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Canalettos Dresdener Veduten

Fritz Löfflers wunderbarer Text-Bild-Band in neuer Auflage

© Die Berliner Literaturkritik, 16.04.10

Von Klaus Hammer

Er war der standesbewusste Nachfahre einer venezianischen Familie, die ein Wappen tragen durfte. Bereits in frühester Jugend bildete er sich in Venedig im Atelier seines Onkels, des berühmten Vedutenmalers Antonio Canal, genannt Canaletto, von dem er auch den Beinamen übernahm. Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, bediente sich in seinen in Italien entstandenen Werken Canals Malweise mit ihrem reichen Repertoire der Pinselstriche und den rasch aufgesetzten Lichtern, wobei jede Fläche und jeder Punkt im Kolorit des Ganzen chromatisch mitsprechen. Aber stets spielte bei ihm – im Unterschied zu seinem Onkel - die Zeichnung eine dem Bilde untergeordnete Rolle.

Bellottos zeichnerisches Werk war nie mehr als Hilfsmittel zur Bildausführung. Einen selbstständigen Wert beansprucht es nicht. Sein Interesse am Leben einer fremden Stadt, ob diese nun Dresden, Wien, München oder Warschau war, verbindet sich mit der für ihn charakteristischen Neigung, sich nicht mit der reinen Darstellung zu begnügen, sondern zu erzählen. Auf die Entwicklung dieses narrativen Sinnes sind viele Veränderungen zurückzuführen, die in Bellottos Kunst in Dresden, wo er sich zwischen 1747 und 1767 aufhielt, zu beobachten sind. Eine ganze Anzahl seiner Bilder hat er für den sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. gemalt, der zugleich König von Polen war und während des Siebenjährigen Krieges in Warschau residierte. Da der mächtige Graf Brühl die gleichen Bilder wie der Kurfürst für sich persönlich haben wollte, musste Bellotto sie noch einmal malen. Erst nach dem Tode Brühls bekam er sie aus der Staatskasse bezahlt.

Der E. A. Seemann Verlag in Leipzig hat erneut den wunderbaren Text-Bild-Band von Fritz Löffler, dem wohl besten Kenner des alten Dresden, mit Bellottos Radierungen und Gemälden der Stadt um die Mitte des 18. Jahrhunderts herausgebracht. Es ist eine Lust, darin zu blättern und – angeleitet von der Einführung und den Bilderläuterungen Fritz Löfflers - seine Entdeckungen zu machen. Denn der Band präsentiert die Stadtansichten, die Bellotto als Hofmaler für den sächsischen Kurfürsten schuf und die sich im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befinden, sowohl in panoramaartigen Gesamt- als auch ganzseitigen Detailaufnahmen in durchweg farbiger Reproduktion.

Seine Kompositionen plante Bellotto wohl mit Hilfe eines Apparates, der im 18. Jahrhundert unserem Fotoapparat am nächsten kam: der Camera obscura. Er malte nicht genau nach, was er sah. Er hat Gebäude mit ins Bild genommen, die er von seinem Standpunkt aus nie hätte sehen können, und er hat sie leicht gedreht. Wohl alle Stadtveduten sind mit Hilfe der Camera obscura entstanden. So fing er das alte Dresden vom rechten und vom linken Elbufer ein, sowohl oberhalb als auch unterhalb der Augustus-Brücke, er malte den Neumarkt und den Altmarkt aus verschiedenen Sichten, die Frauen- und die Kreuzkirche, die Altstadt und die Ruinen der im Siebenjährigen Krieg zerstörten Pirnaischen Vorstadt.

Die Jahre 1759/60 hatte Bellotto in Wien und 1761 in München verbracht. 1762, gegen Ende des Siebenjährigen Krieges, kehrte er nach Dresden zurück. Sachsen war nach dem Kriege verarmt und musste sparen. Anstelle des Honorars eines gut bezahlten Hofmalers musste er sich mit dem bescheidenen Gehalt eines Mitgliedes der Kunstakademie begnügen. Er malte jetzt nur noch gelegentlich Veduten: einige Ansichten der zerstörten Stadtteile Dresdens und der Festung Königstein. Auf einem der Bilder schildert Bellotto den Aufbau der im Siebenjährigen Krieg von Kanonenkugeln der Preußen zerstörten Kreuzkirche. Gespensterhaft wie ein Skelett ragt der zerfetzte Stumpf des Kirchturms empor. Die expressive Kraft des Bildes steht im Kontrast zur sonst kühlen Objektivität der Darstellung.

Charakteristisch für die zweite Dresdener Periode waren jetzt die akademischen Architektur-Capricci. Der Künstler hat etwa 20 Bilder dieser Art ausgeführt. Die Fantasiearchitekturen, die jedoch auf reale Motive zurückgehen, umfassen Palasthöfe, Arkadenflügel und Treppen in komplizierten Raumfluchten, alle mit Staffagefiguren belebt. Nur wenige Capricci geben ein ganzes Stadtbild zusammengesetzt aus Dresdener Motiven wieder. Diese reich gegliederte Barockarchitektur, die auch antikisierende Elemente enthält, entspricht nicht mehr dem Charakter einer Vedute und ist deshalb auch nicht in den Band aufgenommen worden.

In Bellottos besten Dresden-Veduten ist die Ansicht zugleich auch eine Vision. Und zwar nicht so sehr eine Vision des Ortes wie eine der Menschen. Die Gebäude hat er mit der Sicherheit langer Erfahrung hingesetzt. Es sind die Menschen, die unseren Blick gefangen halten. Figuren, Kleider, Gesichter, Gesten deutete Bellotto mit winzigen fetten Klecksen und Farbspritzern an. Er arbeitete mit einer gleichsam erheiternden Sicherheit. So bemächtigte er sich der Welt des Adels in ihren Kutschen, der Dragoner zu Pferd, der bürgerlichen Flaneure, der Krämer und Handwerker – die erregte Sorgfalt, die er auf die Bauwerke wendet, verschwendete er hier an einer menschlichen Haltung, dort an einem Wams. Der kaleidoskopische, vielfarbige Glanz dieses winzigen Durcheinanders von Menschen, die Summe all dieser mit unbeirrbarer Genauigkeit aufgebrachten Farbdetails ist höchst beeindruckend.

Bellotto hat sein eigentliches, geradezu besessenes malerisches Interesse auf die Menschen konzentriert, auf bewegte Dinge, die nicht ewig sind wie die Gebäude. So wogt auf der Ansicht des Altmarktes ein kaum übersehbares Menschengewimmel beim Markttreiben, während auf der Ansicht des Neustädter Marktes in Dresden nur wenige Figuren und Fahrzeuge sehr weiträumig über den Platz verteilt sind. Um den stehen gebliebenen, aber ruinösen Turm der zerstörten Kreuzkirche werken die Steinmetze und andere Handwerker, während neugierige Passanten zusehen. Am Neustädter Elbufer wird Wäsche aufgehängt, jemand versucht sich im Fischfang, Kinder spielen, ein Liebespaar ist mit sich selbst beschäftigt. Andere Ansichten wiederum sind menschenleer und die sich dahinziehenden Häuserzeilen am Elbufer haben in ihrer öden Verlassenheit etwas Melancholisches.

Erst Bellotto hat den Stil der venezianischen Vedute in Mitteleuropa eingeführt. Die barocken Bauwerke Dresdens, Wiens, Münchens und Warschaus präsentierte er in einer so suggestiven Weise, die zu erreichen den einheimischen Künstlern damals unmöglich war. Die Treue der Wiedergabe lässt die Veduten darüber hinaus zu unschätzbaren Dokumenten des gesellschaftlichen Lebens jener Zeit werden.

