gegenüber ist zu erkennen. Man kann die Bilder - je nach persönlicher Vorliebe und Einstellung - als besonders schonungslos oder besonders ehrlich bezeichnen. So oder so verraten sie viel über den Menschen vor dem Objektiv - eine besondere Kunst.
Immer wieder ist auch der Atlantik Thema. Dessen Wellen brechen sich mal an schroffen Felsen, mal laufen sie sanft am Strand aus oder laufen durch die tief ins Land geschnittenen Flussmündungen. Das Wasser bestimmt das Leben und den Tagesablauf vieler Menschen und macht einen Großteil des Buches aus. Mal ist es zwischen graue Kaimauern gezwängt, mal ist es bei Ebbe zurückgezogen und lässt träge im Schlick liegende Boote zurück. Bei anderer Gelegenheit wirft es sich unter dem endlosen Himmel in langgezogenen, weißen Wellen ans Land. Immer wieder stoppt Bothor am Rand seines Weges, hält Straßenszenen oder alte Gebäude fest, deren feine Fassadendetails er später auf seinen Bildern bis ins letzte herausarbeitet.
Viele andere Fotografen sind vor ihm in die Bretagne gefahren, aber vielen ihrer Bilder fehlt die Tiefe der nun zu sehenden, vielschichtigen Aufnahmen. Der Versuch, es ihm gleich zu tun, oder seinen Fotos etwas Ähnliches entgegenzustellen, wird schwer werden.
Literaturangabe:
BOTHOR, MATHIAS: Bretagne. Mit Musik-CD von Didier Squiban Piano-Solos. marebuchverlag, Hamburg 2009, 144 S., zahlreiche Fotos, 58 €.
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