Von Johannes Wagemann
MARBACH AM NECKAR (BLK) - Der Dichterfürst Friedrich Schiller schaut wie immer seit über 100 Jahren von seinem stattlichen Sockel auf das nach ihm benannte Nationalmuseum. Aber statt idyllischer Ruhe auf der Schillerhöhe über dem Neckar in Marbach herrscht dort am Dienstag (10.11.) großer Trubel. Bundespräsident Horst Köhler ist angereist, um in seiner schwäbischen Heimat den Dichter zu ehren, der hier vor 250 Jahren geboren wurde. Hunderte weiterer Festgäste sind ebenfalls zu Ehren Schillers und zur Wiedereröffnung des frisch renovierten Nationalmuseums gekommen - vom Ministerpräsidenten bis zum als „Königliche Hoheit“ begrüßten Carl Herzog von Württemberg.
„Freiheit“, „Idealismus“, „Bildung“ - ein Füllhorn großer und bedeutungsschwerer Worte wird für den Dichter ausgeschüttet. Der Bundespräsident kommt gerade von den Feiern zum Mauerfall aus Berlin - und sieht in Schiller denjenigen, der den Menschen besonders eindrucksvoll als frei gedacht und beschrieben hat, selbst wenn er „in Ketten geboren“ wäre, wie Köhler Schiller zitiert. Dass sich der Mauerfall so kurz vor dem Geburtstag des „Dichters der Freiheit“ jähre, das sei einfach eine „glückliche Fügung“.
Und so ist der Weltgeist des Autors der „Ode an die Freude“ heute einmal mehr im beschaulichen Marbach zu spüren, auch wenn Johann Christoph Friedrich Schiller hier nach seiner Geburt am 10. November 1759 nur vier Lebensjahre verbrachte. Die Stadt beweist aus Sicht von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) mit dem renovierten Museum, dass sie der deutschen Literatur eine Heimat biete - zuletzt mit dem Zuschlag für das Archiv der Verlage Suhrkamp und Insel.
Leichte „Missklänge“ gibt es am Dichtergeburtstag allein beim Streicher-Trio zu Beginn der Feierlichkeiten - aber der Violinist ist eigentlich Architekt. Alexander Schwarz vom Büro David Chipperfield lässt es sich nicht nehmen, zur Eröffnung des von ihm und seinen Kollegen umgebauten Museums selbst zu Geige und Bogen zu greifen. Die schlicht und edel gestalteten Ausstellungssäle werden von Chipperfield selbst übergeben.
Der Stararchitekten-Umbau blieb zwar im einstelligen Millionen-Euro-Bereich, doch zum 250. Geburtstag haben viele ihren Obolus abgegeben: das Nationalmuseum wäre ohne private Spender, Stiftungen und Firmen so nicht wiedereröffnet worden. Rund 2,4 Millionen Euro kamen zusammen. Und so kann Köhler mit seiner Frau Eva Luise zum Höhepunkt des Schillerjahrs am Dienstag (10.11.) durch die neuen Museumsräume streifen, von denen viele abgedunkelt sind, um die kostbaren Schriften und Erinnerungsstücke zu schützen. Der in Ludwigsburg in der Nähe aufgewachsene Bundespräsident betrachtet die Erinnerungen an seinen „Landsmann“ sehr genau, interessiert und berührt.
Das stattliche Ensemble auf der Schillerhöhe ist zu Dichters Geburtstag nun also komplett - von dort geht der Blick in die liebliche Landschaft des Neckartals und die umliegenden Hügel und Berge. Dass Schiller selbst fast nie so komfortabel lebte, ist eine ganz andere Geschichte. Wer mehr über sie erfahren will, wird im neuen Nationalmuseum fündig werden.