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Biografische Studie von Ulrich Fröschle

Bruder im radikalen Geiste: Friedrich Georg Jünger

© Die Berliner Literaturkritik, 24.06.09

Wer über Jünger spricht, meint meist Ernst Jünger. Der Autor der „Stahlgewitter“ und des „Arbeiters“ ist einer der umstrittensten deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts und erfährt seit einigen Jahren wieder verstärkte Aufmerksamkeit. Ganz anders dagegen sein jüngerer Bruder Friedrich Georg Jünger, der weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Zu Unrecht, wie die biografische Studie des Germanisten Ulrich Fröschle zeigt.

Denn Friedrich Georg Jünger (1898–1977) stand seinem bekannteren Bruder in nichts nach, wenn man ihn wie Fröschle als Beispiel für die Radikalisierung der literarischen Intelligenz im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zitiert. Das liegt nahe: Friedrich Georg Jünger gehörte zu den bekannteren Nationalrevolutionären in der Weimarer Republik und war im „Dritten Reich“ einer der wenigen nennenswerten Literaten von Rang, die in Deutschland geblieben waren und veröffentlichten.

Im Kaiserreich aufgewachsen nahm Friedrich Georg Jünger als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil, dem er nur knapp mit dem Leben entkam. Anders als sein Bruder Ernst, der als legendärer Träger des Ordens Pour le Mérite erst Offizier und dann Nationalrevolutionär wurde, versuchte sich Friedrich Georg Jünger zunächst in einer bürgerlichen Laufbahn: Jurastudium mit Promotion, 1926 wurde er Assessor.

Doch zu diesem Zeitpunkt betätigte er sich bereits als Ideologe für militaristische Kreise wie den „Stahlhelm“. 1928 folgte er seinem Bruder nach Berlin, wo er sich in nationalrevolutionären Zirkeln bewegte und wirkte—und wo politische Richtungszuschreibungen wie „links“ und „rechts“ ad absurdum geführt wurden. So war es kein Widerspruch, dass er einerseits für das Blatt eines ehemaligen Kapp-Putschisten schrieb, andererseits als Autor für den „Widerstand“ des früheren Rätesozialisten Ernst Niekisch arbeitete. Dabei war Friedrich Georg Jünger wie sein Bruder Ernst kein Aktivist, sondern feuriger Ideologe in einer verwirrenden Gemengelage von Salonrevoluzzern.

Und Dichter: Während Ernst Jüngers frühe lyrische Versuche nicht fruchteten, schrieb Friedrich Georg Jünger schon während seiner nationalrevolutionären Zeit erste Gedichte, mit denen er es ausgerechnet 1934 zu erstem Dichterruhm brachte. Das bekannteste Gedicht der in jenem Jahr veröffentlichten Sammlung war und ist bis heute „Der Mohn“. Es wurde schnell zum Geheimtipp unter all denjenigen Deutschen, die ein Jahr nach der „Machtergreifung“ enttäuscht waren von dem neuen Regime: „Schmerzend hallt in den Ohren der Lärm mir, mich widert der Taumel, / Widert das laute Geschrei, das sich Begeisterung nennt.“

An dieser Stelle seines Lebens, so die überraschende These Ulrich Fröschles, sei Friedrich Georg Jüngers Selbstbild als Dichter und Autor im Wesentlichen bereits abgeschlossen gewesen. Den Radikalismus seines nationalrevolutionären Wirkens und seine Rolle als „vaterländischer Dichter“ habe er überführt in seine neue Funktion als „Wahrnehmungselite“: Er sprach weiterhin eine antike, heroische Sprache, verband sie jedoch mit einer subtilen Verachtung für die neuen Machthaber. Denn diese hätten nur eine plebejische Umsetzung der Ideen von Jünger und anderen radikalen Ideologen bewirkt und so zur „Vermassung“ beigetragen, deren Entwicklung Friedrich Georg Jünger von dichterischer Warte aus nur noch verachtend betrachtete.

Wie diese Radikalisierung und Distanzierung Friedrich Georg Jüngers verlief, erläutert Fröschle penibel an dessen Werken und einer Vielzahl historischer Quellen. Dass er eine gute Literatur- und Quellenkenntnis besitzt, hat der Autor schon in seiner Herausgeberschaft von Jüngers Korrespondenzen sowie eines kommentierten Verzeichnisses seiner Schriften unter Beweis gestellt. Seine historische Genauigkeit kommt dem Autor auch hier zugute. Ebenso sein—für deutsche Verhältnisse—ausgesprochen unaufgeregter und ausgewogener Zugang zu Jünger.

Weniger gut gefallen dagegen Sprache und Umfang des Buches. Fröschles Werk ist eine akademische Monographie und kommt in ungebrochenem Germanistenjargon daher. Angesichts des äußerst kleinen Kreises, in dem Friedrich Georg Jünger noch gelesen wird, ist das ein zu verständlicher Makel. Wer eine leichtere, gleichwohl weniger originelle Hinführung zu Friedrich Georg Jünger und seinem Werk sucht, muss sich einstweilen mit Andreas Geyers 2007 erschienenem „Friedrich Georg Jünger. Werk und Leben“ begnügen.

Von Thomas Hajduk

Literaturangabe:

FRÖSCHLE, ULRICH: Friedrich Georg Jünger und der „radikale Geist“. Eine Fallstudie zum literarischen Radikalismus der Zwischenkriegszeit. w. e. b. Universitätsverlag, Dresden 2008. 658 S., Abb. und Fotos, 68 €.

Weblink:

w.e.b. Universitätsverlag


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