MÜNCHEN (BLK) – Im April 2011 ist im dtv Verlag „Bob Dylan: Die Geschichte seiner Musik“ in zweiter Auflage erschienen. Olaf Benzinger hat die Biographie aktualisiert und neu überarbeitet.
Klappentext: Seit nunmehr 50 Jahren prägt Bob Dylan die Musikszene und begeistert die Fans. Dabei ist der Musiker und Songwriter immer für eine Überraschung gut, gestaltet jeden Auftritt anders, variiert Melodien, Texte, Arrangements und wirbelt die Hörgewohnheiten durcheinander. Olaf Benzinger befasst sich ausführlich mit den Songs, Alben und Aufnahmesessions, erläutert die Schaffensperioden, beleuchtet die wesentlichen biografischen Stationen und eröffnet so einen fundierten Zugang zu dem wohl komplexesten Gesamtwerk, das die Popkultur zu bieten hat.
Olaf Benzinger, geboren 1956 in München, studierte Sinologie, Geschichte der Naturwissenschaften, Philosophie und Musik in München und Peking. Er ist Publizist, Inhaber eines Verlagsbüros und Gelegenheitsmusiker. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Beatles“ (2000), „Rock-Hymnen. Das Lexikon“ (2002) und „Buch der Zauberer“ (2004).
Leseprobe:
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Einleitung: Erste Annäherung
Am 24. Mai 1941 um 21:05 wird Bob Dylan als Robert Allen Zimmerman im St. Mary’s Hospital in Duluth, Minnesota, geboren. Seine Großeltern sind russisch-jüdische Einwanderer aus Odessa bzw. aus einem Gebiet im heutigen Litauen, seine Eltern, Abraham H. und Beatrice „Beatty“ Zimmerman kamen bereits als Staatsbürger der Vereinigten Staaten zur Welt.
Nach der Geburt von Roberts jüngerem Bruder David zieht die Familie von Duluth nach Hibbing, einer Kleinstadt nahe der kanadischen Grenze, die vor allem vom Erzbergbau geprägt ist. Dort betreibt Abraham Zimmerman ein kleines Geschäft für Elektrogeräte. Roberts Kindheit verläuft recht unspektakulär. Allerdings lässt der Junge schon früh eine Vorliebe für Musik erkennen und beginnt als Zehnjähriger mit dem Klavier- und Gitarrespiel. Aus derselben Zeit sind auch erste Gedichte für seine Eltern anlässlich von Mutter- und Vatertag belegt. Am 22. Mai 1954 begeht Robert seine Bar-Mizwa, die offizielle feierliche Einführung mit dem vollendeten 13. Lebensjahr in die jüdische Glaubensgemeinschaft – und betritt damit die Welt der Rechte und Pflichten. Der junge Mann zeigt von Anfang an wenig Neigung, in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters zu treten: „Ich wollte schon immer ein Gitarrist oder Sänger sein. Seit ich zehn war, oder elf oder zwölf, hat mich überhaupt nichts anderes mehr interessiert. Es war das Einzige, was mir wirklich etwas bedeutete.“
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In den Folgejahren erhält das Musikinteresse des jugendlichen Robert Zimmerman neue Nahrung: Der bereits am 1. Januar 1953 gestorbene Country-Star Hank Williams wird Dylans erstes musikalisches Idol. Doch auch Rock’n’Roller wie Chuck Berry, Buddy Holly und Little Richard begeistern den jungen Mann; er beginnt, ihre Schallplatten zu sammeln und ihre Songs nachzuspielen. Im Jahr 1955 gründet er seine erste Schulband, The Shadow Blasters, ein Jahr später folgt die Neuformation The Golden Chords. Die Gruppe hat mit ihren lauten und sehr rohen und ungeschliffenen Rock’n’Roll-Adaptionen bei den Gleichaltrigen des Ortes durchaus Erfolg, bei den Erwachsenen hingegen stößt die Band erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe. Im Oktober 1957 trifft Robert seine Jugendliebe und erste ernsthafte Freundin, Echo Helstrom. Die Beziehung der beiden hält zwar nur ein knappes Jahr, aber Dylan wird ihr einige Jahre später eines seiner bekanntesten Liebeslieder zueignen: „Girl From The North Country“ vom zweiten Album ›The Freewheelin’ Bob Dylan‹.