Er war der standesbewusste Nachfahre einer venezianischen Familie, die ein Wappen tragen durfte. Bereits in frühester Jugend bildete er sich in Venedig im Atelier seines Onkels, des berühmten Vedutenmalers Antonio Canal, genannt Canaletto, von dem er auch den Beinamen übernahm. Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, bediente sich in seinen in Italien entstandenen Werken Canals Malweise mit ihrem reichen Repertoire der Pinselstriche und den rasch aufgesetzten Lichtern, wobei jede Fläche und jeder Punkt im Kolorit des Ganzen chromatisch mitsprechen. Aber stets spielte bei ihm – im Unterschied zu seinem Onkel - die Zeichnung eine dem Bilde untergeordnete Rolle.

Bellottos zeichnerisches Werk war nie mehr als Hilfsmittel zur Bildausführung. Einen selbstständigen Wert beansprucht es nicht. Sein Interesse am Leben einer fremden Stadt, ob diese nun Dresden, Wien, München oder Warschau war, verbindet sich mit der für ihn charakteristischen Neigung, sich nicht mit der reinen Darstellung zu begnügen, sondern zu erzählen. Auf die Entwicklung dieses narrativen Sinnes sind viele Veränderungen zurückzuführen, die in Bellottos Kunst in Dresden, wo er sich zwischen 1747 und 1767 aufhielt, zu beobachten sind. Eine ganze Anzahl seiner Bilder hat er für den sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. gemalt, der zugleich König von Polen war und während des Siebenjährigen Krieges in Warschau residierte. Da der mächtige Graf Brühl die gleichen Bilder wie der Kurfürst für sich persönlich haben wollte, musste Bellotto sie noch einmal malen. Erst nach dem Tode Brühls bekam er sie aus der Staatskasse bezahlt.

Der E. A. Seemann Verlag in Leipzig hat erneut den wunderbaren Text-Bild-Band von Fritz Löffler, dem wohl besten Kenner des alten Dresden, mit Bellottos Radierungen und Gemälden der Stadt um die Mitte des 18. Jahrhunderts herausgebracht. Es ist eine Lust, darin zu blättern und – angeleitet von der Einführung und den Bilderläuterungen Fritz Löfflers - seine Entdeckungen zu machen. Denn der Band präsentiert die Stadtansichten, die Bellotto als Hofmaler für den sächsischen Kurfürsten schuf und die sich im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befinden, sowohl in panoramaartigen Gesamt- als auch ganzseitigen Detailaufnahmen in durchweg farbiger Reproduktion.

Seine Kompositionen plante Bellotto wohl mit Hilfe eines Apparates, der im 18. Jahrhundert unserem Fotoapparat am nächsten kam: der Camera obscura. Er malte nicht genau nach, was er sah. Er hat Gebäude mit ins Bild genommen, die er von seinem Standpunkt aus nie hätte sehen können, und er hat sie leicht gedreht. Wohl alle Stadtveduten sind mit Hilfe der Camera obscura entstanden. So fing er das alte Dresden vom rechten und vom linken Elbufer ein, sowohl oberhalb als auch unterhalb der Augustus-Brücke, er malte den Neumarkt und den Altmarkt aus verschiedenen Sichten, die Frauen- und die Kreuzkirche, die Altstadt und die Ruinen der im Siebenjährigen Krieg zerstörten Pirnaischen Vorstadt.

Die Jahre 1759/60 hatte Bellotto in Wien und 1761 in München verbracht. 1762, gegen Ende des Siebenjährigen Krieges, kehrte er nach Dresden zurück. Sachsen war nach dem Kriege verarmt und musste sparen. Anstelle des Honorars eines gut bezahlten Hofmalers musste er sich mit dem bescheidenen Gehalt eines Mitgliedes der Kunstakademie begnügen. Er malte jetzt nur noch gelegentlich Veduten: einige Ansichten der zerstörten Stadtteile Dresdens und der Festung Königstein. Auf einem der Bilder schildert Bellotto den Aufbau der im Siebenjährigen Krieg von Kanonenkugeln der Preußen zerstörten Kreuzkirche. Gespensterhaft wie ein Skelett ragt der zerfetzte Stumpf des Kirchturms empor. Die expressive Kraft des Bildes steht im Kontrast zur sonst kühlen Objektivität der Darstellung.

