Werbung

Werbung

Werbung

Blick von außen

Ezra Pound, Christopher Isherwood und Samuel Beckett in Deutschland

© Die Berliner Literaturkritik, 22.03.10

München (BLK) – Im März 2010 ist im Hanser Verlag Wolfgang Kemps Buch „Foreign Affairs“ erschienen. Darin beschreibt er, wie englische Schriftsteller Deutschland von 1900 bis 1945 erlebten.

Klappentext: Ein überraschender Blick auf das eigene Land: Wolfgang Kemp hat zum ersten Mal zusammengetragen, wie Schriftsteller aus England Deutschland zwischen 1900 und 1945 erlebten. Sein Buch erzählt die Geschichte einer komplizierten Beziehung: Deutschland übte auf seine Gäste von der Insel eine unwiderstehliche Faszination aus, obwohl es ihnen im Grunde fremd blieb. Stephen Spender, Christopher Isherwood, W. H. Auden, Ezra Pound oder Samuel Beckett: aus ihren Werken setzt sich ein Bild der deutschen Verhältnisse zusammen, wie es nur dem Blick von außen möglich ist. Ein Kabinettstück der europäischen Kultur- und Literaturgeschichte.

Wolfgang Kemp, geboren 1946 in Frankfurt am Main, ist Professor für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg. Er veröffentlichte Bücher zur Geschichte und Theorie der Fotografie, zur Rezeptionsästhetik und Erzählforschung.

Leseprobe:

©Carl Hanser Verlag©

Erstes Kap itel

Ein Bummel oder eine Discursion

 

Introducing Elizabeth and Her Friends

The Adventures of Elizabeth in Rügen erschien im Jahr 1904 und war das sechste Buch einer Autorin, die sechs Jahre zuvor mit dem anonym veröffentlichten Elizabeth and Her German Garden einen sensationellen Erfolg erzielt hatte. Elf Auflagen im ersten Jahr und sehr willkommene 10.000 Pfund an Honorareinnahmen hatte diese erste Veröffentlichung eingebracht, vor allem aber die Ermunterung für »Elizabeth«, den Weg als Schriftstellerin weiterzugehen, was sie dann auch konsequent und unter Abstreifung vieler Fesseln tat – bis zu ihrem Tod im Jahr 1945, da hatte sie 23 Bücher publiziert, mehrheitlich Romane.

Hinter dem Autorinnennamen verbarg sich Elizabeth von Arnim, die 1866 in Australien als Mary Annette Beauchamp geboren worden war. Sie hatte in England die obligate Erziehung der höheren Töchter genossen und 1891 eine Reisebekanntschaft, den deutschen Baron Henning August von Arnim-Schlagenthin, geheiratet. Mit ihm lebte sie auf Gut Nassenheide in Pommern, und dort sind auch ihre ersten Bücher entstanden und angesiedelt: ihr Garten, ihre Tiere, ihre Kinder, von denen sie fünf hatte, vier Mädchen und einen Jungen, sind das Sujet ihrer launigen „Lebensskizzen“, wie ihre deutsche Kollegin Ricarda Huch solche relativ offenen Texte und Textverbünde nannte.

Elizabeth von Arnim macht hier den Anfang, weil sie idealtypisch die Anforderungen erfüllt, um in dieses Buch aufgenommen zu werden. Sie war Engländerin und lebte mit Unterbrechungen 19 Jahre in Deutschland, länger als alle anderen Hauptpersonen. Aber auch für diese anderen gilt, dass nur berücksichtigt wurde, wer mit einem speziellen, persönlichen Anliegen nach Deutschland kam und nicht nur auf Durchreise oder zu Ferienzwecken Deutschland besuchte. (Gäste unserer Hauptfiguren dürfen auch mal kürzer bleiben und werden als Begleit- oder Kontraststimmen zugelassen.) Ausgeschlossen sind die professionellen Vermittler zwischen England und Deutschland, die Journalisten und Diplomaten, und die in Deutschland stationierten Soldaten. Es müssen auch nicht 19 Jahre Deutschland sein. Ich bin versucht, hier den grässlichen Terminus „quality time“ einzusetzen. Es muss in dieser Zeit „etwas“ geschehen sein. Und dieses Etwas muss sich in einem Werk mitteilen. Wobei wir als idealen Fall annehmen, dass ein Werk von bleibender Bedeutung entstanden ist. Er ist nicht so selten, wie man vielleicht meint. Elizabeth von Arnim, Katherine Mansfield und Dorothy Richardson, um nur drei englische Autorinnen zu nennen, beginnen ihre Karriere mit Büchern, in denen sie ihre Deutschlanderfahrungen verarbeiten und die auf ihre ganz verschiedene Art und Weise Durchbruchswerke sind. Ähnlich liegt der Fall der drei Autoren W.H. Auden, Stephen Spender, Christopher Isherwood, die eine Generation später starten. Ich habe den Werkbegriff hier, dem Zeitalter der Moderne entsprechend, weit gefasst: Arbeiten literarischer Art, Erzählungen, Gedichte, Reiseberichte, Essays, stellen zwar die Mehrheit, aber zugelassen sind auch die Äußerungsformen des medialen Zeitalters, Rundfunkansprachen vor allem, die ab den dreißiger Jahren immer wichtiger werden. Und wir werden uns hier auch einen frühen Fall einer reinen Medienpersönlichkeit vornehmen, die keine äußerlichen Werke hervorbrachte, sondern sich ganz in der Vermittlung entfaltete.

©Carl Hanser Verlag©

Literaturangabe:

KEMP, WOLFGANG: Foreign Affairs. Die Abenteuer einiger Engländer in Deutschland 1900-1945. Hanser Verlag, München 2010. 384 S., 24,90 €.

 

Weblink: Hanser Verlag

 

 

 


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: