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Buchmesse will auch kritische Stimmen

In Frankfurt sollen auch China-Kritiker ausführlich zu Wort kommen

© Die Berliner Literaturkritik, 17.09.09

Von Thomas Maier

FRANKFURT/MAIN (BLK) - Eigentlich müssten an diesem Freitag (18.9.) bei der Frankfurter Buchmesse die Sektkorken knallen. Vor genau 60 Jahren - am 18. September 1949 - wurde erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg eine Buchmesse in der traditionsreichen Handelsstadt Frankfurt organisiert. Aus einer kleinen Veranstaltung, die damals mit 200 Ausstellern in der Paulskirche begann, ist die weltweit größte Bücherschau mit über 7.000 Ausstellern geworden. Und der Messe kommt als internationaler Kulturtreffpunkt zugleich hohe Symbolkraft im Kampf für die Meinungsfreiheit zu. Doch ausgerechnet zum runden Geburtstag erlebt die Buchmesse wegen der Auseinandersetzungen um den diesjährigen Ehrengast China eine ihrer größten Krisen.

Buchmessen-Direktor Juergen Boos hat beim Debakel um die Aus- und Wiedereinladung von zwei Regimekritikern zum China-Symposium am vergangenen Wochenende in Frankfurt alles andere als eine glückliche Figur abgegeben. Er hat sich zweimal öffentlich entschuldigt – zuerst bei den Dissidenten und dann bei der offiziellen chinesischen Delegation. Dennoch scheiterte der Dialog auf der von der Buchmesse organisierten Tagung. Der 48 Jahre alte Verlagsbuchhändler und Betriebswirt Boos verkaufte das Symposium trotzdem als Erfolg – und stand damit praktisch allein auf weiter Flur.

Boos, der mit der Buchmesse für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels Gewinne macht, hat bereits die Flucht nach vorn angetreten: Auf der weltgrößten Bücherschau vom 14. bis 18. Oktober sollen auch die China-Kritiker ausführlich zu Wort kommen, hat er jetzt versichert. In rund 250 Veranstaltungen werde auch das „unabhängige, andere China“ erfahrbar. Autoren aus Hongkong oder Taiwan werden genauso wie die Führerin der in China lebenden uigurischen Minderheit, Rebiyah Kadeer, erwartet. Auch Tibet soll Thema zahlreicher Veranstaltungen sein. Das PEN-Zentrum Deutschland will jeweils zur Mittagsstunde eine „chinesische Stunde“ mit Autoren veranstalten, die dem unabhängigen PEN in China angehören. Dessen prominenter Mitbegründer Li Xiaobo sitzt derzeit in China in Haft.

Auch der einzige chinesische Nobelpreisträger für Literatur, Gao Xingjian, wurde eingeladen. Vor fünf Jahren durfte der im Exil in Paris lebende Gao auf chinesischen Druck nicht bei der Pariser Buchmesse dabei sein, deren Gast China damals war. „Die Frankfurter Buchmesse hat mit dem Ehrengast China eine Gratwanderung vor sich, die Standhaftigkeit erfordert“, erklärt Boos. „Wir wollen eine Plattform schaffen für die verschiedensten, auch extremen Standpunkte und so den Dialog ermöglichen.“

Angesagt zur Buchmesse hat sich auch Chinas international prominentester Künstler Ai Wei Wei, der gerade in München nach Schlägen durch chinesische Sicherheitsleute wegen einer Gehirnblutung operiert wurde. Aber Ai, einer der schärfsten Regime-Kritiker unter den chinesischen Intellektuellen, hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es in China nicht nur „Schwarz und Weiß“ gebe.

Das gilt auch für die Literatur. So hat zwar Chinas oberste Zensurbehörde - die Verwaltung für Presse und Publikationen (GAPP) - die chinesischen Autoren für die Messe ausgewählt. Doch unter den knapp 50 Schriftstellern, die nach Frankfurt kommen, sind auch herausragende Autoren wie Yu Hua, Mo Yan oder Li Er. Yu Hua zum Beispiel, der in Interviews die kommunistische Regierung immer wieder scharf kritisiert, ist alles andere als linientreu. Sein gerade in Deutschland erschienener Roman „Brüder“, in dem er mit Maos Kulturrevolution und der Geldgier im chinesischen Wirtschaftswunder gleichermaßen abrechnet, war ein Bestseller - in China und auch in den USA.


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