Charakteristisch für die zweite Dresdener Periode waren jetzt die akademischen Architektur-Capricci. Der Künstler hat etwa 20 Bilder dieser Art ausgeführt. Die Fantasiearchitekturen, die jedoch auf reale Motive zurückgehen, umfassen Palasthöfe, Arkadenflügel und Treppen in komplizierten Raumfluchten, alle mit Staffagefiguren belebt. Nur wenige Capricci geben ein ganzes Stadtbild zusammengesetzt aus Dresdener Motiven wieder. Diese reich gegliederte Barockarchitektur, die auch antikisierende Elemente enthält, entspricht nicht mehr dem Charakter einer Vedute und ist deshalb auch nicht in den Band aufgenommen worden.

In Bellottos besten Dresden-Veduten ist die Ansicht zugleich auch eine Vision. Und zwar nicht so sehr eine Vision des Ortes wie eine der Menschen. Die Gebäude hat er mit der Sicherheit langer Erfahrung hingesetzt. Es sind die Menschen, die unseren Blick gefangen halten. Figuren, Kleider, Gesichter, Gesten deutete Bellotto mit winzigen fetten Klecksen und Farbspritzern an. Er arbeitete mit einer gleichsam erheiternden Sicherheit. So bemächtigte er sich der Welt des Adels in ihren Kutschen, der Dragoner zu Pferd, der bürgerlichen Flaneure, der Krämer und Handwerker – die erregte Sorgfalt, die er auf die Bauwerke wendet, verschwendete er hier an einer menschlichen Haltung, dort an einem Wams. Der kaleidoskopische, vielfarbige Glanz dieses winzigen Durcheinanders von Menschen, die Summe all dieser mit unbeirrbarer Genauigkeit aufgebrachten Farbdetails ist höchst beeindruckend.

Bellotto hat sein eigentliches, geradezu besessenes malerisches Interesse auf die Menschen konzentriert, auf bewegte Dinge, die nicht ewig sind wie die Gebäude. So wogt auf der Ansicht des Altmarktes ein kaum übersehbares Menschengewimmel beim Markttreiben, während auf der Ansicht des Neustädter Marktes in Dresden nur wenige Figuren und Fahrzeuge sehr weiträumig über den Platz verteilt sind. Um den stehen gebliebenen, aber ruinösen Turm der zerstörten Kreuzkirche werken die Steinmetze und andere Handwerker, während neugierige Passanten zusehen. Am Neustädter Elbufer wird Wäsche aufgehängt, jemand versucht sich im Fischfang, Kinder spielen, ein Liebespaar ist mit sich selbst beschäftigt. Andere Ansichten wiederum sind menschenleer und die sich dahinziehenden Häuserzeilen am Elbufer haben in ihrer öden Verlassenheit etwas Melancholisches.

Erst Bellotto hat den Stil der venezianischen Vedute in Mitteleuropa eingeführt. Die barocken Bauwerke Dresdens, Wiens, Münchens und Warschaus präsentierte er in einer so suggestiven Weise, die zu erreichen den einheimischen Künstlern damals unmöglich war. Die Treue der Wiedergabe lässt die Veduten darüber hinaus zu unschätzbaren Dokumenten des gesellschaftlichen Lebens jener Zeit werden.

 

Literaturangabe:

LÖFFLER, FRITZ: Bernardo Bellotto genannt Canaletto. Dresden im 18. Jahrhundert. E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2009. 112 S., 72 farb., 16 s/w-Abb., 9,95 €.

Weblink:

E. A. Seemann Verlag

 

 


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