Nach dem Auseinanderbrechen der Golden Chords 1958 nützt Dylan jede Gelegenheit, um vor Publikum zu spielen; es existieren erste Tonband-Aufnahmen aus dieser Zeit, bei denen Dylan gängige Rock’n’Roll-Titel imitiert. Außerdem fährt er häufig ins rund 300 Kilometer entfernte Minneapolis, wo er regelmäßig verschiedene Musik-Clubs besucht, vor allem das Ten O’Clock Scholar Coffeehouse auf dem Universitätscampus. In Minneapolis erlebt Robert Zimmerman auch zum ersten Mal eines seiner großen Idole live auf der Bühne: Am 31. Januar 1959 besucht er das Konzert des charismatischen Rock’n’Rollers Buddy Holly, der nur drei Tage später bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt.
Robert schließt die Schule in Hibbing im Juni ab und schreibt sich im Herbst an der Universität von Minneapolis ein. Er besucht allerdings kaum Lehrveranstaltungen, sondern spielt regelmäßig im Ten O’Clock und versucht, sich als Folksänger zu etablieren. Im Wesentlichen besteht sein Repertoire aus Standards sowie aus Songs von Odetta, einer populären Bluessängerin der fünfziger und frühen sechziger Jahre. In dieser Zeit legt er sich das Pseudonym „Bob Dylan“ zu, dessen Entstehung er selbst immer wieder unterschiedlich begründet. Am verlässlichsten dürfte wohl Robert Sheltons Rekonstruktion in seiner Biografie ›No Direction Home‹ sein, nach der sich der junge Robert Zimmerman an dem Westernhelden Matt Dillon orientiert, die Schreibweise aber extravagant variiert. Wie dem auch sei: Am 2. August 1962 ändert Robert Allen Zimmerman offiziell seinen Namen standesamtlich in Bob Dylan.
In Minneapolis steigt er immer intensiver in die Folkszene ein und beginnt, sich eingehend mit der Musik des amerikanischen Folksängers und Bürgerrechtlers Woody Guthrie zu beschäftigen. Guthrie ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine Legende in Amerika, hat mit Songs wie „This Land Is Your Land“ oder „Pastures Of Plenty“ dem amerikanischen Traum von einem sozial gerechten und humanitär orientierten Land eine mächtige Stimme verliehen; in den fünfziger Jahren wird er zum Idol der Gewerkschaftsbewegung sowie zu einer wichtigen Leitfigur der Intellektuellen- und Bürgerrechtsszene. Bereits mit 42 Jahren erkrankt Guthrie an einem unheilbaren Nervenleiden (Chorea Huntington) und liegt des halb seit 1954 im Greystone Hospital in New Jersey/New York.
Dylan liest seine Autobiografie ›Bound For Glory‹ und wird endgültig zum Fan des berühmten Sängers. Er lässt zwar keine Gelegenheit aus, um in einem der lokalen Clubs in Minneapolis aufzutreten – besonders häufig besucht er das Purple Onion im Ortsteil St. Paul –, doch angeregt von Guthries Beschreibung des Wanderlebens drängt es ihn zunehmend aus der eher provinziellen Enge der Stadt. Odetta bestärkt Dylan in seinem Wunsch, nach New York zu gehen, dort Woody Guthrie im Krankenhaus zu besuchen und vor allem sich in der Weltstadt als Musiker durchzusetzen.
Am 24. Januar 1961 kommt Dylan schließlich im winterlichen New York an und besucht schnurstracks das Folkcafé Wha?. Dessen Wirtin, Manny Roth, beschafft dem Neuankömmling einen ersten Schlafplatz. Schon am nächsten Tag besucht Dylan Woody Guthrie; bei unzähligen weiteren Besuchen in den folgenden Monaten entsteht zwischen dem dahinsiechenden Folksänger und dem scheuen, etwas kauzigen Jungmusiker eine Freundschaft, die sich vornehmlich über Musik vermittelt. Auf die Frage, worüber er mit Guthrie denn so gesprochen habe, sagt Dylan später: „Ich habe nicht viel mit ihm gesprochen. Er nannte den Titel eines Songs, den er hören wollte …, und ich kannte alle seine Songs. Da war nichts, was ich ihn hätte fragen können. Er war nicht der Typ, dem du Fragen stellst.“
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Literaturangabe:
BENZINGER, OLAF: Bob Dylan: Die Geschichte seiner Musik. dtv Verlag, München 2011. 368 S., 12,90 €.
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