Von Rudolf Kraus
„bildgebendes verfahren“ betitelt Christl Greller ihren vierten Gedichtband, der dadurch eine programmatische Vorgabe erhält.
Ihre Gedichte zeugen seit jeher von einer nachhaltigen Ambiguität, die sich einerseits in einer starken bildmalerischen und -gebenden Sprache und Wortwahl ausdrückt, und auf der anderen Seite methodisch das Verfahren anwendet, mit viel Feingefühl hinter die Fassade der Menschen zu blicken.
Christl Grellers Gedichte besitzen aber auch die Synthese von Ernsthaftigkeit und Innerlichkeit, von Souveränität und Glaubwürdigkeit.
Zwischen den Zeilen ist so manche Traurigkeit zu spüren, die aber keineswegs bitter ist, sondern manchmal zornig laut oder beschämt leise sein kann.
Das ergibt eine ungeheuerlich breite Fülle an poetischen Nuancen und Stimmungsbildern, die in manchen Gedichten mehr Fragen beantworten als sie stellen:
„abendmahl“, „lebens-zeichen“, „im netz“, „die unhörbare“, um nur einige zu nennen.
Und wenn sich Ende März ein unbeschreibliches Gefühl einstellt, das uns Jahr für Jahr aufs Neue befremdet, dann versucht Christl Greller auf diese „nirgendszeit“ eine Antwort zu finden:
„zwischen zwei und drei / die nirgendszeit. /
sie ist nicht. / leben angehalten, /
uhren vorgestellt / und dann: / sommer.“
Wenn Sie in undurchsichtigen Momenten von Sehnsucht erfüllt sind, wenn Ihnen (jahres-)zeitliche Gefühle nicht fremd sind, und die Stille manchmal zu schreien versucht, dann sollten Sie kurz den Atem anhalten und unbedingt weiterlesen. Denn nicht nur einige preisgekrönte Gedichte sind hier vorzufinden, sondern auch die Bilder von Traute Molik-Riemer stellen eine wunderbare Synthese zu den Texten her. Nachzulesen im Gedicht „selbstfindung“, das folgendermaßen endet:
„... mag sein, der spiegel genügt nicht. / unter die haut / musst du dir schauen, bohre / im fleisch, schlitze / dein herz auf. / manchmal / findet man sich.“
Um nun das rechts abgebildete dazugehörige Bild zu betrachten, müssen Sie das Buch zur Hand nehmen.
Literaturangabe:
GRELLER, CHRISTL: bildgebendes verfahren. Gedichte. Resistenz Verlag, Kematen/Krems 2009. 118 S., 14,90 €.
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